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Digitalisierung
Die digitale Rezeptsammelstelle – eine Revolution für die Landversorgung?
Der Landesapothekerverband Baden-Württemberg hat auf der diesjährigen Expopharm die digitale Rezeptsammelstelle vorgestellt. Das Gerät soll in den letzten drei Monaten dieses Jahres in einem baden-württembergischen Ort als Pilotprojekt eröffnet werden. Der Rezeptsammler kann mehr als gedacht: Patienten können sich telefonisch beraten lassen und per SMS OTC bestellen. Über die Kosten wollten die Hersteller des Gerätes nichts verraten.
Die Apotheker seien Digitalisierungs-Gegner, verhinderten innovative Versorgungskonzepte und seien nur darauf aus, den Status quo irgendwie zu erhalten. Diese Vorwürfe müssen sich die Pharmazeuten und ihre Standesvertretungen derzeit nicht selten gefallen lassen, zumeist aus den Reihen der Versandapotheker, Krankenkassen, aber auch aus der Politik. Schon vor Monaten hatte der Landesapothekerverband Baden-Württemberg angekündigt, dass er – auch um diesen Vorwürfen entgegen zu treten – eine digitale Rezeptsammelstelle plane, die die Versorgung für den Patienten, aber auch für den Apotheker vereinfachen solle.
Aber warum gerade Baden-Württemberg? Ganz einfach: Im Südwesten der Republik kommt es derzeit zu Entwicklungen, die die Zukunft des Apothekenmarktes nachhaltig beeinflussen könnten. Man nehme nur die Arzneimittel-Abgabestelle von DocMorris in Hüffenhardt, die derzeit zwar geschlossen ist, aber nach einem für DocMorris positiven Gerichtsurteil wieder eröffnen könnte. Zudem ist Baden-Württemberg eines der Länder, die den Rückgang der Apothekenzahl besonders intensiv miterleben. Fast jede dritte Gemeinde im Ländle ist derzeit ohne Apotheke, seit 2007 ist die Apothekenzahl um mehr als zehn Prozent geschrumpft. Die Zulassungen von Rezeptsammelstellen mehren sich daher zwangsläufig – derzeit gibt es ganze 112 Sammelstellen im Südwesten. Auch politisch bewegt sich im Ländle viel: Das Land hat ein eigenes Digitalministerium. Und: LAV-Präsident Fritz Becker ist gleichzeitig Chef des Deutschen Apothekerverbandes – alles, was Becker macht, hat daher automatisch eine große Strahlkraft.
Fritz Becker will die Versorgung schneller machen
Geht es nach LAV-Präsident Fritz Becker, werden diese Briefkästen nach und nach alle mit der am heutigen Donnerstag auf der Expopharm vorgestellten digitalen Rezeptsammelstelle ausgetauscht. Becker erklärt, er habe lange darüber nachgedacht, wie man die Arzneimittelversorgung auf dem Land vereinfachen, schneller und digitaler gestalten könnte. Auch nach Gesprächen mit der Politik sei er zu dem Schluss gekommen, dass es eine gute Idee sei, die schon vorhandenen Sammelstellen zu digitalisieren. Was sich dadurch verbessert? Dazu sagt Becker: „Für Patienten ist der Vorgang transparenter, sie erhalten eine Quittung für die Rezeptabgabe. Außerdem können die Patienten mit dem Apotheker Kontakt aufnehmen, über Telefon oder per SMS auf dem Bildschirm eine Nachricht eingeben.“ So seien beispielsweise zusätzliche OTC-Bestellungen möglich.
Auch für den Apotheker ergeben sich laut Becker gleich mehrere Vorteile: „Die gesamte Rezeptbearbeitung läuft viel schneller ab. Der Apotheker muss nicht erst zur Sammelstelle fahren, sondern kann das Medikament sofort beim Großhandel bestellen, falls es nicht da ist. Eventuelle Lieferprobleme lassen sich früher erkennen und schneller beheben. Außerdem muss der Apotheker auch nur noch einmal zur Sammelstelle fahren, um alle Rezepte gemeinsam abzuholen.“ Und genau hier liegt laut LAV auch der große Unterschied zu anderen Anbietern: „Das Rezept liegt im Original vor, und zwar vor der Auslieferung“, so Frank Eickmann, Kommunikationschef des LAV. Becker ergänzt: „Außerdem werden Auslieferungen durch pharmazeutisches Fachpersonal durchgeführt.“
Wie funktioniert das Gerät?
Der LAV hat in den vergangenen Monaten mit der Unternehmensgruppe der VSA GmbH zusammengearbeitet, um die Soft- und Hardware des Gerätes zu bauen. Die VSA gehört zur Unternehmensgruppe Noventi, zu der auch andere Apotheken-Dienstleister gehören, wie beispielsweise die Awinta und ALG. VSA-Chef Herbert Wild erklärt, was in den vergangenen Monaten alles passiert ist: „Die wichtigsten Voraussetzungen für uns waren die einfache Benutzerführung sowie die leichte Bedienung für den Apotheker. Auch auf den Datenschutz haben wir geachtet. Für die Errichtung der Hardware mussten wir an ein robustes Gehäuse denken, einen Computer einbauen und den mit einem Bildschirm, einem Mikrofon und einem Scanner verbinden. Die Softwarelösung hatten wir schon und haben in den Computer das Programm eingebaut, das wir in unserer App ‚Call My Apo‘ verwenden“, so Wild.
Und so funktioniert die fertige Sammelstelle in der Praxis: Der Patient bestätigt auf dem Touchscreen zunächst die Datenschutzerklärung. In den oberen Schlitz führt er dann das Rezept ein und wird dann gefragt, ob er per Schriftmitteilung oder Anruf noch Kontakt zum Apotheker aufnehmen möchte. Will er keinen direkten Kontakt, druckt das Gerät die Empfangsquittung aus. Auf dem Bon stehen eine Abholnummer sowie der Name der Apotheke samt Öffnungszeiten und Telefonnummer. Eine Kontaktaufnahme ohne Rezepteingabe ist nicht vorgesehen. Die Datenübertragung funktioniert entweder über LAN oder WLAN. Sollten beide Wege ausfallen, kann das Gerät sogar per Mobilfunknetz kommunizieren. Sollte auch das nicht funktionieren, oder das Gerät komplett ausfallen, hat die Sammelstelle einen klassischen Briefkasten-Schlitz an der Seite.
Bayern und Sachsen ziehen nach
Direkt an die Apotheke werden die Daten aus Datenschutz-Gründen allerdings nicht übertragen. Vielmehr landen die Daten auf einem VSA-Server und werden von da aus an die Apotheke geschickt. Der Apotheker kann auf die Daten auch nur nach Eingabe eines Codes zugreifen.
Wie geht es nun weiter mit der Rezeptsammelstelle? Laut LAV soll das Pilotgerät in den letzten drei Monaten des Jahres in Baden-Württemberg errichtet werden. Über den Ort wollten die Verbandsvertreter noch nichts verraten. Zu den Kosten sagte LAV-Sprecher Frank Eickmann, dass das Pilotgerät zunächst kostenfrei für den Apotheker sein soll. Zu den nachfolgenden Kosten für die Apotheker, die Interesse an dem Gerät haben, wollten weder die VSA noch der LAV etwas sagen. Auch zu den Produktionskosten gab es keine Informationen. Die Sammelstelle in Baden-Württemberg soll jedoch nicht die einzige bleiben: Auch der Bayerische und der Sächsische Apothekerverband haben bereits ein Gerät geordert. Wann und wo die Maschinen dort ans Netz gehen, ist aber auch noch unklar.
1 Kommentar
VSA und die digitale Rezeptsammelstelle
von Nachdenker am 17.09.2017 um 16:02 Uhr
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