Beratungs-Quickie

Wissenswertes zur Schubbehandlung bei MS

München - 07.09.2017, 13:00 Uhr

Eine Infusion mit Methylprednisolon kann die Schubdauer verkürzen. (Foto: rukxstockphoto  / Fotolia)

Eine Infusion mit Methylprednisolon kann die Schubdauer verkürzen. (Foto: rukxstockphoto  / Fotolia)


Welche Punkte sind bei der Beratung wichtig? Was für Zusatzinformationen kann man geben? Im „Beratungs-Quickie“ stellen wir jeden Donnerstag einen neuen Fall vor. Diesmal geht es um eine Verordnung über das Glucocorticoid Methylprednisolon zur parenteralen Anwendung sowie Hilfsmittel für dessen intravenöse Verabreichung für eine Frau mittleren Alters, die einen akuten MS-Schub hat.

Formalien-Check

Die Kundin kommt am Tag der Rezeptausstellung in die Apotheke. Sie bewegt sich sehr langsam und vorsichtig und hält sich am HV-Tisch fest. Sie reicht ihr Rezept mit der Bitte ein, alles in die nahegelegene Praxis der Neurologin zu bringen.

Verordnet sind eine N2-Packung Urbason® solubile forte 1000 mg mit fünf Pulvern (Trockensubstanz) und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung/Infusionslösung sowie eine N2-Packung Isotonische Kochsalzlösung 0,9% mit zehn Stück Infusionslösungen zu je 250 ml und fünf Infusionsbestecke.

Das Rezept ist vollständig und eindeutig. Hilfsmittel und Arzneimittel dürfen jedoch nicht zusammen auf einem Rezept verordnet sein. Auf der vorliegenden Verordnung ist Position drei zu streichen, und die Apotheke beliefert hier die Arzneimittel. Ein separates Hilfsmittelrezept (mit der Ziffer 7 im entsprechenden Statusfeld und mit der Diagnose) muss in der Praxis angefordert werden. Die Belieferung von Hilfsmitteln ist grundsätzlich nur dann möglich, wenn die Apotheke dem Hilfsmittelliefervertrag mit dem jeweiligen Kostenträger beigetreten ist. Die Apotheke muss sich den Empfang von Hilfsmitteln auf der Rezeptrückseite mit Datum und Unterschrift bestätigen lassen.

Für die beiden Arzneimittel ist kein Aut-idem angekreuzt, Rabattverträge sind daher zu beachten. Eine Packung Urbason® solubile forte 1000 mg mit fünf Stück hat die Normgröße N3, die auch abzugeben ist. Ist eine Arzneimittelmenge mit Stückzahl und Normgröße verordnet, so ist für die Rezeptbelieferung nach Rahmenvertrag § 4 Absatz 1c Satz 2 die Stückzahl entscheidend.

Die Kundin ist gebührenpflichtig. Ab Ausstellungsdatum ist die Verordnung einen Monat gültig. 

Beratungs-Basics

Die Patientin kennt die Infusionen, die sie immer in der Praxis bekommt. In der Regel verträgt sie die Behandlung gut.

Methylprednisolon ist ein oral oder parenteral anwendbares Glucocorticoid. Das verordnete Arzneimittel wird unter anderem zur kurzfristigen Behandlung von akuten Schüben bei Multipler Sklerose eingesetzt. Methylprednisolon kann die Schubdauer verkürzen, hat jedoch keinen Einfluss auf die Schubrate oder auf die Behinderungsprogression.

Zur Kurzzeit-Infusionstherapie akuter Schübe bei MS werden ambulant an drei bis maximal fünf aufeinanderfolgenden Tagen je 1000 mg Methylprednisolon intravenös verabreicht. Die Applikation sollte möglichst früh morgens erfolgen, da Schlafstörungen so seltener auftreten. Es ist wichtig, dass die Schubtherapie schnell startet, das heißt innerhalb von zwei bis fünf Tagen nach Beginn der klinischen Symptomatik. Vor der Infusionsgabe sollte ein florider Infekt ausgeschlossen werden. Es wird empfohlen, die Stoßtherapie unter Magenschutz und Thromboseprophylaxe durchzuführen. Die Schutzmaßnahmen werden noch einige Tage über den Behandlungszyklus fortgeführt.

Treten nach Ende der Infusionstherapie Muskel- und Gelenkschmerzen auf, ist die Ursache häufig die zu schnelle Dosisreduktion. Im Anschluss an die intravenöse Therapie kann daher optional ein orales Ausschleichen mit initial 80 mg Methylprednisolon p.o. oder Äquivalent über zehn bis vierzehn Tage erfolgen. Auf Nachfrage zieht die Kundin eine weitere Verordnung über Omeprazol, Heparinspritzen und Urbason® Tabletten aus ihrer Handtasche. Sie bedankt sich für die Erinnerung, fast hätte sie vergessen, das zweite Rezept einzulösen.

Die häufigsten Nebenwirkungen der Cortison-Stoßtherapie sind Kopfschmerzen und Übelkeit. Durch Liegenbleiben nach den Infusionen und reichliche Flüssigkeitszufuhr kann versucht werden, diesen vorzubeugen. Das Reaktionsvermögen kann durch Nebenwirkungen wie Schwindel, Kopfschmerzen und Sehstörungen so weit beeinträchtigt sein, dass Autofahren unterbleiben sollte. Durch die zeitliche Begrenzung bei einer Cortison-Stoßtherapie sind die bekannten Langzeitnebenwirkungen nicht zu befürchten. Auch unangenehme Nebenwirkungen wie Herzklopfen, Heißhunger, Unruhe und Schlafstörungen sind meist milder und seltener.

Ein Infusionsbesteck, wie z.B. IntraFix® Air, stellt die Verbindungen zwischen dem Infusionsbehälter (hier: der Isotonischen Kochsalzlösung, die zur Aufnahme des Methylprednisolons dient) und der Infusionskanüle dar. Die Apotheke erkundigt sich nach weiteren Verordnungen, da auf dem Rezept Hilfsmittel wie Butterfly-Verweilkanülen für den intravenösen Zugang fehlen. Laut Kundin sind diese in der Praxis vorhanden. 

Auch noch wichtig

Bei der Behandlung sind Wechselwirkungen mit verordneten Arzneimitteln und mit der Selbstmedikation zu beachten.

  • Bei gleichzeitiger Anwendung von NSAIDs (wie Ibuprofen, Diclofenac und Naproxen) steigt das Risiko von Magen-Darm-Ulzera. Paracetamol ist als Schmerzmittel vorzuziehen.
  • Mittel zur „Abwehrstärkung“, wie Echinacea-Präparate oder Pelargonium-Extrakte, sind bei Autoimmunkrankheiten nicht erlaubt.
  • Hefepräparate (Saccharomyces cerevisiae) dürfen während einer immunsuppressiv wirksamen, hochdosierten Glucocorticoid-Behandlung nicht zur Anwendung kommen. Es kann zu einer Ausbreitung der Hefekeime und dadurch zu Fungämien und Hefeinfektionen innerer Organe kommen.

Das Auftreten von gastrointestinalen Beschwerden erfordert eine ärztliche Abklärung. Es darf keine Selbstmedikation erfolgen.

Bei Verabreichung hoher Dosen Methylprednisolon ist der Serum-Kalium-Spiegel ärztlich zu überwachen und auf eine ausreichende Kaliumzufuhr und Natriumrestriktion zu achten.

Außerdem wird der Blutdruck engmaschig kontrolliert, da während oder nach i.v. Anwendung hoher Dosen Methylprednisolon über Bradykardien, Kreislaufkollaps, Herzrhythmusstörungen und Herzstillstand berichtet wurde (auch bei Patienten ohne bekannte Herzerkrankungen).

Bei Diabetikern kann es unter einer Cortison-Therapie zum Anstieg der Blutzuckerwerte kommen. Regelmäßige Selbstkontrollen und ggf. eine Anpassung der Therapie sind erforderlich.

Darf´s ein bisschen mehr sein?

  • Bei häufigeren Schubbehandlungen ist eine Calcium- und Vitamin-D3-Substitution zur Osteoporose-Prophylaxe empfehlenswert.
  • Die Kundin sollte zur Ödemreduktion während der Cortison-Therapie auf eine ausgewogene, kochsalzarme und kaliumreiche Kost achten.
  • Es gibt spezielle Serviceprogramme der Hersteller für Multiple Sklerose-Erkrankte, z.B. der Firma Bayer: www.ms-gateway.de.
  • Wichtige Informationen und Unterstützung finden Betroffene unter www.dmsg.de.

 



Manuela Kühn, Apothekerin
redaktion@daz.online


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