Neue G-BA-Spitze

Klatsche für Ex-AOK-Manager und FDP-Politiker im Gesundheitsausschuss

Berlin - 28.06.2017, 13:00 Uhr

(Fotos: Picture-Alliance / Tagesspiegel | dpa)

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Der ehemalige AOK-Manager Uwe Deh sowie der FDP-Politiker und Ärzte-Funktionär Lars Lindemann wollten gerne neue unparteiische Vorsitzende im Gemeinsamen Bundesausschuss werden. Doch der Gesundheitsausschuss hat beiden einen Strich durch die Rechnung gemacht und einstimmig gegen ihre Ernennung gestimmt. Die Abgeordneten hatten offenbar große Bedenken bezüglich der Unabhängigkeit von Deh und Lindemann für den G-BA.

Um die Neubesetzung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), eines der wichtigsten Gremien im Gesundheitsausschuss, gibt es seit Wochen Diskussionen. Die Amtszeit der jetzigen neun Unparteiischen läuft Mitte 2018 ab. Die Trägerorganisationen des G-BA (Kassenärztliche Bundesvereinigung, GKV-Spitzenverband, Deutsche Krankenhausgesellschaft und Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung) hatten die Möglichkeit, Vorschläge für die Besetzung der Posten der drei Unparteiischen und ihrer jeweils zwei Stellvertreter zu unterbreiten. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) kann diese Vorschläge nur kommentieren. Laut Gesetz liegt die Entscheidung über die Personalbesetzung aber beim Gesundheitsausschuss des Bundestages.

Dem Gesundheitsausschuss lag seit mehreren Wochen die Wunschliste des G-BA vor. Darin heißt es, dass der derzeitige unparteiische Vorsitzende, Josef Hecken, weiter im Amt bleiben soll. Seine direkten Stellvertreter sollten laut dem Papier allerdings neu besetzt werden: Ärzte, Kassen und Kliniken hatten sich auf Uwe Deh und Lars Lindemann geeinigt. Deh war bis Ende 2016 Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes. Davor war der studierte Betriebswirt unter anderem Chef der AOK Sachsen-Anhalt. Auch in einer Ärztekammer und mehreren Kliniken war Deh bereits tätig. In den vergangenen Monaten war er Management-Berater bei der adesso AG, ein Software-Unternehmen. Diese Tätigkeit hätte er im Falle einer Nominierung als Unparteiischer allerdings fallengelassen.

Auch Lindemann dürfte vielen Apothekern ein Begriff sein. Der FDP-Politiker saß in der vergangenen Legislaturperiode für die FDP Berlin im Bundestag und war Mitglied des Gesundheitsausschusses. Zum Ende der Legislaturperiode sorgte er für Aufsehen, weil er ankündigte, Chef des Spitzenverbandes der Fachärzte (SpiFa) werden zu wollen. Vor seiner Funktionärstätigkeit für die Ärzte war Lindemann an mehreren Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und Krankenhäusern tätig. Außerdem arbeitete er etwa vier Jahre lang als Rechtsanwalt für die auf Gesundheit spezialisierte Kanzlei Ehlers & Ehlers.

Lange, vertrauliche Befragungen

In der vergangenen Woche meldete der Gesundheitsausschuss Gesprächsbedarf bezüglich Deh und Lindemann an. Beide Funktionäre wurden am vergangenen Montag in den Bundestag geladen und mussten in einer streng vertraulichen Sitzung jeweils 75 Minuten lang Fragen über ihre Tätigkeiten und Aktivitäten im Gesundheitswesen beantworten. Was die Abgeordneten genau fragten, ist nicht bekannt. Fest steht nur, dass es um die Unabhängigkeit und eventuelle Befangenheiten der Kandidaten ging. Am heutigen Mittwoch folgte dann die Abstimmung mit einem überraschenden Ergebnis: Der Ausschuss sprach sich einstimmig gegen die Ernennung von Deh und Lindemann für die G-BA-Spitze aus.

Über die genauen Gründe der Ablehnung ist nichts bekannt, da sowohl die Befragung als auch die Abstimmung vertraulich behandelt wurden. Es ist aber anzunehmen, dass die Abgeordneten die Unabhängigkeit von Deh und Lindemann bei für das gesamte Gesundheitswesen wichtigen Richtlinien-Entscheidungen bezweifelt haben, beispielsweise bei Entscheidungen zur Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln.  

Die Trägerorganisationen des G-BA haben nun sechs Wochen lang Zeit, neue Personalvorschläge zu unterbreiten. Dann muss erneut das BMG die Vorschläge zunächst bewerten und danach der Gesundheitsausschuss entscheiden. Das Ministerium hatte übrigens ebenfalls Gesprächsbedarf angemeldet bezüglich der Personalvorschläge des G-BA. Allerdings ging es dem Ministerium eher um die Benennung von Hans-Joachim Helming als stellvertretender Unparteiischer. Helming war früher Ärztefunktionär und ist immer noch bei einem Unternehmen tätig, das unter anderem von der KV Brandenburg kontrolliert wird – das BMG hatte das kritisiert. Allerdings hatten die Trägerorganisationen des G-BA kurzfristig noch einen Ersatz für Helming nominiert. Der Ausschuss hatte ihn daher nicht mehr befragt, sondern nur Deh und Lindemann eingeladen. Grundsätzliche Kritik vom BMG gab es aber auch, weil der G-BA bei neun neuen Unparteiischen nur eine Frau mit ins Boot holen wollte.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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1 Kommentar

Wiedermal Hecken

von Heiko Barz am 28.06.2017 um 17:42 Uhr

ecce, ! Der UNABHÄNGIGE Josef Hecken im Amt bestätigt!
Wie schnell vergißt man eigentlich in diesem Land?
Derjenige, der Doc Morris das PR Bett für Deutschland bereitet hat, sitzt im festen Vorstandstuhl des BGA.
Die unrechtmäßige Eröffnung der DOMO Apotheke und der damit einhergehende Versuch der gesetzwidrigen Kettenbildung, die schon ein Däinghaus vor vielen Jahren verzweifelt versuchte, fand nun mit der Genehmigung der DOMO Apotheke in Saarbrücken durch den damaligen Justiz- und Gesundheitsministeres Josef Hecken ihren unrühmlichen aber noch scheiternden Anfang.
Und solche UNABHÄNGIGEN Herrschaften werden bei uns in der" Bananerepublik" Deutschland als Führungskräfte hochgelobt.
Danke euch Politikern.

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