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Hauptstadtkongress
„Pharmazon“ – das Schreckensszenario für den Apothekenmarkt
Immer mehr Gesundheitspolitiker gehen davon aus, dass der Apothekenmarkt vor größeren Umwälzungen steht. Bei der arzneimittelpolitischen Diskussion auf dem Hauptstadtkongress am heutigen Donnerstag warnten Vertreter der CDU, Grünen und Linken vor dem größer werdenden Einfluss ausländischer Versandapotheken. Insbesondere Kathrin Vogler (Linke) malte ein dunkles Bild. Die SPD blieb der Veranstaltung als einzige der im Bundestag vertretenen Fraktionen fern.
An der Diskussion mit dem Titel „Die Zukunft der pharmazeutischen Versorgung vor dem Hintergrund europäischer Entwicklungen“ beteiligten sich ABDA-Präsident Friedemann Schmidt, CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich, Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Linken, sowie Kordula Schulz-Asche, die in der Bundestagsfraktion der Grünen für das Thema Arzneimittel zuständig ist.
Die Debatte drehte sich hauptsächlich um die Auswirkungen des EuGH-Urteils zur Rx-Preisbindung. Schnell wurde klar, dass das Urteil bei allen Diskussionsbeteiligten inzwischen viel grundsätzlichere Fragen aufgeworfen hat. Schmidt hinterfragte beispielsweise, wie viel Einfluss europäische Institutionen auf die Gesundheitswesen der Mitgliedstaaten haben sollten, wo es doch grundsätzlich den Mitgliedstaaten selbst obliege, die Gesundheitsversorgung im eigenen Land zu steuern. Als aktuelles Beispiel nannte er eine EU-Dienstleistungsrichtlinie, nach der Änderungen am Berufsrecht grundsätzlich gegenüber der EU angezeigt werden müssen.
Linken-Politikerin Vogler malt ein dunkles Zukunftsszenario
Besonders eindrücklich schilderte allerdings die Linken-Politikerin Vogler ihre Vision für den deutschen Arzneimittel- und Apothekenmarkt. Vogler erklärte: „Wir haben ja derzeit auf der Welt nicht das Problem, dass es zu wenig Geld gibt. Ganz im Gegenteil gibt es, wie man an den Niedrigzinsen sieht, zu viel Geld, das große Kapitalgeber irgendwo anlegen wollen. Und der deutsche Apothekenmarkt ist da natürlich ein geeignetes Ziel, weil es dort noch kein Fremdkapital gibt und entsprechend großes Entwicklungspotenzial vorhanden ist.“
Als „perfektes Beispiel“ bezeichnete sie das Vorgehen des DocMorris-Mutterkonzerns Zur Rose. „Zur Rose bereitet gerade einen Börsengang vor, um 200 Millionen Schweizer Franken für weitere Expansionen zu generieren. Das ist eine Bedrohung für unseren Arzneimittelmarkt.“ Die Linken-Politikerin malte ihr dunkles Bild aber noch weiter: „Aufgrund seiner aggressiven Marktstrategie hat DocMorris im ersten Quartal 2017 17 Prozent Umsatzplus eingefahren. Das ist ein rasant wachsender Markt. Wenn wir jetzt nicht eingreifen, wird die Regulierung später nicht mehr so einfach sein.“ Und weiter: „Ich würde es auch nicht ausschließen, dass als nächstes das Fremd- und Mehrbesitzverbot fällt. Denn irgendwann werden hiesige Apotheker klagen, weil sie nicht einsehen, dass für sie andere Konditionen gelten als für ihre ausländischen Konkurrenten.“ Vogler wollte zudem das Argument nicht gelten lassen, dass die Versandhändler einen zu kleinen Marktanteil besäßen, um den Apotheken vor Ort gefährlich zu werden. Sie sagte, man müsse aufpassen, dass sich hierzulande kein „Pharmazon“ entwickle. Sie selbst lehne diese Entwicklung ab, weil „der Arzneimittelbereich kein freier Marktbereich wie jeder andere“ sei.
Hennrich (CDU): Uns läuft die Zeit davon
Die Linken hatten erst kürzlich einen Antrag zum Rx-Versandverbot in den Bundestag eingebracht. Obwohl die Union das Verbot auch forderte, fand sich im Bundestag keine Mehrheit für das Vorhaben, weil SPD und Grüne strikt gegen das Verbot sind. Vogler warnte aber davor, den Versandhandel zu verharmlosen. „Wenn sich die Menschen dazu entscheiden, ihre Schuhe nur noch im Internet zu kaufen, dann ist das schade, weil Geschäfte in den Innenstädten wegbrechen und ein Teil der Lebensqualität nachlässt. Aber es ist nicht gesundheitsgefährdend. Bei den Arzneimittel ist das nicht so: Sie sind keine einfache Ware.“ Vogler stellte außerdem die „Gerechtigkeitsfrage“, indem sie sagte: „Warum sollen ausländische Großkonzerne mehr dürfen als inländische Anbieter?“ Und auch den Patientenschutz sieht sie durch den Rx-Versand gefährdet: „Ich will nicht, dass meine Arzneimittel bei 30 Grad stundenlang durch die Gegend gefahren werden.“
Hennrich: EU-Versender haben uns Falsches suggeriert
Die Union war in den vergangenen Monaten mit ihrem Gesetzentwurf zum Rx-Versandverbot an der SPD-Bundestagsfraktion gescheitert. Michael Hennrich, bei der Union zuständig für das Thema Arzneimittel, argumentierte ähnlich wie Vogler. Hennrich berichtete aus Gesprächen im Bundestag mit Vertretern der EU-Versandapotheken. „Man hat uns damals suggeriert, dass die Rx-Umsätze zurückgegangen seien und dass eine Gefahr schlichtweg nicht bestehe. Dann muss ich aber in Medienberichten lesen, dass DocMorris ein dickes Umsatzplus in den vergangenen Monaten eingefahren hat und dass Zur Rose hier in Deutschland seine Rx-Anteile vergrößern will.“ So wie Schmidt, sieht es auch Hennrich kritisch, dass europäische Institutionen sich immer öfter in die Gesundheitssysteme der Mitgliedstaaten einmischen. „Wir sind als Gesundheitspolitiker verpflichtet, eine klare Strategie bei solchen Fragestellungen zu entwerfen.“
Hennrich versprach, auch in der nächsten Legislaturperiode „alles daran zu setzen“, die Position der Apotheker zu stärken. So wie Vogler sieht aber auch er, dass sich bereits in den nun kommenden Monaten (Bundestagswahl und anschließende Regierungsbildung) viel verändern könne. „Bis ein neues Preis- und Vergütungssystem steht, können zwei oder drei Jahre vergehen. Mit dem Versandverbot hätten wir Zeit gewonnen und eine schnelle Regelung implementiert“, so der CDU-Politiker.
Schulz-Asche: Rx-Boni schnell begrenzen
Und sogar Kordula Schulz-Asche, die sich nach dem EuGH-Urteil vehement gegen das Verbot aussprach, warnte vor dem Markteinfluss der großen EU-Versender. „Wir wollten nach dem Urteil eine schnelle und rechtssichere Lösung und erst einmal die riesigen Boni der EU-Versender begrenzen.“ Sie blieb allerdings dabei, dass das Rx-Versandverbot aus ihrer Sicht „höchstproblematisch“ sei, da es europa- und verfassungsrechtlich nicht umzusetzen sei. Nochmals erklärte sie auch, dass unter dem Status Quo am meisten die Apotheker leiden. „Weil man sich in der Koalition nicht einigen konnte, leiden nun die Apotheker, das ist verantwortungslos.“ Wie auch die SPD-Bundestagsfraktion warnte Schulz-Asche davor, den Rx-Versandhandel abzuschaffen, weil es viele Menschen mit seltenen Erkrankungen gebe, die auf den Versand spezieller Arzneimittel angewiesen seien. Das wiederum bot Friedemann Schmidt die Möglichkeit für ein dynamisches Schlusswort: „Frau Schulz-Asche, es gibt in Deutschland keinen einzigen Patienten, der auf den Versandhandel angewiesen ist.“
8 Kommentare
Verbot, Verbot, Verbot ...
von Christian K am 24.06.2017 um 21:18 Uhr
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Marktveränderung
von Markus Junker am 22.06.2017 um 23:27 Uhr
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AW: Marktveränderung
von Anita Peter am 23.06.2017 um 6:48 Uhr
Lager- und Transporttemperatur
von Michael N. am 22.06.2017 um 18:33 Uhr
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AW: Lager- und Transporttemperatur
von Pharmi am 22.06.2017 um 23:55 Uhr
Und wieder mal Schulz-Asche...
von Pharmi am 22.06.2017 um 18:03 Uhr
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Schulz Asche
von Anita Peter am 22.06.2017 um 16:34 Uhr
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AW: Schulz Asche
von Pharmi am 22.06.2017 um 18:06 Uhr
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