May/Bauer/Dettling-Gutachten

„Die Preisbindung ist nur mit dem Rx-Versandverbot zu erhalten“

Berlin - 28.03.2017, 17:45 Uhr

Derzeit sind die Preise für verschreibungspflichtige Arzneimittel in jeder deutschen Apotheke gleich. Niederländische Versandapotheken dürfen billiger sein. Wie soll man hierauf am besten reagieren? (Foto: pikselstock / Fotolia)

Derzeit sind die Preise für verschreibungspflichtige Arzneimittel in jeder deutschen Apotheke gleich. Niederländische Versandapotheken dürfen billiger sein. Wie soll man hierauf am besten reagieren? (Foto: pikselstock / Fotolia)


Das System der Rx-Preisbindung in Verbindung mit der flächendeckenden Apothekenversorgung und dem Sachleistungsprinzip ist effizienter und kosteneffektiver als ein freier Preiswettbewerb bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Zu diesem Ergebnis kommt das gesundheitsökonomische Gutachten von Professor Dr. Uwe May, Cosima Bauer und Dr. Heinz-Uwe Dettling. Im Interview mit DAZ.online erklären May und Bauer, warum das Rx-Versandverbot jetzt so wichtig ist.

DAZ.online: Frau Bauer, Herr May, Sie haben zusammen mit Dr. jur. Heinz-Uwe Dettling ein gesundheitsökonomisches Gutachten erstellt, das sich mit verschiedenen Folgeszenarien als Reaktion auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) beschäftigt. Wozu bedurfte es dieses Gutachtens?

Cosima Bauer: Die EuGH-Richter verlangen in ihrem Urteil plausible ökonomische Belege, warum die in Deutschland bestehende Preisbindung für Rx-Arzneimittel geeignet und notwendig ist, die Versorgungsqualität sicher zu stellen. In der Tat muss ein so gravierender Eingriff in den Markt in einem ansonsten marktwirtschaftlichen System ordnungspolitisch und ökonomisch legitimiert sein. Diesen Beleg sieht der EuGH bis heute als nicht erbracht an und stellt daher fest, dass zumindest für ausländische Versandapotheken die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht gilt. Wir wollen mit unserem Gutachten die geforderten Nachweise beibringen.

DAZ.online: Um zu vermeiden, dass in Deutschland die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel fällt, schlägt der Bundesgesundheitsminister als Reaktion auf das EuGH-Urteil ein generelles Versandhandelsverbot für Rx-Arzneimittel vor. Ist ein solches Versandhandelsverbot notwendig und gerechtfertigt?

Bauer: Zunächst ist die Preisbindung notwendig, um die flächendeckende Versorgung mit Vor-Ort-Apotheken, deren Bedeutung auch von den politischen Befürwortern des Versandhandels ja nicht in Abrede gestellt wird, zu gewährleisten. Da die Preisbindung nach dem EuGH-Urteil faktisch nur mit einem Rx-Versandverbot zu erhalten ist, ist dieses aus Sicht der Gutachter gerechtfertigt. Dahinter steht auch die Feststellung, dass im Hinblick auf die Versorgungsqualität keine Alternative zu einer Versorgung durch Vor-Ort-Apotheken besteht. Wie unter anderem die Compliance-Forschung belegt, beruht eine zielführende pharmazeutische Betreuung auf subjektiven Faktoren wie Vertrauen, Emotionalität und Empathie, die nur im persönlichen und verstärkt im wiederkehrenden Kontakt erreichbar sind. So kann in vielen Fällen die verhaltensbestimmende Laienhypothese mit dem medizinisch Rationalen in Einklang gebracht werden.

Professor Dr. Uwe May und Cosima Bauer M.A.: Der Gesundehitsökonom und die Politikwissenschaftlerin sind Mitbegründer der Unternehmensberatung  „May und Bauer - Konzepte im Gesundheitsmarkt”. Zusammen mit dem Stuttgarter Juristen Dr. Heinz-Uwe Dettling haben sie im Auftrag der Noweda und des Deutschen Apotheker Verlags das Gutachten „Wettbewerbsökonomische und gesundheitspolitische Begründetheit eines Versandverbots verschreibungspflichtiger Arzneimittel” erstellt.


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4 Kommentare

Mein Gott war das ...

von Christian Timme am 28.03.2017 um 23:00 Uhr

Also Mittwoch der 29.03.17. Inszenierung statt Ergebnis. War so, ist so, bleibt so ... Wahlkampf heißt Stillstand. Also wieder nur wie Mittwochs. Da Mittwochs auch nix passiert, brauchen wir keine Mittwochs mehr. Mein Gott war das schwierig, aber ein Ergebnis ... Also, ohne P... hätten wir k... Probleme ... schon wieder ein Ergebnis ... Mein Gott ... war das einfach ...

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Effizienz und Kosteneffektivität

von T. La Roche am 28.03.2017 um 20:39 Uhr

Die Krankenkassen und manche Politiker sehen bei den Apotheken noch Einsparpotential!?
Die Krankenkassen haben etwas genau soviele Mitarbeiter wie alle Apotheken zusammen etwa 160-170.000.
Wie kommt es, dass die Apotheken 2,4% der GKV-Ausgaben kosten, die Krankenkassen etwa 5,3%?
Was machen die eigentlich mit dem vielen Geld?

Medikamente, die überhaupt genommen und richtig angewendet werden, sind die kostengünstigste Therapie. Apotheken stellen die einzige kostenlose, qualifizierte Anlaufstelle in unserem Gesundheitssystem. Jeder Arztbesuch, jede Krankenhauseinweisung kostet ein Vielfaches.
Wie das Gutachten andeutet, muss dieses Angebot ausgeweitet werden. Stattdessen möchten SPD, Grüne und FDP Schnäppchenjägern eine Plattform bieten. Ist das ein zukunftsweisender , moderner Ansatz in der Gesundheitspolitik?

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Faule Kompromisse sind also keine Lösung!

von T. La Roche am 28.03.2017 um 18:28 Uhr

Ich glaube es ist das erste Mal, dass wir tatsächlich um unsere Existenz kämpfen. Die letzten 13 Jahre haben viele Apotheken in eine schwierige Situation gebracht und nun folgt eine Umwälzung des Arzneimitteldistributionssektors, die für alle Beteiligten völlig unabschätzbar ist.
Es könnte sein, dass nur 1-2 Prozent in den Versandhandel abwandern. Sind es aber 3-4 Prozent, dann wird es für einige Apotheken, die ohnehin schon von der Selbstausbeutung des Inhabers leben, einfach nicht mehr machbar. Tatsächlich vermittelt die noch relativ geringe Schließungszahl der letzten Jahre einen falschen Eindruck über das völlig unterfinanzierte untere Viertel der Apotheken. Und diese sind an der Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung überproportional beteiligt.
Wer sich also auf Experimente einlässt, der riskiert die flächendeckende Versorgung. Die Aufgabe des Staates diese zu gewährleisten, verbietet eigentlich einen solchen Feldversuch und wir alle wissen, dass es so kommen wird, wie es auch dieses Gutachtung beschreibt.
Das wirklich ärgerliche ist, dass ein paar wenige in der Politik ohne breite Diskussion in der Bevölkerung aus welchen Gründen auch immer durch Blockieren und Abwarten einfach Fakten schaffen. Wenn es gute sachlich Argumente oder irgendwelche ausgereiften Alternativvorschläge gäbe, dann sind viele Apotheker gerne bereit, neue Herausforderungen in Angriff zu nehmen. Momentan sieht es einfach so aus, dass man im Sinne der "kreativen Zerstörung" den Apothekenmarkt aufhebeln will und einfach mal schaut, wieviele Apotheken Hops gehen und was man dann machen kann.
Das ist wirklich ein perfides Spiel. Zudem geht es an den Interessen der Bevölkerung völlig vorbei. Gefüttert wird das Ganze durch die wirklich einseitige und oft falsche Berichterstattung in den Medien.
Morgen wird es einen faulen Kompromiss geben und das wars dann. Ich kann 1-2 Mitarbeiter entlassen, damit steigt nicht gerade die Qualität, aber viele Kollegen werden Ihre Apotheke schließen müssen, obwohl sie einen guten Job gemacht haben Und das macht mich ehrlich gesagt richtig wütend.

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Kann man sich nur dafür bedanken!

von Christian Giese am 28.03.2017 um 18:05 Uhr

Wenigstens die DAZ schiesst aus allen Rohren!
Wohl verstanden, dass es um die Wurst geht.

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