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Europa, Deine Apotheken - Österreich
Von dispensierenden Ärzten und Versandfeinden
Österreich hat eines der reguliertesten Apothekensysteme Europas. Die Anzahl der Apotheken und neue Niederlassungen werden mit einer Bedarfsplanung staatlich kontrolliert. Einen Streit leisten sich die Apotheker seit Jahren immer wieder mit den Ärzten, die in einigen entlegenen Gebieten Medikamente dispensieren dürfen. Und: Der Rx-Versandhandel ist in der Alpenrepublik strengstens untersagt.
Mit 16 Apotheken auf 100.000 Einwohner liegt Österreich deutlich unter dem EU-Durchschnitt (31 Apotheken/100.000 Einwohner) bei der Apothekendichte. Insgesamt gab es Ende 2015 1.340 öffentliche Apotheken bei unseren Nachbarn im Süden. Die Neugründung von Apotheken ist in Österreich streng reguliert. So ist es Apothekern beispielsweise gestattet, maximal eine Filiale zu besitzen. Es gibt auch nur knapp 30 Filialen im ganzen Land.
Auch die Eröffnung neuer Hauptapotheken ist mit Niederlassungsbeschränkungen verbunden. Grundsätzlich dürfen nur Pharmazeuten Apotheken eröffnen. Bewerber brauchen eine Konzession, also eine Bewilligung der Behörde. Dass mehrere Pharmazeuten sich bei der Gründung zusammentun, ist grundsätzlich möglich. Allerdings muss der Hauptapotheker dann mindestens 51 Prozent der Anteile an der neu gegründeten Personalgesellschaft halten.
Hinzu kommen diverse örtliche Beschränkungen: Das Apothekengesetz geht bei der Bedarfsplanung nach dem Ausschlussprinzip vor. Voraussetzung für eine neue Apotheke ist beispielsweise, dass mindestens ein Arzt in der Gemeinde sesshaft sein muss. Der Mindestabstand zur nächsten Offizin muss mindestens 500 Meter betragen. Und: Die Apotheke muss in ihrem Umkreis mindestens 5.500 Menschen versorgen. Die Zahl neu eröffneter Standorte ist dementsprechend gering: In den vergangenen zehn Jahren gab es in Österreich „nur“ 157 neue Apotheken.
Insbesondere die
Bedarfsplanung war in den vergangenen Jahren immer wieder Gegenstand von
Gerichtsverfahren, die sich um den Regulierungsgrad des österreichischen
Apothekenmarktes drehten. Schon 2014 urteilte der Europäische Gerichtshof
(EuGH), dass die oben genannten Personenzahlen als Bedingung für eine
Neugründung zu starr seien. Dem Land wurde nahegelegt, Ausnahmen zu schaffen.
Österreich reagierte und legte fest, dass es in abgelegenen Regionen aufgrund
besonderer örtlicher Verhältnisse möglich sein muss, dass die
5.500-Einwohner-Grenze unterschritten werden kann. Erst vor wenigen Monaten
reagierte der EuGH erneut auf diese Regelung und stellte fest, dass man
Ausnahmen nicht nur auf ländliche Regionen beschränken dürfe. Österreich hat nun die Beschränkung auf Landapotheken aufgehoben und festgelegt, dass die Unterschreitung der Einwohner-Regelung grundsätzlich im Einzelfall überprüft wird.
Bis 2015: Rx- und OTC-Versand untersagt
Ein Sonderfall im Europa-Vergleich ist die Regelung der österreichischen „Hausapotheken“. So werden in der Alpenrepublik Arztpraxen genannt, die eine Erlaubnis zum Dispensieren von Arzneimitteln besitzen. Damit ein Arzt Arzneimittel abgeben darf, müssen allerdings gewisse Voraussetzungen gegeben sein. Unter anderem muss die nächste Apotheke mindestens sechs Kilometer entfernt sein. Eröffnet eine Apotheke im Umkreis einer dispensierenden Praxis neu, muss der Arzt seine Abgabestelle innerhalb einer gewissen Frist schließen. Eine weitere Bedingung ist, dass Ärzte nur an Patienten abgeben, die sie auch selbst behandeln. Weil die Apothekenzahl in den vergangenen Jahren leicht anstieg, ist auch die Zahl der Praxisapotheken gesunken.
Derzeit haben etwa 840 Mediziner eine Dispensier-Lizenz. In einigen Regionen Österreichs kommt es aber immer wieder zum Streit zwischen Apothekern und Ärzten. Unter anderem geht es darum, wie schnell die Mediziner die Abgabe stoppen müssen, wenn sich eine neue Apotheke in ihrem Umkreis niederlässt. Das Gesundheitsministerium hatte vor einigen Monaten zum Ärger der Apotheker zudem vorgeschlagen, dass die 6-Kilometer-Grenze in einigen Fällen auch unterschritten werden darf.
Der Versandhandel mit Arzneimittel (sowohl Rx als auch OTC) war bis vor wenigen Jahren gänzlich untersagt in Österreich. Seit dem Sommer 2015 ist es öffentlichen Apotheken allerdings erlaubt, zumindest OTC-Medikamente zu verschicken. 2003 hatte der EuGH entschieden, dass die EU-Mitgliedsstaaten zwar den Versandhandel mit Rx-Arzneimitteln aufgrund des Gesundheitsschutzes verbieten können. Für OTC-Produkte gelte diese Verbotsmöglichkeit allerdings nicht, erklärten die Richter damals.
Nur 24 registrierte Versandapotheken
Der OTC-Versandhandel innerhalb der Alpenrepublik blieb den österreichischen Apothekern allerdings weiterhin verboten. Unter strikten Voraussetzungen durften EU-Versandapotheken aufgrund einer Gesetzeslücke aber nach Österreich liefern. Deswegen etablierten einige europäische Versandapotheken einen Verkauf für österreichische Kunden. Die Schweizer Versandapotheke ZurRose versendete beispielsweise jahrelang ins Nachbarland. Vor einigen Jahren legte die Bundesregierung dann aber ein Gesetz vor, dass es ausschließlich inländischen Apotheken erlaubt, OTC-Produkte zu versenden. Im Juni 2015 fiel dann der Startschuss für den OTC-Versand in Österreich. Bislang ist das große Interesse daran aber ausgeblieben: 2016 hatten sich lediglich 24 öffentliche Apotheken zur Teilnahme am Versandhandel angemeldet.
Seit Jahren drängt auch der Drogeriekonzern dm auf eine Deregulierung im Apothekenmarkt. Die Drogeriekette hatte im vergangenen Jahr dagegen geklagt, dass nur Apotheken OTC-Arzneimittel verkaufen dürfen. Vor dem Verfassungsgerichtshof war dm allerdings gescheitert, hat anschließend aber angekündigt, die Sache dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzulegen.
Kein Fixhonorar, nur prozentuale Marge für Apotheker
Das österreichische System der Arzneimittelpreisbildung unterscheidet sich in einigen Punkten vom deutschen Modell. Zunächst können die Hersteller in Österreich ihre Preise noch frei festlegen. Wollen sich die Hersteller ihre Produkte aber von den Krankenkassen erstatten lassen, müssen sie die Arzneimittel in einer Positivliste eintragen lassen. Und die Preise dieser Medikamente sind reguliert: Sie müssen sich am EU-Durchschnittspreis für das jeweilige Präparat orientieren.
Tab. 1: Aufgliederung der Arzneimittelpreise auf die Vertriebsstufen in ausgewählten Nachbarländern | |||||
Durchschnittlicher Gesamtpreis |
Fabrikabgabe- preis(FAP) |
Großhandels- spanne |
Apothekenspanne (% des Gesamtpreises) |
Mehrwert- steuer |
|
---|---|---|---|---|---|
Deutschland | 33,6 | 18,0 | 1,3 | 8,90 (26,5) | 5,4 |
Schweiz | 26,05 | 19,6 | 1,2 | 4,60 (17,7) | 0,6 |
Österreich | 17,57 | 12,3 | 1,0 | 2,60 (14,8) | 1,6 |
Niederlande | 12,15 | 8,4 | 0,6 | 2,40 (20,0) | 0,7 |
Frankreich | 9,67 | 7,2 | 0,5 | 1,80 (18,7) | 0,2 |
Polen | 6,46 | 4,8 | 0,4 | 0,80 (12,4) | 0,5 |
*
Angaben in Euro, Gesamtpreis nicht gerundet, andere Angaben auf eine
Dezimalstelle Quelle: Nach „Daten und Fakten 2016“ der Österreichischen Apothekerkammer auf Basis einer Studie des Instituts für Pharmakoökonomische Forschung (IPF) 2015 |
Auch die Mehrwertsteuer auf
Arzneimittel unterscheidet sich vom deutschen Steuermodell: Sie liegt bei 10
Prozent, bis Ende 2008 hatte es auch in Österreich noch keine ermäßigte
Mehrwertsteuer gegeben. Trotzdem bewegt sich Österreich laut einer Studie des
Wiener Institutes für Pharmaökonomie im EU-Vergleich im oberen Drittel der
durchschnittlichen Arzneimittelpreise. Demnach erstatten die Krankenkassen im
Schnitt 17,57 Euro für eine Arzneimittelpackung. Spitzenreiter in dieser Studie
ist Deutschland mit 33,60 Euro pro Packung, der EU-Durchschnitt liegt bei etwa
14,80 Euro (Tabelle 1).
Auch in Österreich gibt es einen Kassenabschlag
Auf den Erstattungspreis inklusive Mehrwertsteuer werden wie in Deutschland das Großhandels- und Apothekenhonorar aufgeschlagen. Das Apothekenhonorar ist prozentual degressiv: Das heißt, dass die Pharmazeuten für Medikamente mit niedrigen Einkaufspreisen eine höhere prozentuale Spanne erwirtschaften als für teure Arzneimittel. Außerdem gibt es in Österreich auch einen Kassenabschlag: Die Krankenkassen, bei denen die Apotheker am meisten abrechnen, erhalten von den Pharmazeuten einen Rabatt.
Außerdem müssen Apotheker, deren GKV-Umsatz über dem Durchschnitt aller anderen Apotheken liegt, einen weiteren Sonderrabatt in Höhe von 2,5 Prozent gewähren. Diese Regelung gilt allerdings nicht für Arzneimittel, die weniger als 200 Euro kosten. Berücksichtigt man alle Rabatte und Abschläge an die Kassen, schwankt die Rx-Gewinnmarge der Apotheker zwischen 3,8 Prozent und 25,1 Prozent (je nach Einkaufspreis). Der Studie des Wiener Pharmaökonomie-Institutes zufolge erhalten Österreichs Apotheker im Durchschnitt 2,61 Euro pro Packung. Auch in dieser Kategorie soll Deutschland im EU-Vergleich führen: Hierzulande bekommen Apotheker demnach im Schnitt 8,93 Euro von den Kassen erstattet.
Immer mehr Apohekenbeschäftigte
Einen deutlichen Trend nach
oben gibt es bei den Zahlen der Apotheken-Beschäftigten- Laut Apothekerkammer
arbeiteten Ende 2014 mehr als 16.100 Menschen in Österreichs Apotheken.
Insgesamt wurden in den Apotheken seit 2005 knapp 3.000 neue Arbeitsplätze
geschaffen. Alleine die Zahl der in einer Offizin beschäftigten Apotheker (inkl.
Apothekenbesitzer) stieg seit 2005 um mehr als 800 an. Mit knapp 89 Prozent ist
der Frauenanteil im Apothekenteam ähnlich hoch wie hierzulande. (s. Tabelle 2)
Tab. 2: Kennzahlen zur Beschäftigung in österreichischen Apotheken (Frauenanteil an der jeweiligen Gruppe in % in Klammern) | |
Art
der Beschäftigung |
Anzahl
der Personen |
---|---|
Apotheker |
5647 (78,8) |
|
1432 (54,4) |
|
4215 (87,1) |
Sonstiges Apothekenpersonal |
10467 (93,7) |
|
6689 |
|
3778 |
Gesamtzahl 2014 |
16.114 (88,5) |
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