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Stellungnahme zum Rx-Versandverbot
Kassen wollen mit Versandapotheken die Landversorgung retten
Die Krankenkassen laufen Sturm gegen das vom Bundesgesundheitsministerium geplante Rx-Versandverbot. In seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf des Ministeriums erklärt der GKV-Spitzenverband, dass die Kassen nicht auf Versandapotheken verzichten wollen. Es sei zu erwarten, dass die Apothekenzahl auf dem Land weiter zurückgehe – dann würden die Versender benötigt.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hatte den Referentenentwurf zum Rx-Versandverbot vor etwa drei Wochen in die Abstimmung mit den anderen Ministerien gegeben. Unüblicherweise hatte das Ministerium zeitgleich die betroffenen Fachverbände zur Stellungnahme aufgerufen. Bis zum 15. März haben alle Marktbeteiligten Zeit, sich zu dem Gesetz schriftlich zu äußern. Als eine der ersten Stellungnahmen ist nun das Papier des GKV-Spitzenverbandes an das BMG verschickt worden.
In der Positionierung, die DAZ.online vorliegt, lassen die Krankenkassen kein gutes Haar an den Plänen von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und fordern die komplette Streichung aller im Entwurf vorgesehenen Neuregelungen. Im Zeitalter der Digitalisierung sei das Verbot „unzeitgemäß“. Jegliche Sicherheitsbedenken am Versandhandel lässt der Kassenverband nicht gelten. „Die seit mehr als einer Dekade gemachte Erfahrung mit diesem Vertriebsweg zeigt, dass auch im Rahmen des Versandhandels die Sicherheit der Versorgung gewährleistet ist“, heißt es in der Stellungnahme.
Wenn die Apotheken schließen, ist der Versandhandel zur Stelle
Das Hauptargument der Kassen für den Erhalt des Rx-Versandes ist aber, dass die Patienten den Versandhandel aus Kassensicht schlichtweg benötigen. Es bestehe ein „Bedarf“. Und weiter: „Andernfalls würde das Geschäftsmodell des Versandhandels nicht über einen so langen Zeitraum bestehen. Bei einem pauschalen Verbot könnte dieser Bedarf nicht mehr befriedigt werden.“
Doch die Kassen wollen den Versand auch aus versorgungstechnischer Sicht erhalten. In seiner Stellungnahme geht der GKV-Spitzenverband beim Thema „flächendeckende Versorgung“ auf die zurückgehende Apothekenzahl ein. Aus Sicht des Kassenverbandes gewinnen städtische Räume zunehmend an Attraktivität, während es immer unattraktiver für Ärzte und Apotheker werde, eine Apotheke auf dem Land zu eröffnen.
Doch anstatt sich dafür einzusetzen, die Apotheke vor Ort in strukturschwachen Regionen zu erhalten, setzen die Kassen eher auf den Versandhandel. So heißt es in der Stellungnahme: „Der Versandhandel kann in bestimmten Regionen Patientinnen und Patienten helfen, Wege zu vermeiden und besitzt damit Vorteile gegenüber Präsenzapotheken.“ Statt den Internethandel einzugrenzen, solle die Vertriebsstruktur von Arzneimitteln so flexibilisiert werden, „dass in allen Regionen Deutschlands – unabhängig von der Bevölkerungsdichte – eine sichere und bedarfsgerechte Versorgung mit Arzneimitteln erreicht werden kann. Dabei ist der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ein geeignetes Mittel.“
Kassen argumentieren mit Versender-Argumenten
Der Kassenverband liefert auch eine eigene Erklärung für die rückgängige Apothekenzahl. Diese Entwicklung habe nichts mit dem Versandhandel oder gewährten Rx-Boni zu tun. Vielmehr sei eine „Konsolidierung des Apothekenmarktes“ zu beobachten, wobei der Trend zu immer größeren Apotheken mit größeren Umsätzen geht. Und woher kommt diese Konsolidierung? Laut GKV-Spitzenverband ist die Ursache dafür „technischer Natur in Form von Skaleneffekten“. Und weiter: „Aufgrund eines großen Anteils von Fixkosten bei Apotheken wie Mieten oder Personalkosten führt steigender Absatz zu einer Degression der Kosten pro abgegebenem Arzneimittel. Apotheken mit hohem Umsatz sind entsprechend wirtschaftlich attraktiver. Diese Entwicklung kann auch in anderen Branchen wie dem Lebensmitteleinzelhandel beobachtet werden.“
Auffällig ist auch, dass der Kassenverband in Teilen seiner Argumentation exakt mit der Positionierung der inländischen und ausländischen Versandapotheken übereinstimmt. Die Versender argumentieren gegenüber der Politik derzeit, dass die Apothekenzahl ihren Höhepunkt erreichte, als die Rx-Boni noch zugelassen waren. Insofern würde auch die flächendeckende Wiedereinführung der Boni keinen negativen Effekt auf die Apothekenstruktur haben, meinen die Versender.
Kassen: Boni und Versand schaden der Apothekenstruktur nicht
Dieses Argument greift nun auch der GKV-Spitzenverband auf. In der Stellungnahme heißt es: „Im Jahr 2008 erreichte die Anzahl der Apotheken in Deutschland nach Angaben der ABDA ihren Höhepunkt. Der vorherige kontinuierliche Anstieg der Apothekenzahl geschah parallel zur Einführung des Versandhandels. Zu diesem Zeitpunkt wurden ebenfalls von ausländischen Versandapotheken Boni für Patientinnen und Patienten gewährt. Einen kausalen Zusammenhang des Apothekenrückgangs mit der Zunahme des Versandhandels kann es also nicht geben.“
Kassenverband lehnt neue Regeln zum Botendienst ab
Außerdem lehnen die Krankenkassen die im Referentenentwurf vorgesehenen Neuregelungen zum Botendienst ab. Das BMG hatte im Entwurf vorgesehen, den Botendienst erstmals gesetzlich zu definieren. Unter anderem würde dies bei einem Versandverbot nötig werden, um die Auslieferungen der Apotheker vom dann verbotenen Rx-Versand abzugrenzen.
Aber auch mit Blick auf diese Neuregelung macht der Kassenverband deutlich, dass er den Versandhandel dem Botendienst vorzieht. Wörtlich heißt es in dem Papier: „Insgesamt befürwortet der GKV-Spitzenverband es grundsätzlich, alternative Versorgungsformen neben der klassischen stationären Apotheke zu schaffen.“ Allerdings werde der Botendienst nicht den Versandhandel ersetzen können, wenn Patienten schon heute nicht im Einzugsbereich einer Apotheke leben und online bestellen. Und weiter: „Zudem ist die Wirtschaftlichkeit einer Versorgung durch den Botendienst gegenüber dem Versandhandel grundsätzlich infrage zu stellen.“
Rahmenvertrag soll so bleiben
Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Krankenkassen so drastisch in die Debatte um den Versandhandel einmischen. Erst vor wenigen Wochen hatte der GKV-Spitzenverband in einem Schreiben an mehrere Apotheker mitgeteilt, dass die Krankenkassen DocMorris nicht aus dem Rahmenvertrag schmeißen oder sanktionieren möchten. Hintergrund: Viele Apotheker hatten die Kassen angeschrieben und sie dazu aufgefordert, den Rahmenvertrag gemeinsam mit dem Deutschen Apothekerverband (DAV) zu überarbeiten, weil DocMorris und Co. wieder Rx-Boni gewährten, diese aber laut Rahmenvertrag verboten sind. Der Kassenverband lehnte das aber ab.
6 Kommentare
WiWo Titel 11/17 - GKV & Co. etc.
von Christian Timme am 11.03.2017 um 11:36 Uhr
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Kühlartikel + BtM
von Dr. Arnulf Diesel am 11.03.2017 um 10:14 Uhr
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Steigerungsform von kranken Kassen = GesunderKrankenVerband
von Christian Timme am 10.03.2017 um 16:11 Uhr
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Welch
von Peter Lahr am 10.03.2017 um 14:27 Uhr
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wo ist die Wahrheit?
von Karl Friedrich Müller am 10.03.2017 um 14:10 Uhr
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Der Markt wird erst geschaffen
von Erik Modrack am 10.03.2017 um 12:27 Uhr
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