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Postkarten-Aktion zum Rx-Versandverbot
Unionsabgeordnete sind genervt von DocMorris
Die Büros der 309 Bundestagsabgeordneten von CDU und CSU werden derzeit von DocMorris-Postkarten überflutet. Die niederländische Versandapotheke hatte seine Patienten dazu aufgerufen, gegen das von der Union geplante Rx-Versandverbot zu protestieren. Mehrere Unionsabgeordnete reagieren aber gereizt und verärgert auf die Aktion und werfen DocMorris vor, die Patienten für die eigenen Geschäftsinteressen auszunutzen.
Die niederländische Versandapotheke hatte ihre Kunden Mitte Februar kontaktiert und dazu motiviert, gegen das von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) geplante Verbot des Versandhandels mit Rx-Arzneimitteln zu protestieren. Unter anderem hieß es in dem Schreiben, dass man durch das Verbot als Verbraucher gezwungen werde, verschreibungspflichtige Medikamente in einer Stationärapotheke zu beziehen. Den Kunden wurde die Teilnahme an der Postkarten-Aktion denkbar einfach gemacht: Sie mussten ihre Adresse nur in ein Online-Formular eintragen, DocMorris suchte anhand der Postleitzahl automatisch den passenden Unionsabgeordneten heraus, schrieb die Adresse des jeweiligen Kunden auf die Karte und sendete den Protest an das Bundestagsbüro.
Die PR-Aktion sorgt derzeit für Aufsehen im Bundestag. Gleich mehrere Abgeordnete von CDU und CSU erklärten gegenüber DAZ.online, dass sie mit Postkarten eingedeckt wurden. Einige Politiker berichten von 30 bis 40 Zuschriften, bei anderen Abgeordneten sollen mehr als 150 Karten eingegangen sein. Viele Unions-Politiker sind verärgert. CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich beschwerte sich beispielsweise darüber, dass die Meinung der Patienten bei der DocMorris-Kampagne nicht wirklich im Vordergrund stehe. Für ihn sei die Aktion „bedenklich und merkwürdig“.
Hennrich (CDU): DocMorris missbraucht Patienten für die Geschäftsinteressen
Hennrich weiter: „Ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn mir Patienten individuell schreiben und ihre Bedenken am Rx-Versandverbot zum Ausdruck bringen. Solche Anschriften würde ich auch jederzeit ernst nehmen. In der Postkarten-Aktion von DocMorris sehe ich allerdings gar keinen Eigenbeitrag der Patienten. Hier werden die Patienten für die Geschäftsinteressen von DocMorris missbraucht.“
Die CDU-Politikerin Karin Maag stammt wie Hennrich aus Baden-Württemberg und ist ebenfalls Mitglied im Gesundheitsausschuss. Auch sie kritisiert DocMorris für das Vorgehen: „Hier versucht ein Unternehmen in perfider Art und Weise, ohne über die konkreten Probleme zu informieren, verunsicherte Bürger vor ihren Karren zu spannen. Zu Problemen wie fehlender Beratung, Notdienst, Nachtdienst usw. wird natürlich ebenso wenig gesagt wie zum Einstieg in den Ausstieg der Festpreise im gesamten Gesundheitssystem. Wir reden über ein Unternehmen, das Rosinenpickerei betreibt.“
„Die DocMorris-Computer werden nie die Apotheke ersetzen“
Ebenso verärgert über die Doc-Morris-Postkarten reagierte der CDU-Gesundheitspolitiker Dietrich Monstadt aus Mecklenburg-Vorpommern. Er bezeichnete die Aktion als „Ungeheuerlichkeit“. Monstadt wörtlich: „Die Behauptungen auf der Karte sind teilweise sachlich falsch. Warum verschlechtert sich beispielsweise durch das Rx-Versandverbot die Lebensqualität? Und zum Thema finanzielle Entlastung durch Rx-Boni sage ich nur, dass die Boni - wenn überhaupt - den Krankenkassen zustehen.“ Der CDU-Politiker will nun einige seiner Wähler anrufen. Er wolle wissen, ob den Menschen bewusst sei, um was es geht.
Monstadt weiter: „Sie sollten wissen, dass DocMorris sie nicht versorgen wird, wenn sie Samstagabend plötzlich 40 Grad Fieber bekommen. Ich komme aus Mecklenburg-Vorpommern. In einer solchen ländlichen Region muss die verbliebene Infrastruktur, und dazu gehören die Apotheken, unbedingt erhalten werden. Apotheker haben bei Arzneimitteln eine wichtige Kontrollfunktion. Das Computer-System von DocMorris wird nie das persönliche Verhältnis zum Apotheker vor Ort ersetzen können.“
Der CDU-Gesundheitsexperte Tino Sorge aus Sachsen-Anhalt erklärte, dass er den persönlichen Kontakt zu seinen Wählern zwar solchen „Massenaktionen“ vorziehe. Die DocMorris-Kampagne sei aber „legitim und nichts Außergewöhnliches“. Zur Sache erklärte Sorge, dass der Bundestag aufgefordert sei, zeitnah eine Lösung in Sachen Versandhandel zu beschließen. Und weiter: „Den geplanten Gesetzentwurf halte ich für einen gangbaren Weg, um auch zukünftig sichere, wohnortnahe und an den Bedürfnissen der Patienten orientierte Versorgungsstrukturen, gerade im ländlichen Raum, vorzuhalten.“ Allerdings merkte Sorge an: „Gleichzeitig müssen wir mittel- und langfristig aber auch über eine Weiterentwicklung des Systems nachdenken, um gerade in Zeiten des digitalen Wandels und im Hinblick auf die Versandthematik einen Wettbewerb mit gleichen Waffen unter solidarischer Beteiligung aller Akteure, sowohl der Apotheken vor Ort als auch ausländischer Versandapotheken zu ermöglichen.“
Nüßlein: Zeit wird eng
Das Abgeordnetenbüro von Georg Nüßlein (CSU), der als stellvertretender Fraktionsvorsitzender in der Union für das Thema Gesundheit zuständig ist, hatte in den vergangenen Tagen besonders viel zu tun. Nüßlein, der gemeinsam mit Karl Lauterbach (SPD) am kommenden Donnerstag zu einem Fachgespräch zum Rx-Versandverbot eingeladen hat, sagte, er sei erstaunt, wie „gut organisiert“ die PR-Aktion von DocMorris ablief. Sie sei aus seiner Sicht auch „legitim.“
So wie seine Fraktionskollegen widerspricht er allerdings dem Inhalt der Postkarten: „Ich werde den Absendern fachlich antworten und ihnen darstellen, dass es aus Sicht der Union weiterhin die sinnvollste Lösung ist, den Rx-Versandhandel zu untersagen. Ich werde auch darum bitten, darüber nachzudenken, was der Online-Handel mit dem Einzelhandel in den vergangenen Jahren angerichtet hat. Insbesondere in Bayern beschweren sich viele Menschen über einen Rückgang des Einzelhandels. Und gerade aus solchen strukturpolitischen Gründen bin ich nach wie vor der Meinung, dass wir das Verbot beschließen sollten.“
Gegenüber DAZ.online wies Nüßlein darauf hin, dass es in der Frage bald zu einer Lösung kommen muss. Mit Blick auf das kommende Gespräch zwischen Apothekern, Versandapothekern, Union und SPD sagte der Fraktionsvize: „Wir werden uns am Donnerstag nochmals mit den Verbänden zusammensetzen, um deren Haltung zu hören. Wenn die SPD weiterhin nicht für ein Versandhandelsverbot zu haben ist, wird es wegen des Notifizierungsverfahrens aber auch zeitlich sehr schwierig. Wir müssen uns dann überlegen, ob es eine Übergangsregelung geben könnte, bis wir eine politische Mehrheit für das Versandhandelsverbot finden.“
7 Kommentare
Da hilft nur ... fördern ... bis ...
von Christian Timme am 08.03.2017 um 0:35 Uhr
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Wer würde Doc Morris vermissen?
von Krug am 07.03.2017 um 19:48 Uhr
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Ungeheuerlich
von Christian Springob am 07.03.2017 um 19:10 Uhr
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AW: Ungeheuerlich
von Marius am 07.03.2017 um 21:10 Uhr
Gefakte Karten
von Carsten Moser am 07.03.2017 um 18:30 Uhr
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AW: Gefakte Karten
von Marius am 07.03.2017 um 21:14 Uhr
So geht digitale Welt!
von Horst Wycisk am 07.03.2017 um 17:29 Uhr
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