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Plastikzusatz Bisphenol A
Auch alternativer Kunststoff unter Hormon-Verdacht
„BPA-freie“ Kunststoffe werden gerne genutzt, um dem ähnlich wie Östrogen wirkenden Bisphenol A aus dem Weg zu gehen. Doch laut einer Studie in „Nature Communications“ zeigt auch ein Ersatzstoff bei Tierversuchen problematische Wirkungen – bei sieben von Hundert Probanden wurde er im Blut nachgewiesen.
Das bei der Plastikherstellung und als Weichmacher verwendete Bisphenol A (BPA) hat hormonähnliche Wirkungen, weshalb insbesondere für Babys immer mehr Kunststoffe ohne BPA verwendet werden. Doch diese können teilweise auch problematisch sein, wie nun ein Team von chinesischen und japanischen Wissenschaftlern im Fachmagazin „Nature Communications“ meldet: Der Ersatzstoff Fluoren-9-Diphenol (kurz: BHPF) hat im Gegensatz zu BPA eine anti-östrogene Wirkung, wie Mausstudien ergeben haben.
Laut der Studie führt BHPF bei Versuchen mit Mäusen zu einem etwas geringeren Gewicht der Gebärmutter, zu einer atrophierten Gebärmutterschleimhaut und zu einer geringeren Zahl von lebend geborenen Nachkommen. Bei weiblichen Mäusen, denen Wasser gegeben wurde, das zuvor auf 60 Grad Celsius erhitzt und in Plastikflaschen abgekühlt war, konnte BHPF im Blut nachgewiesen werden.
Auch bei Versuchspersonen, die regelmäßig Wasser aus Plastikflaschen trinken, wurde BHPF im Blut nachgewiesen – allerdings nur bei 7 von 100 untersuchten Teilnehmern. Auch ist nicht klar, ob die Versuchspersonen BHPF tatsächlich über die Flaschen aufnahmen oder über andere Wege.
„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass BPA-Alternativen auf anti-östrogene Wirkungen untersucht werden sollen – und dass toxikologische Effekte von BHPF auf die menschliche Gesundheit geprüft werden müssen“, schreiben die Umweltchemiker um Jianying Hu von der Peking-Universität in ihrem Artikel.
Noch unklar, welche Wirkungen schwerer wirken
Die Studie habe eine „hohe wissenschaftliche Qualität“, erklärt Thomas-Benjamin Seiler von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen. Der Leiter der dortigen Arbeitsgruppe „Effekt-bezogene Ökotoxikologie (ESA)“ beurteilt die für die Studien gewählten Kontrollgruppen als geeignet. „Alle Experimente deuten sehr klar in die Richtung, dass BHPF eine zumindest im Tierversuch gesundheitlich beziehungsweise für die Reproduktion relevante anti-östrogene Wirkung hat“, erklärt Seiler. Auch strukturbiologische Untersuchungen der Bindung von BHPF an den Östrogenrezeptor stützten die Ergebnisse.
Für die Toxikologen ist allerdings weiter offen, inwiefern BHPF eine geeignete Alternative zu BPA ist. „Es ist nicht gesagt, dass die in dieser Studie gezeigte anti-östrogene Wirkung von BHPF schwerer wiegt als die vielfach nachgewiesene östrogene Wirkung von BPA“, betont er. Gleichzeitig fehlten für beide Stoffe Erkenntnisse bezüglich einer schädlichen Wirkung auf den Menschen, die es für eine Aussage hinsichtlich der Verwendung in Trinkflaschen bräuchte.
Wie Karla Pfaff, Leiterin der Fachgruppe „Sicherheit von Produkten mit Lebensmittelkontakt“ vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) erklärt, sind in Kontakt mit Lebensmitteln kommende Kunststoffe in der Europäischen Union durch eine Positivliste geregelt, auf der BHPF nicht enthalten ist. „Das heißt, in Europa darf die Substanz zur Herstellung von Kunststoffen für den Lebensmittelkontakt nicht verwendet werden“, erklärt sie. Außerdem dürften Kunststoffe, die mit dem Stoff hergestellt sind, nicht für die Verwendung im Lebensmittelkontakt auf den Markt gebracht werden.
BPA? BHPF? Tipps für besorgte Eltern
Allerdings wurde laut dem aktuellen Artikel auch in Tritan-Flaschen BHPF gefunden, deren Monomer auch in der EU zugelassen ist – was der Toxikologe Seiler als „bedenklich“ bezeichnet. Dies bestätigt frühere Funde, dass auch als Phthalat- und BPA-freie beworbene Kunststoffe hormonähnliche Wirkungen haben können – beispielsweise über stabilisierende Zusatzstoffe oder Schmiermittel.
Inwiefern sich BHPF sich im Körper anreichert, hängt davon ab, wie lange sie im Körper verbleibt beziehungsweise wie schnell sie abgebaut wird, betont Seiler. Allerdings könnten Abbauprodukte vielleicht sogar eine stärkere Wirkung haben. „Es ist von vielen Substanzen bekannt, dass sie erst im Körper aktiviert werden müssen, um zu wirken, beziehungsweise beim Abbau Stoffwechselprodukte entstehen, die wirksamer sind als die Muttersubstanz.“ Seiner Ansicht nach bedarf es mehr Forschung in diesem Gebiet. „Es ist grundsätzlich ein Dilemma, dass der Ersatz von problematischen Substanzen dazu führen kann, dass bisher weniger untersuchte Chemikalien zum Einsatz kommen“, erklärt der Toxikologe.
Seiler rät besorgten Eltern dazu, möglichst BPA- und Phthalat-freie Gefäße aus Polypropylen zu verwenden, die ein kleines Volumen haben – denn ein kleines Volumen führe zu einem geringen Konzentrationsunterschied zum Inhalt der Flasche, sodass weniger BHPF in das Lebensmittel überginge. Außerdem sollten kalte, nicht-säurehaltige Getränke verwendet und neue Flaschen vor dem Gebrauch mehrmals mit heißem Wasser gewaschen werden, um die direkt frei lösliche Menge an Chemikalien zu reduzieren.
Korrektur: Thomas-Benjamin Seiler gab keine Einschätzung ab, ob untersucht wurde, inwiefern BHPF sich im Körper anreichert – dies wurde entsprechend korrigiert.
5 Kommentare
Masse und Massestrom
von Physikus am 07.03.2017 um 20:48 Uhr
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Konzentrationsgradient
von Physikus am 02.03.2017 um 0:36 Uhr
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AW: Konzentrationsgradient
von Thomas-Benjamin Seiler am 06.03.2017 um 22:33 Uhr
Volumen und Oberfläche
von Physikus am 01.03.2017 um 8:30 Uhr
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AW: Volumen und Oberfläche
von Hinnerk Feldwisch-Drentrup am 01.03.2017 um 11:28 Uhr
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