Beratungs-Quickie

Adjuvante Antihormontherapie bei Mammakarzinom

Stuttgart / München - 26.01.2017, 13:30 Uhr

Für Frauen ab 30 Jahren: Tastuntersuchung der Brust zahlt die gesetzliche Kasse in Deutschland. (Foto:  underdogstudios / Fotolia)

Für Frauen ab 30 Jahren: Tastuntersuchung der Brust zahlt die gesetzliche Kasse in Deutschland. (Foto:  underdogstudios / Fotolia)


Welche Informationen sind bei einem Beratungsgespräch in der Apotheke für den Patienten wichtig? Welche hilfreichen Tipps kann der Apotheker zu Arzneimitteln und Therapien geben? Im Beratungs-Quickie stellen wir jeden Donnerstag einen konkreten Patientenfall vor. Diesmal geht es um eine Verordnung für eine Frau mittleren Alters, die das Antiestrogen Tamoxifen als adjuvante Therapie nach einer Brustkrebs-Operation erhält. 

Formalien-Check

Die Kundin kommt einige Tage nach Rezeptausstellung in die Apotheke. Sie nimmt das Tamoxifen schon längere Zeit und besteht auf das Präparat der Firma Hexal. Alle anderen Hersteller vertrage sie nicht.

Verordnet sind 100 Stück Tamoxifen-ratio® 20 mg. Das Rezept ist eindeutig, jedoch unvollständig. Die Befreiung beziehungsweise das Gebührenfeld ist nicht eindeutig angekreuzt. Die Apotheke klärt mit der Kundin ab, ob eine Zuzahlungsbefreiung vorliegt. Die Arztnummer (LANR) ist im Arztstempel enthalten und kann handschriftlich ergänzt werden. Die Betriebsstättennummer (BSNR) ist unten rechts in der Codierzeile der Verordnung aufgedruckt. Die Apotheke kann die BSNR telefonisch mit der Arztpraxis abgleichen und ergänzen. Der fehlende Status muss nicht nachgetragen werden.

Der Arzt hat den Aut-idem-Austausch nicht ausgeschlossen. Rabattverträge sind daher zu beachten. Der gewünschte Hersteller ist nicht rabattiert. Der Wirkstoff Tamoxifen gehört nicht zu den kritischen Arzneistoffen, persönliche Gründe der Patientin können jedoch zu pharmazeutischen Bedenken führen. Für die Abgabe des gewünschten Tamoxifenpräparates der Firma Hexal kann die Apotheke entweder „Wunschverordnung“ nach § 4 (4a) des Rahmenvertrags über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Absatz 2 des SGB V wählen oder „Pharmazeutische Bedenken“ geltend machen. Alternativ kann auch eine Verordnung über Tamoxifen 20 mg Hexal® mit Aut-idem-Kreuz beim Arzt angefordert werden. Im Fall der Wahl eines Wunscharzneimittels wird das Rezept mit der Sonder-PZN 2567024, dem Faktor 7 und 0,00 Euro bedruckt. Die Patientin erhält eine Kopie des Verordnungsblattes und einen Beleg über die geleistete Zahlung des Arzneimittelpreises. Sie reicht die Belege zur Kostenerstattung bei ihrer Krankenkasse ein. Im zweiten Fall sind neben dem Sonderkennzeichen 2567024 und dem Faktor 6 die pharmazeutischen Bedenken auf dem Rezept handschriftlich zu erläutern, wie im aktuellen Fall „Angst vor Unverträglichkeit, Gefahr der Non-Adhärenz“.

Die Kundin erhält die N3-Packung mit 100 Tabletten Tamoxifen in der Wirkstärke 20 mg des gewünschten Herstellers.

Ab Ausstellungsdatum ist die Verordnung einen Monat gültig.                                                                                                 

Beratungs-Basics

Tamoxifen ist ein selektiver Estrogen-Rezeptor-Modulator (SERM). Der Wirkstoff ist zur adjuvanten Therapie nach Primärbehandlung des estrogenabhängigen Mammakarzinoms oder bei metastasierendem Brustkrebs indiziert. Tamoxifen wird vor und nach den Wechseljahren eingesetzt. Bei einer Hormontherapie mit Antiestrogenen wird nicht die Estrogenproduktion gestoppt, sondern die Wirkung des Estrogens auf die Tumorzellen blockiert. Sind die Rezeptoren hormonabhängiger Tumorzellen durch Tamoxifen kompetitiv gehemmt, kann Estrogen keinen Wachstumsreiz an den Tumorzellen auslösen. Tamoxifen reduziert so das Risiko für ein Rezidiv oder verlangsamt das Fortschreiten der Krankheit bei fortgeschrittenen und metastasierten Tumoren.

Die Dosierung beträgt ein- bis zweimal täglich eine Tablette (20 mg) morgens (und abends) nach dem Essen. Die Tabletten sind unzerkaut mit ausreichend Flüssigkeit einzunehmen.

Die Behandlung mit Tamoxifen ist eine Langzeittherapie. In der adjuvanten Behandlung des Hormonrezeptor-positiven Brustkrebs in einem frühen Stadium wird eine Behandlungsdauer von mindestens fünf Jahren empfohlen. Bei hohem Rückfallrisiko und geringen Nebenwirkungen kann eine längere Therapiedauer von bis zu zehn Jahren sinnvoll sein.

Die Tamoxifen-Therapie kann mit Wechseljahresbeschwerden einhergehen. Besonders in der Einstellungsphase treten Hitzewallungen, Haarausfall, Schlafstörungen, depressive Verstimmungen und trockene Schleimhäute (auch im Vaginalbereich) auf. Knochenschmerzen und Schmerzen im Bereich des erkrankten Gewebes zu Therapiebeginn gelten als Zeichen des Ansprechens auf Tamoxifen. Sehr häufig kommt es zudem zu Übelkeit und vaginalen Blutungen. Bei prämenopausalen Frauen sind Zyklusstörungen bis hin zu einer Unterdrückung der Menstruation möglich. Durch die estrogene Restwirkung kann es unter Tamoxifen außerdem gelegentlich zu einem Endometriumkarzinom kommen. Zur Früherkennung sind regelmäßige gynäkologische Untersuchungen notwendig.

Thromboembolische Ereignisse unter einer Tamoxifen-Behandlung sind möglich. Die Häufigkeit ist bei gleichzeitiger Chemotherapie erhöht.

Bei Veränderungen der Sehkraft muss die Kundin sofort einen Augenarzt aufsuchen, da Tamoxifen irreversible Sehstörungen hervorrufen kann. Regelmäßige augenärztliche Kontrollen sind notwendig.

Auch noch wichtig

Tamoxifen ist ein Prodrug. Der Nutzen der Therapie korreliert eng mit der Metabolisierung in das aktive Endoxifen. Bei ca. 40 Prozent der Patientinnen kann der Umbau nicht oder nicht ausreichend erfolgen. Sie können von einem Gen-Test (wie Tamoxifen-Test STADA® Diagnostik) profitieren, um eine optimale endokrine Therapie zu erhalten.

Bei der Behandlung sind Wechselwirkungen mit verordneten Arzneimitteln und mit der Selbstmedikation zu beachten.

Während der Tamoxifen-Behandlung dürfen keine (estrogenhaltigen) Hormonpräparate eingesetzt werden, da sie die Effektivität der antihormonellen Therapie vermindern können. Das gilt auch für Phytohormone. Gegen typische Wechseljahresbeschwerden darf die Kundin keine Phytoestrogene wie Soja, Rotklee, Cimicifuga oder Rhapontikrhabarberwurzel einnehmen.

Bei gleichzeitiger Behandlung mit Aromatase-Inhibitoren ist eine verminderte Wirksamkeit von Anastrozol und Letrozol nicht auszuschließen.

Die Gabe starker Inhibitoren des Enzyms CYP2D6 sollte während einer Tamoxifentherapie vermieden werden (zum Beispiel Paroxetin, Fluoxetin oder Bupropion). Sie können zu einer reduzierten Konzentration des aktiven Metaboliten von Tamoxifen führen.

Tamoxifen ist in der Schwangerschaft kontraindizert. Als Verhütungsmethode sind sichere nichthormonelle Methoden wie eine Kupferspirale bis mindestens zwei Monate nach Therapieende zu empfehlen.

Darf`s ein bisschen mehr sein?

  • Eine gesunde Ernährung ist wichtig. Von einer speziellen „Krebs-Diät“ ist aber abzuraten.
  • Gegen Trockenheit und Juckreiz im Genitalbereich ist eine geeignete Intimhygiene (zum Beispiel Vagisan® Intimwaschlotion) und eine Stärkung der Vaginalflora (zum Beispiel mit Vagiflor®) empfehlenswert.
  • Die Kundin berichtet von Schweißausbrüchen und Übelkeit. Diese Nebenwirkungen habe sie jedoch nicht bei den Tamoxifen-Tabletten der Firma Hexal. Sie bedankt sich für den Hinweis, diese Beobachtung ihrem Arzt mitzuteilen, damit sie in Zukunft das Arzneimittel verordnet bekomme, das sie benötige.


Manuela Kühn, Apothekerin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Tamoxifen Test

von Joachim Sievers am 27.01.2017 um 11:19 Uhr

Liebe Frau Kühn,

auch wenn die Konzepte der Gen-Testung logisch erscheinen, sollten m.E. die Systeme nur empfohlen werden, wenn deren Patientennutzen im Rahmen der Zulassung erwiesen wurde.

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