Masernfälle 2016

Deutschland in Europa Schlusslicht der Masernelimination

Berlin - 11.01.2017, 08:15 Uhr

 „Wir brauchen eine Impfpflicht“, sagte der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte Fischbach. (Foto: Astrid Gast / Fotolia) 

 „Wir brauchen eine Impfpflicht“, sagte der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte Fischbach. (Foto: Astrid Gast / Fotolia) 


2015 war in Deutschland das heftigste Masern-Jahr seit Einführung der Meldepflicht. Hat sich die Lage im vergangenen Jahr gebessert?

Ein Blick auf die Zahlen allein könnte zuversichtlich stimmen: Nach fast 2500 Masernfällen bundesweit im Jahr 2015 erkrankten nach bislang vorliegenden Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) im vergangenen Jahr nur etwas mehr als 300 Menschen an der hochansteckenden Krankheit. Fachleute jedoch sehen beim Thema Masern in Deutschland wenig Grund zum Aufatmen. Und das nicht nur, weil die tatsächlichen Zahlen höher liegen: Nicht jeder Patient geht zum Arzt, und auch nicht jede Behandlung wird gemeldet.

„Schlimm, dass Deutschland inzwischen in Europa das Schlusslicht der Masernelimination darstellt“, erklärt RKI-Präsident Lothar Wieler mit Blick auf die nach neuen Erkenntnissen seines Hauses oft verspätete Masern-Impfung bei Kindern. Nach Hochrechnungen waren bundesweit 150.000 Kinder des Jahrgangs 2013 mit 24 Monaten nicht vollständig gegen Masern geimpft. Hinzu kamen 28.000 Kinder ganz ohne Masern-Impfung. Ballungsräume wie Berlin, Dresden, Hamburg, Köln, Leipzig und München sehen die Experten als „Problemregionen“.

Hermann Josef Kahl, Sprecher des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), würdigt aber einen in den RKI-Zahlen ersichtlichen Aufwärtstrend bei der zweiten Masern-Impfung: „Wir haben den Eindruck, dass die Misere, wie sie bisher bestanden hat, doch langsam ein bisschen abgebaut wird“, sagt er. Die Zahl der Kinder, die nach dem zweiten Lebensjahr nur einmal geimpft sind, scheine abzunehmen – noch müsse man aber die weitere Entwicklung abwarten. „Wachsam bleiben sollte man auf jeden Fall“, betont Kahl.

Auch vielen jungen Erwachsenen fehlt Impfschutz

Noch immer viel zu viele Masernfälle beklagt Dirk Werber, Leiter der Arbeitsgruppe Infektionsschutz beim Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso). Erst kürzlich wies er darauf hin, dass es für eine Eliminierung der Masern gemäß dem Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) weniger als einen Fall pro eine Million Einwohner hätte geben dürfen – das wären maximal rund 80 in Deutschland. So viele Masernpatienten hatte allein Berlin 2016, sie bleibt weiter Deutschlands Masern-Hauptstadt. Auch vielen jungen Erwachsenen fehlt dort der Impfschutz.

Die Anfälligkeit zeigte die Ankunft eines erkrankten Reisenden im Spätsommer: Er verließ sein Hotel nicht, bevor er ins Krankenhaus kam, wie Dirk Werber schilderte. Dennoch steckten sich zwei Angestellte des Hotels an und trugen das Virus in der Stadt weiter. Da es sich um einen seltenen Virenstamm handelte, sei nachweisbar, dass in der Folge auch Menschen in Brandenburg, Sachsen, Niedersachsen und Baden-Württemberg an dem eingeschleppten Erreger erkrankten, so Werber. Neben Berlinern waren auch relativ viele Thüringer und Brandenburger von Masernerkrankungen betroffen.

Andere Länder sind weiter: Der gesamte amerikanische Kontinent wurde Ende September als frei von Masern erklärt. Dort wurde seit 2002 nur noch von eingeschleppten Fällen berichtet. In den USA sind Masernimpfungen für Kinder vorgeschrieben, sie müssen in Schule und Kindergarten vorgewiesen werden. Masern gehören zu den ansteckendsten Krankheiten überhaupt. Man kann sich über Tröpfchen beim Sprechen, Husten und Niesen anstecken oder bei Kontakt zum Beispiel mit dem Schleim eines Erkrankten.

Schwere Folgeerkrankung: tödliche Masern-Gehirnentzündung SSPE


Eine Impfpflicht in Deutschland fordert der Ärzteverband BVKJ seit Jahren. Die Mediziner halten die nach dem großen Masernausbruch 2015 eingeführte verpflichtende Impfberatung nicht für ausreichend. Die Beratung bekommen Eltern üblicherweise bei der normalen Vorsorgeuntersuchung, schildert Kahl: „Sie sind relativ gut vorinformiert und wollen die Impfung in der Regel auch haben.“

Ausführlichere Gespräche gebe es mit Eltern, die generell Angst vorm Impfen haben. „Da kommt man dann manchmal nicht durch“, so Kahl. Impfgegner dagegen kämen gar nicht erst in Praxen. Zudem hat Kahl die Erfahrung gemacht, dass Impfungen des Öfteren erst im Jugendalter nachgeholt werden, wenn Schüler zum Beispiel in die USA gehen wollen.

Masern sind vor allem wegen der sehr schweren Folgeerkrankungen gefürchtet. Beispielsweise kann es zur chronischen und tödlichen Masern-Gehirnentzündung SSPE (Subakute sklerosierende Panenzephalitis) kommen. Sie ist nach neueren Untersuchungen häufiger als bislang angenommen. 



dpa / DAZ.online
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2 Kommentare

Impfpflicht

von Uwe Dietze am 09.02.2017 um 11:10 Uhr

Es gibt zwar ein allgemeines Recht auf Dummheit, aber kein Recht auf Vernachlässigung des Schutzes von Kindern. Daher wird an einer allgemeinen Impfpflicht nichts vorbeiführen, sonst macht sich der Gesetzgeber mitschuldig

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Impfpflicht

von Kay-Uwe Blietz am 01.08.2019 um 13:06 Uhr

Die Impfpflicht ist klarerweise nur der Lobbyarbeit von Pharma- und Ärtzeindustrie zu verdanken. Und Politiker kümmern sich schon gar nicht um die Gesunderhaltung der Menschen & Kinder. Es geht wieder mal nur um Geld & Macht. Bis 2001 gab es nicht mal eine Meldepflicht, warum nicht? Und heute gibt es keine empirischen Daten ob die Impfe hilft und vor allem keinerlei Zahlen zu Spätfolgen. Solang diese Zahlen nicht akurate aufgearbeitet und einsehbar sind ist die Impfpflicht grundsätzlich abzulehnen. Wir sollten besser jeden Autofahrer einmal im Jahr Alkohol- bzw. Drogensucht testen und bei Suchtanzeichen den Führerschein entziehen. Damit wären tausende Menschen und Kinder weniger tot oder noch schlimmer Unfallbehindert.

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