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Kommentar
Der seriöse Versorgungspartner DocMorris
Die Zeiten, in denen DocMorris als aggressiver Apothekenmarkt-Revoluzzer auftrat, sind vorbei. Der gestrige Auftritt von Max Müller im Bundestag zeigt: Die niederländische Versandapotheke versteht sich längst als seriöse, etablierte Versorgungsalternative. Und genau deswegen sollten die Apotheker ihre Konkurrenz ernster nehmen als je zuvor, meint DAZ.online-Redakteur Benjamin Rohrer.
Es gab Zeiten, da eröffnete DocMorris eigenständig und auf illegale Weise eine Apotheke im Saarland. Es gab Zeiten, da versendete DocMorris mithilfe einzelner Krankenkassen Arzneimittel nach Deutschland – obwohl der Versandhandel hierzulande noch gar nicht erlaubt war. Und es gab Zeiten, in denen DocMorris immer wieder Rabatte und Bonus-Systeme anbot, die in Deutschland entweder gänzlich verboten waren oder sich zumindest im Graubereich des Erlaubten bewegten.
Betrachtet man den Auftritt von DocMorris-Vorstand Max Müller bei der gestrigen Fachtagung in der Grünen-Fraktion des Bundestages, müsste man meinen, diese Zeiten hätte es niemals gegeben. Da trat ein gut informierter, kooperativer Apotheken-Fachmann auf, der seinem politischen Gegner die Hand ausstreckte. Ganz nach dem Motto: „Es gibt ein Problem. Lasst es uns gemeinsam lösen.“ Müller sprach minutenlang von Landschaften, die in Zukunft unterversorgt bleiben könnten. Anstatt lange über die Nachteile eines Rx-Versandverbotes oder Einzelheiten seiner Boni-Modelle zu sprechen, signalisierte Müller: DocMorris erkennt die wahren Versorgungsprobleme in Deutschland und könnte dabei mitwirken, diese zu lösen.
Wie die neue DocMorris-Strategie funktioniert, zeigte sich am besten nach dem Vortrag eines betroffenen Landapothekers. Der Pharmazeut aus der brandenburgischen Prignitz stellte eindrücklich dar, wie belastet er sei, weil er die einzige Apotheke in einem Umkreis von 250 Quadratkilometern führe. Anstatt den Versandhandel als Alternative zu einer solchen Landapotheke zu positionieren, zeigte Müller Verständnis für den Pharmazeuten: Es müsse in Zukunft Ausgleichssysteme für Landapotheken geben, außerdem benötigten die Apotheker zusätzliche Honorare für pharmazeutische Dienstleistungen. „Damit solche Kollegen nicht mehr 60 Stunden in der Woche arbeiten müssen.“
Welchen genauen Plan das Unternehmen DocMorris nach dem EuGH-Urteil verfolgt, erläuterte Müller allerdings nicht. Dabei liegt die eigentliche Botschaft an die Politik auf der Hand. Sinngemäß könnte sie lauten: „Wenn ihr solche Apotheken erhalten wollt, gebt ihnen mehr Geld – weil wir unseren Rx-Anteil nach dem EuGH-Urteil auf jeden Fall steigern werden.“ DocMorris hatte kurz vor Bekanntwerden des EuGH-Urteils eine millionenschwere Fernseh-Werbekampagne gestartet, in der das Unternehmen gezielt um Chroniker wirbt. Aus solchen Entscheidungen lässt sich schon eher erkennen, welche Ziele die niederländische Versandapotheke verfolgt.
Apotheker brauchen mehr Empathie
Für die Apotheker war es wichtig, dass ABDA-Präsident Friedemann Schmidt Müllers Strategie schnell durchblickte. Schmidt wies das Publikum darauf hin, dass Müller zwar einen kooperativen Eindruck erwecke. Die Zusammenarbeit mit Regelbrechern sei für die Apotheker aber ausgeschlossen. Schmidts stärkster Moment bei der gestrigen Debatte.
Trotzdem sollten sich die Apotheker darauf vorbereiten, dass sie in Zukunft des Öfteren mit dem seriösen Versorgungspartner DocMorris konfrontiert werden. Max Müller und seine Kollegen müssen sich in Zeiten der Digitalisierung nicht mehr so lange wie früher umschauen, bis sie in der Politik jemanden finden, der ihre Argumente versteht und aufgreift. DocMorris braucht keine „wilden“ Taktiken mehr, um den Apothekenmarkt zu revolutionieren. Die Gesellschaft hat sich weiterentwickelt, auch die Digitalisierung des Gesundheitswesens drängt. Zudem drückt der demografische Wandel, die Infrastruktur in ländlichen Gebieten dünnt aus. In solchen Zeiten reicht es, wenn sich DocMorris als eine neuartige, digitale Versorgungsalternative darstellt, die mithelfen möchte, den Wandel im Gesundheitswesen mitzugestalten.
Aber was heißt das für die Apotheker? Sie sollten nicht reflexhaft eine Defensiv-Strategie entwerfen, um DocMorris zu diskreditieren. Vielmehr ist es wichtig, sich auf die Vorteile der Apotheke vor Ort zu besinnen. DocMorris kann so digital, fortschrittlich und hilfsbereit wie möglich sein – einige Aufgaben können nun einmal nur die Apotheken vor Ort glaubhaft und patientennah erfüllen: Nacht- und Notdienste, Rezepturen, patientenindividuelle und persönliche Beratungsgespräche, persönliche Botendienste etc. Nicht zu vergessen sind soziale, ja fast seelsorgerische Aufgaben, die der Apotheker in seinem näheren Umfeld für viele Patienten übernimmt.
Überhaupt sollte die ABDA darüber nachdenken, in ihre Argumentation mehr solcher „weicher“ Argumente einzubauen. Warum vertrauen Patienten ihrem Apotheker vor Ort? Was schätzen sie an der persönlichen Beratung in der Apotheke? Warum hat man gerne eine Apotheke in der Nähe? Das Prinzip dabei ist einfach: Geschichten bewegen. Auch Politiker. Eigentlich hätte der Landapotheker aus der Prignitz mit seinem Schicksal eher der ABDA nützen müssen, Schmidt erwähnte seinen Kollegen aber nur am Rande. Denkbar wäre doch, dass die ABDA zu ihren Treffen im Bundestag grundsätzlich einen Apotheker aus der Praxis mitnimmt, der redegewandt ist und den Fachmenschen im Elfenbeinturm erzählen kann, wo der Schuh im Apotheken-Alltag drückt. Argumente müssen sachlich stichhaltig und richtig sein. Sie funktionieren aber am besten, wenn sie empathisch vorgetragen werden.
7 Kommentare
Spieß umdrehen
von Stefan Haydn am 30.11.2016 um 17:49 Uhr
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AW: Gleichbehandlung als Plausibilitätsprüfung.
von Christian Timme am 01.12.2016 um 11:29 Uhr
gekaufte Politiker
von adlerian am 30.11.2016 um 10:49 Uhr
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...einen Apotheker aus der Praxis...
von Michael Mischer am 30.11.2016 um 8:40 Uhr
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Seriöser Doc Morris???
von Heiko Barz am 29.11.2016 um 19:25 Uhr
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Die drastische Wahrheit . . .
von Uwe Hansmann am 29.11.2016 um 18:54 Uhr
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Lassen wir uns jetzt "ganz nett" in den Wahnsin treiben?
von Wolfgang Müller am 29.11.2016 um 16:24 Uhr
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