Verbraucherschützer Kai-Helge Vogel (VZBV)

„Verbraucher könnten dem Rx-Versandverbot ausweichen“

Berlin - 25.11.2016, 10:30 Uhr

Boni behalten, Apotheken stärken: Aus Sicht des Verbraucherschützers Kai-Helge Vogel sollten Patienten in einigen Fällen von den Boni profitieren, gleichzeitig sollte die Apotheke vor Ort aus seiner Sicht aber gestärkt werden. (Foto: VZBV)

Boni behalten, Apotheken stärken: Aus Sicht des Verbraucherschützers Kai-Helge Vogel sollten Patienten in einigen Fällen von den Boni profitieren, gleichzeitig sollte die Apotheke vor Ort aus seiner Sicht aber gestärkt werden. (Foto: VZBV)


Auf relativ abstrakter Ebene wird bei den Apothekern und in der Politik derzeit über die Auswirkungen des EuGH-Urteils diskutiert. Was bedeuten die Neuregelungen aber für die Patienten? Ist das Urteil eine Chance oder eine Gefahr für die Verbraucher? Im Interview mit DAZ.online erklärt Kai-Helge Vogel, Gesundheitsexperte beim Verbraucherzentrale-Bundesverband, warum das Rx-Versandverbot keine gute Lösung wäre und was die Apotheke vor Ort für den Patienten so wertvoll macht.

DAZ.online: Herr Vogel, ist das EuGH-Urteil für Verbraucher und Patienten gut oder schlecht?

Vogel: Das Urteil ist angesichts der bisherigen EU-Rechtsprechung sicherlich eine Überraschung. Ich kann auch die Aufregung bei den Apothekern nachvollziehen. Was die Auswirkungen der Entscheidung für die Verbraucher und Apotheker betrifft, sind wir aber etwas zurückhaltender. Auf der einen Seite können Verbraucher in der Tat in begrenztem Umfang sparen. Andererseits müssen die Auswirkungen des Urteils kritisch betrachtet werden, hier sollte der Gesetzgeber wohlüberlegt handeln.

DAZ.online: In welchen Fällen können Patienten aus Ihrer Sicht also profitieren?

Vogel: Aus unserer Sicht sollten die Rx-Boni ganz klar an die Zuzahlungsbefreiung gekoppelt werden. Versicherte, die eine Zuzahlung leisten müssen, können aus unserer Sicht ruhig auch persönlich einsparen. Zumal ich die Zuzahlung primär als Kostenbelastung und nicht als Patientensteuerung ansehe. Wenn die Zuzahlung aufgrund eines Rx-Bonus wegfiele, wäre das aus unserer Sicht gut. Zu überlegen ist allerdings, was tun, wenn zuzahlungsbefreite Patienten von Rx-Boni profitieren.

„Die freie Apothekenwahl muss erhalten bleiben“

DAZ.online: Einige Kassen wollen dafür Selektivverträge mit den ausländischen Versandapotheken abschließen, um die Boni so abgreifen zu können.

Vogel: Und genau an dieser Stelle birgt das EuGH-Urteil für Verbraucher auch eine Gefahr. Wir sehen solche Selektivverträge kritisch, weil die freie Apothekenwahl unbedingt erhalten werden muss. Weder Krankenkassen noch Ärzte sollten Patienten Vorgaben in die Richtung einer bestimmten Apotheke machen dürfen. Es ist okay, wenn Patienten über Boni und Rabatte informiert werden. Es dürfen aber keine weiteren subtilen Methoden zur Anwendung kommen, um den Patienten in eine gewisse Richtung zu lenken.

DAZ.online: Einerseits sagen Sie, dass Sie die Aufregung der Apotheker verstehen können. Andererseits sagen Sie, dass Sie die Auswirkungen des Urteils zurückhaltender beurteilen. Wie passt das zusammen?

Vogel: Selbst wenn Rx-Boni in begrenzten Fällen auch in Deutschland erlaubt wären, würden die Patienten der Apotheke vor Ort nicht den Rücken kehren. Die Beratung vor Ort und das pharmakologische Wissen der Apotheker werden von der Bevölkerung hoch eingeschätzt. Keine Versandapotheke kann das komplett ersetzen. Hinzu kommt, dass die Versandapotheken im Rx-Bereich einen sehr kleinen Marktanteil haben. Es ist zudem ein praktischer Aufwand und ein zumindest psychologischer Nachteil für Versandapotheken, dass zumindest derzeit noch das Papierrezept weggeschickt werden muss. Das ist vielen Patienten schlicht zu kompliziert.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Verbraucherschützer hadern mit Rx-Versandhandelsverbot

Das falsche Signal

Interview Kordula Schulz-Asche (Grüne)

„Ich habe noch nie bei einer Versandapotheke bestellt“

Ein Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel ist wettbewerbsökonomisch und gesundheitspolitisch begründet

Gute Gründe

1 Kommentar

Kompetenz ?!

von Ratatosk am 26.11.2016 um 16:19 Uhr

Leider auch hier ein sog Experte, dem die Strukturen nicht klar sind. Leider alles sinnloses Geschwafel, denn hier gilt, - ein bisschen schwanger gibt es nicht. Nochdazu sollte man sich das Konstrukt vorstellen, das diiese Äußerungen in ein ausführbahres Gesetz schriebe.
Wenn er denn ein sog Verbraucherschützer wäre, warum nicht einfach mal wie Österreich die MWST runter !? ist klar und einfach zu machen, spart Verbrauchern und Kassen Millarden und kommt nicht den bösen Apotheken zugute, was in der Politiik , siehe Lauterbach , Lindner und Konstorten ja das Wichtigste geworden ist.
Warum stehen die sonst so kostenbewußten Apparatschicks der GKV nicht schon lange hinter - oder sogar vor uns ?!
Alles Farce und schäbige Bevorzugung des Großkapitals,
Folgericht sind hier die Linken ehrer unsere Verbündeten als die SPD - Partei des kleinen ... - der war gut , oder der endverwendungsbewußten FDP

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.