Antidepressiva in der Schwangerschaft

Absetzen kann Mutter und Kind gefährden

Stuttgart - 07.10.2016, 08:45 Uhr

Setzen Schwangere ihre Antidepressiva ab, kann das Mutter und Kind schaden.(Foto: Kassler Media / Fotolia)

Setzen Schwangere ihre Antidepressiva ab, kann das Mutter und Kind schaden.(Foto: Kassler Media / Fotolia)


Kein Antidepressivum ist zugelassen

Leider ist kein Antidepressivum und kein Stimmungsaufheller in der Schwangerschaft zugelassen. Es gilt also eine vernünftige Nutzen-Risikoabwägung zu treffen. Eine unrealistische Einschätzung kann sogar dazu führen, dass Frauen von Schwangerschaften abgeraten wird. Laut dem Spiegel-Bericht sind viele Ärzte mit psychischen Erkrankungen in der Schwangerschaft überfordert. Nicht alle Psychiater kennen sich mit Schwangerschaften aus und bei Frauenärzten fehlt unter Umständen das Wissen über die Psychopharmaka-Therapie. So kommen dann solche Ratschläge zustande, wie in dem geschilderten Fall.

Zur Behandlung einer Depression kommen unterschiedliche Substanzen zum Einsatz. In der neuen S3-Leitlinie finden sich Empfehlungen zur Behandlung von Depressionen in der Schwangerschaft. Weitere wertvolle Hilfestellung bietet die kostenfreie online-Datenbank Embryotox. Mit trizyklischen Antidepressiva (TCA) wie Amitriptylin hat man die meisten Erfahrungen, sie gelten daher mit als Mittel der Wahl. 

Aufgrund der geringeren Nebenwirkungen bevorzugen viele Verordner aber SSRI. Laut der Auswertung der Barmer sind sie die am häufigsten verordneten Antidepressiva bei Frauen im gebärfähigen Alter. Ihr Einsatz ist mit einem geringfügig höheren Risiko für Fehlbildungen assoziiert als die TCA, aber auch sie können in der Schwangerschaft eingenommen werden. Wirkstoffe der Wahl sind Sertralin und Citalopram. Für alle Antidepressiva wird über ein sogenanntes postnatales Adaptationssyndrom berichte. Es tritt bei etwa 30 Prozent der Neugeborenen auf. Es handelt sich um eine Art Entzug, der sich unter anderem durch Gereiztheit und abnormes Schreien äußert. Die Symptome seien jedoch in der Regel mild und von begrenzter Dauer – einzelne Tage bis zu zwei Wochen, heißt es in der Leitlinie. 

Bei Johanniskraut wird eher hoch dosiert

Bei den Frauen, die in der Schwangerschaft weiter therapiert werden, geschieht dies  – was die Wirkstoffauswahl betrifft – leitliniengerecht mit TCA und SSRI. Auch das zeigen die Daten der Barmer. Die Empfehlung, die Dosis zu senken, wird allerdings nicht immer umgesetzt. So bleibt diese bei den SSRI in der gesamten Schwangerschaft konstant, bei den TCA hingegen scheint man der Leitlinie diesbezüglich öfter zu folgen. Auffällig finden die Autoren des Berichts, dass in der Gruppe der „sonstigen Antidepressiva“ die Dosierungen im späteren Verlauf der Schwangerschaft stark ansteigen. Dieser Effekt kommt ihren Analysen zufolge durch Johanniskraut zustande. Möglicherweise werde das Phytopharmakon als „weniger bedrohlich“ eingeschätzt und man habe wohl auch weniger Hemmungen bei Bedarf die Dosis zu steigern, vermuten sie. In der Leitlinie spielt Johanniskraut aber keine Rolle. Dass bei den SSRI die mittleren Dosen sofort nach der Geburt zunehmen, passt nach Ansicht der Autoren ins Bild. Frauen, bei denen während der Schwangerschaft sicherheitshalber auf eine Therapie verzichtet wurde, zeigen vermehrt Symptome, lautet ihre Annahme. Diese werden nach der Geburt schnell und zum Teil auch mit höheren Dosen behandelt.

Einen weiteren Aspekt geben die Autoren zu bedenken: Insbesondere bei ungeplanten Schwangerschaften nehmen die Frauen oft fünf bis sechs Wochen Arzneimittel ein, ohne zu wissen, dass sie schwanger sind. Wird dann die Therapie abgebrochen, lassen sich etwaige Organschäden ohnehin nicht mehr verhindern, denn wesentliche Schritte der Organogenese sind dann schon abgeschlossen. Psychische Probleme sind aber bei einem plötzlichen Absetzen sehr wahrscheinlich.

Die junge Frau in der Spiegel-Geschichte hat letztendlich Hilfe gefunden. Der Verein „Schatten und Licht" hat ihr die entsprechenden Experten vermittelt. Sie ist mittlerweile Mutter von drei gesunden Kindern, obwohl sie ihre Arzneimittel während der Schwangerschaft weiter genommen hat. Ihre Depression ist sie aber nie wieder losgeworden. 



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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2 Kommentare

Dauermedikation ohne weitere Behandlung

von Anna am 23.07.2019 um 16:12 Uhr

Ich leide selbst seit Jahren unter Depressionen und habe auch meine Antidepressiva auf eigene Faust abgestellt. Bei mir überwog ebenfalls die Sorge um das Baby. Ich habe es bis jetzt nicht bereut. Die kleine ist nun 1 Jahr alt und erst jetzt merke ich wieder wie mich so langsam das alte Muster packt. Da ich jedoch noch ein Geschwisterchen möchte, werde ich erstmal nicht zu den Tabletten greifen solange es im Rahmen bleibt. Vom Arzt fehlt mir jedoch die Unterstützung da raus zu kommen. Es werden nur Pillen verschrieben und gut ist. Eine direkte Information oder Behandlung hatte ich weder beim Neurologen noch beim Hausarzt. Es hieß da kann man nichts machen.

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Studien

von Iris Heffmann am 07.10.2016 um 23:34 Uhr

es gibt unter diesem Link eine Vielzahl an Studien zu den Risiken für Kinder unter der Antidepressiva Einnahme der Mutter. https://www.madinamerica.com/2016/10/antidepressants-in-pregnancy-risks-to-the-fetus-and-long-term-health-of-the-child/

Sinnvoller wäre es, Frauen in bei Schwangerschaftswunsch vorab bei einem kleinteiligen, schrittweisen und langfristigem Absetzen zu begleiten, statt auf Antidepressiva als notwendige Dauermedokation zu setzen.

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