Botulismus

Das tödliche Häppchen im Tatort aus Münster

Stuttgart - 26.09.2016, 14:45 Uhr

Gerichtsmediziner Boerne und Kommissar Thiel bei den Dreharbeiten zum Tatort vom vergangenen Sonntag. (Foto: dpa)

Gerichtsmediziner Boerne und Kommissar Thiel bei den Dreharbeiten zum Tatort vom vergangenen Sonntag. (Foto: dpa)


Ähneln sich ALS und Botulismus? 

Hinsichtlich der neurologischen Symptome, wie Schluck und Sprechstörungen, können sich die ALS und eine Vergiftung mit Botulinumtoxin tatsächlich ansatzweise ähnlich sein. Die Form der ALS, die mit diesen Symptomen beginnt, ein sogenannter bulbärer Beginn, ist jedoch die seltenere Variante. Häufiger äußert sich die Erkrankung zuerst durch schmerzlose Lähmungen der Arme und Beine. Sie führen zu „Ungeschicklichkeiten“: Die Patienten stolpern oder lassen Stifte fallen.

Trotz unter Umständen ähnlichen Symptome ist der Pathomechanismus ein völlig anderer. ALS ist eine degenerative Erkrankung des motorischen Nervensystems. Der Auslöser ist unbekannt. Pathophysiologisch liegt der ALS eine Proteinopathie zugrunde: Das heißt, dass es zur pathologischen Anhäufung oder zum vorzeitigen Abbau von fehlgefalteten Proteinen in motorischen Nervenzellen im Gehirn und Rückenmark kommt, die letztendlich zu einer Neurodegeneration führen. Der Verlauf der ALS ist bei jedem Patienten unterschiedlich. Die individuellen Beschwerden werden wesentlich von der zuerst befallenen Muskelregion bestimmt.

Völlig unterschiedlicher Mechanismus

Der Pathomechanismus einer Vergiftung mit Botulinumtoxin hingegen ist gut erforscht. Die Symptome beruhen auf einer Hemmung der exozytotischen Freisetzung des Neurotransmitters Acetylcholin an den präsynaptischen Nervenendigungen. Die Reizweiterleitung zwischen Nerven und Muskeln wird unterbrochen. Die neurologischen Symptome beginnen meistens mit Lähmungen der Augenmuskeln. Die muskellähmende Wirkung macht man sich gezielt bei zahlreichen medizinischen Indikationen zunutze, zum Beispiel bei spastischen Lähmungen, Hyperhidrosis oder in der Schönheitschirurgie. Auch zu der im Tatort erwähnten Anwendung gegen Depressionen gibt es Untersuchungen. Dabei scheint die durch Botoxinjektion in die Stirn entspannte Mimik sich positiv auf die depressive Symptomatik auszuwirken.

„Produzent“ des Giftstoffes ist das Bakterium Clostridium Botulinum, ein Anaerobier, dessen Sporen weit verbreitet und äußerst widerstandsfähig sind. Unter anaeroben Bedingungen keimen sie aus und setzen das Gift frei. Das eine Botulinumtoxin gibt es allerdings nicht. Es ist eine Sammelbezeichnung. Derzeit sind laut RKI sieben Serotypen und mehr als 40 Subtypen bekannt. Für den Menschen toxisch sind die Typen A, B, E, F und H. Botox®, das wahrscheinlich bekannteste Botulinumtoxin-Arzneimittel enthält beispielsweise Typ A. Zu Vergiftungen kommt es meist durch den Verzehr verdorbener Lebensmittel, zum Beispiel aus Konserven. Dosen sind dann in den meisten Fällen aufgebläht. 



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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