Treffpunkte des VdPP bei den Demos am Samstag
- Berlin: 12 Uhr Alexanderplatz (Karl-Marx-Allee)
- Hamburg: 12 Uhr Rathausmarkt
- Frankfurt: 12 Uhr Opernplatz (bzw. 11:30 Uhr vor dem Starbucks in der Fressgass)
Unter den zehntausenden Demonstranten, die am Wochenende gegen TTIP und CETA auf die Straße gehen, werden auch viele Apotheker sein: Sie befürchten einen tiefgreifenden Wandel des Gesundheitssystems. So auch der Apotheker Reinhard Wörlein, der sich gegen die Freihandelsabkommen engagiert.
20.000 Teilnehmer werden in Frankfurt erwartet, jeweils 30.000 in Hamburg und Stuttgart, 80.000 in Berlin: Am Samstag protestieren Menschen in ganz Deutschland gegen die geplanten Freihandelsabkommen TTIP mit den USA und CETA mit Kanada. Darunter werden auch viele Apotheker sein. „CETA und TTIP gefährden unsere Gesundheit und die Versorgung mit Arzneimitteln“, betont der Verein Demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP).
Die Organisation war schon bei früheren Demonstrationen in Hannover und Berlin vertreten. „Wir rufen dazu auf, an den bundesweiten Demonstrationen am 17. September 2016 teilzunehmen und für einen gerechten Welthandel zu demonstrieren“, erklärt der VdPP. Der Zeitpunkt für die Demonstration ist gut gewählt: Am kommenden Montag wird ein kleiner Parteitag der SPD sein Votum für CETA abgeben, welches anders als TTIP schon länger fertig verhandelt ist. Und am Freitag in einer Woche werden sich die EU-Handelsminister darüber verständigen, welche Teile von CETA ohne Beteiligung der nationalen Parlamente beschlossen wird.
Ein Apotheker, der sich gegen das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA engagiert, ist Reinhard Wörlein. Der Inhaber der Maximilian-Apotheke in Nürnberg hat sich aufgrund seines allgemeinen politischen Interesses mit dem Thema beschäftigt, wie er gegenüber DAZ.online sagt – und dann erkannt, dass es ihn auch als Apotheker stark betreffen würde. Zusammen mit dem Geschäftsführer einer Firma für Zahnpflegeprodukte hat er im Rahmen der Initiative „Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gegen TTIP“ eine Stellungnahme zu den Auswirkungen des Abkommens auf das Pharma- und Gesundheitswesen geschrieben.
„Ganz viele Gegner bringen das Chlorhühnchen als abschreckende Beispiel vor“, sagt Wörlein, während Wirtschaftsvertreter die Vereinheitlichung von Autoblinkern als Vorteil herausstellen. „Aber was in den Abkommen steht und unter Umständen durchgeklagt werden kann, das kann die Struktur gefährden – und das halte ich für höchst bedenklich“, erklärt er.
Zwar betont das Bundesgesundheitsministerium, dass der Bereich des Gesundheitswesens bei TTIP ausgeklammert würde. Aber dies habe es auch in Bezug auf die Europäische Union geheißen, sagt Wörlein. „Die Folge war die Einführung des europaweiten Versandhandels“, erklärt er. „Ein nationales Ministerium kann nicht sagen, dass etwas ganz sicher ist – ich finde das vollkommen unglaubwürdig.“
Apotheker hätten zwar immer den Ruf, konservative Besitzstandwahrer zu sein, aber seinem Eindrucks nach treiben viele Kollegen grundsätzliche Sorgen ums große Ganze um. Rabattverträge könnten plötzlich ungültig werden, und das Fremd- und Mehrbesitzverbot sei für ihn als Apotheker natürlich von existenzieller Bedeutung. „Im Kollegenkreis wird viel darüber gesprochen“, sagt Wörlein. Wenn große Bereiche durchkommerzialisiert werden, dann mache man sich einfach Sorgen. „Wir sind gesund und im Job – aber was bedeutet es für den Verbraucher und den Patienten, der sich nicht wehren kann, weil er alt, krank und schwach ist“, betont er. „Da gibt es etliche Bedenken.“
Gut geregelter Freihandel sei zwar eine gute Sache, und bei Verhandlungen mit den USA müsste man auch Veränderungen der Situation in Europa akzeptieren, um voranzukommen. „Aber die Sache geht derart weit“, sagt Wörlein. „Ich wundere mich über Politiker, die sich mit solchen Abkommen selbst entmachten.“ In zehn Jahren würden sie sich dann vermutlich wundern, dass ihnen die Hände gebunden seien. Da populistische Politiker dank TTIP und Co. diffuse Ängste schüren können, sieht der Apotheker das Vorgehen der Bundesregierung als Konjunkturprogramm der AfD. Für ihn sei es in Ordnung, wenn am Ende die demokratische Mehrheit das Abkommen beschließt – doch der überwiegende Großteil der Bevölkerung sei wohl gegen TTIP und Co.
Für Wörlein lohnt sich der Protest, etwa in Bezug auf die gefürchteten Schiedsgerichte: Anwälte sollten abseits der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Streitfällen Entscheidungen treffen, die ganze Staaten in ihrer Handlungsfreiheit erheblich einschränken können. „Das heißt, dass wir unser Rechtssystem, das über Jahrhunderte aufgebaut wurde, mit so einem Abkommen außer Kraft setzen“, sagt der Apotheker.
Inzwischen haben Brüssel und Berlin betont, bei Schiedsgerichten etwas umzudenken. „Die spannende Frage ist, warum die nicht wie gefordert kommen“, sagt Wörlein – und beantwortet sie sogleich. „Weil es den Widerstand gab“, erklärt er. „Wenn es keine europäische Öffentlichkeit dagegen gegeben hätte, wäre es anders durchgesetzt worden.“ Aus arbeitstechnischen Gründen könne er zwar selbst nicht zur Demonstration – „aber die guten Wünsche begleiten die Demonstranten“, erklärt er.
Bereits im vergangenen Jahr demonstrierten allein in Berlin rund 150.000 Menschen gegen die Freihandelsabkommen, bei dem Besuch von US-Präsident Barack Obama im April in Hannover waren es mehr als 80.000. Da eine Petition mit mehr als drei Millionen Unterschriften von der EU-Kommission nicht angenommen wurde, wird sich jetzt der Europäische Gerichtshof mit der Frage beschäftigen, welche Rolle dem Bürgerwillen bei dem Abkommen zukommt.
2 Kommentare
Also
von Christiane Patzelt am 17.09.2016 um 10:55 Uhr
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Wider TTIP/CETA
von Christian am 16.09.2016 um 16:25 Uhr
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