Die Seite 3

Aus Fehlern lernen

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Dr. Doris Uhl, Chefredakteurin der DAZ

Es ist stiller geworden rund um COVID-19 und die Corona-Impfungen. Die Pandemie scheint hierzulande kein Thema mehr zu sein, auch wenn noch immer Menschen erkranken, mit allen nicht verstandenen Folgen, die in Form von Long-COVID zutage treten. Jetzt beginnt die Aufarbeitung: Die Impfungen gegen COVID-19 werden einer kritischen Prüfung unterzogen – und auch die Maßnahmen, die während der Pandemie ergriffen wurden, werden unter die Lupe genommen. Das ist wichtig und richtig. Es wäre vermessen zu behaupten, dass die eingeschlagenen Wege zur Eindämmung der Pandemie immer alternativlos richtig gewesen wären.

In dieser Diskussion melden sich nun diejenigen verstärkt zu Wort, die sich schon immer gegen Quaran­täne­maßnahmen, Schließungen von Betrieben, Kindergärten und Schulen, Masken- und Testpflicht sowie Impfungen gewehrt haben. Immer wenn sie anklagen und für sich reklamieren, Recht gehabt zu haben, immer dann sollte ein nüchterner Blick vor allem auf die Anfänge der Pandemie geworfen werden. Die Bilder von Bergamo mit tausenden Toten im Frühjahr 2020 gingen um die Welt und rüttelten auf. Damals gab es keine Impfung, die einen Schutz vor einer Infektion hätte bieten können und keine Arzneimittel, die schwer erkrankte Menschen zuverlässig vor dem Tod hätten bewahren können.

Alternativlos war in diesen Zeiten nur, sich und andere vor SARS-CoV-2 zu schützen – so mit Hygienemaßnahmen, dem Tragen von Masken, Meiden von Menschenansammlungen, Quarantäne und Isolation. Wirkungs­vollere Möglichkeiten, die Verbreitung des Virus einzudämmen, hatten wir nicht.

Erst mit den Impfstoffen besserten sich die Aussichten. Sicher, sie konnten und können bis heute nicht vor Ansteckungen schützen. Und ja, sie haben Nebenwirkungen bis hin zum Post-Vac-Syndrom, das ebenso wenig verstanden ist wie die Pathogenese von Long-COVID. Aber sie haben in der Regel für einen milderen Infektionsverlauf gesorgt und damit Leben gerettet. Was geschieht, wenn das Virus auf eine schlecht immunisierte Bevölkerung stößt, das zeigt das abrupte Ende der Null-COVID-Strategie in China (s. S. 44).

Am Ende des Tages muss für alle Maßnahmen eine ehrliche Nutzen-Risiko-Bilanz erstellt werden. Das wird dauern. Neue Erkenntnisse rund um das mutationsfreudige SARS-CoV-2 und das, was es im Körper alles anzustellen vermag, werden diese Bilanz ebenso beeinflussen wie eine intensive Aufarbeitung von Wirkungen und Nebenwirkungen der Impfstoffe. Dabei wird sich sicher herauskristallisieren, dass einige Fehler gemacht worden sind, dass vieles hätte besser laufen können. Nicht jede der ergriffenen Maßnahmen war wirklich zielführend und manch eine Maßnahme hat zu gravierenden neuen Problemen geführt, Stichwort Schulschließungen. Doch hinterher ist man immer schlauer und: Fehler sind wichtig, um daraus zu lernen. Jetzt gilt es, nach vorne zu blicken, aus den Erfahrungen und den neuen Erkenntnissen die richtigen Schlüsse zu ziehen und Maßnahmen zu ergreifen, damit wir für kommende Pandemien besser gerüstet sind.

P.S.: An dieser Stelle hat sich vor einer Woche unser Kollege Dr. Armin Edalat nach über fünfjähriger Tätigkeit als DAZ-Chefredakteur verabschiedet und ist zu neuen Ufern aufgebrochen. Wir, alle Kolleginnen und Kollegen der DAZ-Redaktion, danken ihm für die intensive und vertrauensvolle Zusammenarbeit und wünschen ihm alles erdenklich Gute.

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