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Schwerpunkt Retaxierung

Retaxiert, und nun?

Apotheken sollten bestimmte Fristen einhalten

Retaxierungen kosten die Apotheke nicht nur Geld, sondern auch Zeit. Dennoch lohnt es sich, genauer hinzusehen, denn so manche Retaxierung wird unberechtigt ausgesprochen. In manch anderem Fall ist vielleicht noch eine Heilung möglich. Möchte die Apo­theke Einspruch gegen eine Retaxierung einlegen, muss eine Frist eingehalten werden. Aber auch die GKV hat sich an vereinbarte Fristen zu halten. Worauf man einen Blick werfen sollte und welche Fristen rund um die Rezeptabrechnung, die Retaxierung und den Einspruch eingehalten werden müssen, lesen Sie im Folgenden. | Von Heike Warmers

Nachdem ein Rezept in der Apotheke auf ordnungsgemäße Ausstellung nach § 9 AMVV geprüft, das gewünschte Arzneimittel nach allen Abgaberegeln des Rahmenvertrag abgegeben und das Rezept mit allen erforderlichen Vermerken, Begründungen und Sonder-PZN versehen und bedruckt wurde, ist es bares Geld wert. Die Kosten der abgegebenen Arzneimittel werden den Krankenkassen in Rechnung gestellt. Das erfolgt über die jeweiligen Rechenzentren, an die die Apotheken ihre Verordnung meist 1- bis 2-mal pro Monat weiterleiten. Wann eine solche Rechnungslegung eines belieferten Rezeptes erfolgen muss, ist in den Arzneilieferverträgen festgelegt. So heißt es z. B. in § 11 des Arzneiversorgungsvertrags (AVV), der zwischen den Ersatzkassen und dem Deutschen Apothekerverband geschlossen wurde:

§ 11 Rechnungslegung
„(1) Die Rechnungslegung der Apotheke erfolgt monatlich bis spätestens einen Monat nach Ablauf des Kalendermonats, in dem die Lieferung erfolgte, an die von den Ersatzkassen benannten Stellen.“

An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass die Ersatzkassen aber Verordnungen, die aus verschiedenen Gründen zu einem späteren Zeitpunkt eingereicht werden, auch noch vergüten müssen. Allerdings darf die Kasse in solchen Fällen die Rechnung kürzen.

§ 11 AVV der Ersatzkassen
„[…] Eine Überschreitung der Frist nach Satz 1 befreit die Ersatzkasse nicht von der Zahlungsverpflichtung. Werden einzelne Verordnungsblätter gemäß § 3 mehr als einen Monat nach Ablauf dieser Frist abgerechnet, sind die Ersatzkassen berechtigt, den Gesamtbruttobetrag dieser Verordnungsblätter gemäß § 3 um fünf Euro je Verordnungszeile, bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und den anderen Mitteln nach § 1 Absatz 1 Ziffer 2 um zehn Prozent des Apotheken­abgabepreises, zu kürzen, insgesamt jedoch je Abrechnungsmonat und Ersatzkasse höchstens um 50 Euro, es sei denn, die Apotheke und die Abrechnungsstelle haben die Fristüberschreitung nicht zu vertreten; weitergehende Vertragsmaßnahmen nach § 27 Absatz 1 Ziffer 2 des Rahmenvertrages sind aus­geschlossen.“

Die Bedingungen bei Verordnungen zulasten einer Primärkasse können von denen der Ersatzkassen abweichen, sind aber ebenfalls in den jeweiligen Arzneilieferverträgen vereinbart. Hier muss die Apotheke die jeweils für ihren Bereich geltenden Regeln nachschlagen.

Im Rechenzentrum werden die Rezepte durch Hochleistungsscanner ausgelesen. Nicht maschinenlesbare Daten werden manuell erfasst und in eine elektronische Form umgewandelt.

Die Krankenkassen erhalten die Verordnungsdaten digital (Images) und in Papierform, weil es sich um ihr Eigentum und um rechnungsbegründende Unterlagen handelt. Meist werden die Papierrezepte bis zu sieben Jahre archiviert.

Die Kassen prüfen die Verordnungen gemäß § 284 SGB V hinsichtlich der Feststellung des Versichertenverhältnisses und der Mitgliedschaft auf Plausibilität und Wirtschaftlichkeit.

Das machen die meisten Kassen jedoch nicht selbst, sondern bedienen sich verschiedener Dienstleister, wie der Gesellschaft für Statistik im Gesundheitswesen (GfS) oder dem Rechenzentrum Emmendingen. Die Auszahlung der Rezeptwerte erfolgt ebenfalls durch das Apothekenrechenzentrum an die Apotheke. Auch hier ist eine Frist im Arzneiversorgungsvertrag der Ersatzkassen festgelegt:

§ 12 Rechnungsbegleichung
„(1) Die Rechnungen der Apotheken oder der von diesen beauftragten externen Abrechnungsstellen werden innerhalb von zehn Tagen nach Eingang der Rechnung nach § 11 bei den von den Ersatzkassen benannten Stellen beglichen. Bei Zahlung durch Überweisung gilt die Frist als gewahrt, wenn der Auftrag innerhalb dieser Zeit dem Geldinstitut erteilt wurde. Die Zahlung erfolgt vorbehaltlich auch später festgestellter Beanstandungen.“

Fristen für Beanstandungen

Die Frist, innerhalb derer eine Ersatzkasse eine Verordnung aufgrund rechnerischer oder sachlicher Mängel retaxieren kann, richtet sich nach dem Monat der Belieferung. Eine Retaxierung darf nur innerhalb von 12 Monaten nach Ende des Liefermonats ausgesprochen werden. Das bedeutet: Wurde am 2. Dezember 2021 eine Verordnung nicht ordnungsgemäß beliefert oder wurde ein Formfehler in der Verschreibung festgestellt, kann die Kasse dies bis Ende Dezember 2022 noch retaxieren. Dazu ein weiterer Auszug aus dem AVV der Ersatzkassen:

§ 13 Beanstandungen
„(1) Die bei der Rechnungsprüfung festgestellten rechnerisch und sachlich unrichtig angesetzten Beträge werden von den Ersatzkassen innerhalb von zwölf Monaten nach Ende des Kalendermonats berichtigt, in dem die Lieferung erfolgte. Hierzu gehören neben den rechnerischen und sonstigen offenbaren Unrichtigkeiten auch Taxdifferenzen und die Summe zurückgegebener Rezepte, auch von Fremdkassen (Irrläufer). Die Prüfung hat sowohl Differenzen zugunsten als auch zuungunsten der Apotheke bzw. der Ersatzkassen zu berücksichtigen. Die Beanstandung hat schriftlich unter Beifügung von Kopien der beanstandeten Verordnungsblätter gemäß § 3 bzw. deren Print-Images und unter Angabe der Belegnummer nach der Technischen Anlage 3 zum Rahmenvertrag zu § 300 SGB V oder einer anderen eindeutigen Kennzeichnung zu erfolgen und ist mit einer Begründung zu versehen. Die Kennzeichnung ist bei jedem Schreiben der Ersatzkasse oder der von ihr beauftragten Stelle sowie bei jedem Schreiben des Apothekers oder des für ihn tätigen Mitgliedsverbandes des DAV, das im Zusammenhang mit der Beanstandung steht, insbesondere bei Berichtigungsmitteilungen und bei der Auszahlung von Gutschriften sowie bei der Absetzung von Beträgen, anzugeben. Bei Absetzung der Gesamtsumme der Verordnung ist das Verordnungsblatt im Original beizufügen.“

Erhält die Apotheke eine Retaxierung, sollte zunächst einmal kontrolliert werden, ob die Kasse die Retaxfrist eingehalten hat. Es kommt durchaus vor, dass Krankenkassen oder deren Dienstleister Fehler in der Retaxbegründung machen, indem sie z. B. einen falschen Paragrafen nennen. Doch es kommen sogar auch sachlich falsche Retaxierungen vor, wie in zahlreichen DAP Retax-Newslettern nachgelesen werden kann. Dass die Retaxfrist einzuhalten ist, stellte bereits im Januar 2017 auch das Landessozialgericht Darmstadt fest (Az.: L 8 KR 332/14). In diesem Fall retaxierte die Barmer eine Rezeptfälschung erst zwei Jahre nach der Rezeptbelieferung. Ein Sozialgericht wies die Klage des Apothekers, die Kasse retaxiere nicht innerhalb der Frist, zunächst mit der Begründung ab, dass die Apotheke die Fälschung hätte erkennen müssen. Das Landessozialgericht Darmstadt entschied dann aber zugunsten der Apotheke. Die Begründung lautete, dass es sich bei dieser Frist um eine absolute Ausschlussfrist handele, nach deren Ablauf der Retaxierungsanspruch der Kasse erlösche.

Retaxiert die Krankenkasse innerhalb der vorgegebenen Frist, aber sachlich oder rechnerisch falsch, dann hat die Apotheke die Möglichkeit, innerhalb von drei Monaten nach Eingang des Retaxschreibens bei der Krankenkasse Einspruch einzulegen. Das kann die Apotheke selbst machen oder sich Unterstützung suchen.

Retax- und Einspruchsfristen bei Ersatzkassen

Retaxierung: innerhalb von zwölf Monaten nach Ende des Kalendermonats, in dem die Lieferung erfolgte

Einspruch der Apotheke: innerhalb von drei Monaten nach Eingang des Retaxschreibens

Ablehnung / Anerkennung eines Einspruchs: innerhalb von drei Monaten nach Eingang des Einspruchs

Frist für Einspruch und Prüfung des Einspruchs

Auch die Einspruchsfrist ist im Arzneiversorgungsvertrag der Ersatzkassen geregelt:

§ 13 Abs. 2
„Einsprüche gegen Taxdifferenzen können vom Apotheker innerhalb von drei Monaten nach Eingang beim Apotheker geltend gemacht werden.“

Für die Prüfung des Einspruchs hat die Kasse nun wiederum drei Monate Zeit.

§ 13 Abs. 3
„Die Prüfung von Einsprüchen gegen eine ausgesprochene Beanstandung hat innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Eingang des Einspruchs bei der Ersatzkasse zu erfolgen.“

Die Kasse teilt der Apotheke innerhalb dieser Frist mit, ob sie den Einspruch anerkennt oder ablehnt. Hört die Apotheke innerhalb von drei Monaten nichts von der retaxierenden Kasse, dann gilt ihr Einspruch automatisch als anerkannt. Das Gleiche gilt übrigens auch für die Retaxierung, wenn die Kasse nach Retaxzusendung von der Apotheke innerhalb der Dreimonatsfrist keinen Einspruch erhält.

Gut zu wissen!

Die Fristen der Primärkassen können abweichen und sind dem jeweiligen Arzneiliefervertrag zu entnehmen.

Werden die Fristen überschritten, gelten die Taxdifferenzen bzw. die Einsprüche als anerkannt.

Wer unterstützt bei einem Einspruch?

Die Apotheke kann einen Einspruch selbstständig oder mithilfe ihres Apothekerverbandes einreichen. Ob eine Retax berechtigt ist, prüft auch das Deutsche­ApothekenPortal. Schreiben Sie dazu gerne eine Mail an abgabeprobleme@deutschesapothekenportal.de.

§ 13 Abs. 4
„(4) Werden die Fristen nach den Absätzen 2 und 3 überschritten, gelten die Taxdifferenzen bzw. die Einsprüche als anerkannt. Rechnungskorrekturen können erst erfolgen, wenn die Taxbeanstandungen anerkannt sind, als anerkannt gelten oder der Einspruch durch die Ersatzkasse zurück­gewiesen wurde.“

Tipps für den Umgang mit Retaxationen in der Praxis

Bei der Retaxbearbeitung lohnt es sich, folgendermaßen vorzugehen:

  • Retax dokumentieren und prüfen, ob der angegebene Retaxgrund nachvollziehbar und begründet ist.
  • In den Daten der Apotheken-EDV ggf. den Abgabevorgang nochmals nachvollziehen.
  • Klären, ob es ggf. Heilungsmöglichkeiten gibt.
  • Sofern eine Heilung möglich ist bzw. es sich um eine nicht berechtigte Retax handelt, fristgerecht Einspruch einlegen.
  • Den Schriftverkehr im Rahmen des Einspruchs ebenfalls dokumentieren.
  • Auf fristgerechte Bearbeitung des Einspruchs achten.
  • Sofern der Einspruch anerkannt wird, sollte geprüft werden, ob auch die Abrechnung der GKV dahingehend korrigiert wird.
  • Bei typischen Fehlern, die sich ggf. wiederholen könnten, ist eine Aufklärung/Schulung der Apothekenmitarbeiter empfehlenswert, um künftige Retaxationen aus dem gleichen Grund zu vermeiden. |
     

Autorin

Heike Warmers, PTA und Fachapothekerin für Allgemeinpharmazie, seit 2011 beim DAP

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