Prisma

Acht Arme für fünf Finger

Hightech-Handschuh mit Oktopus-Saugnäpfen

Foto: Michael Bartlett/Virginia Tech

Die Saugnäpfe am Handschuh ­haben die Papierkarte erkannt, ­Unterdruck gebildet und halten sie nun fest.

mp | Spätestens seit Leonardo da Vinci versuchen Menschen, Phänomene aus der Natur auf technische Erfindungen zu übertragen. Schließlich sind Lebewesen durch evolutive Prozesse ­optimal an ihre Umwelt angepasst. Bionik nennt sich dieses Prinzip: ­Ingenieure schauen zunächst auf die Natur, bevor sie eigene Technologien entwickeln. Die Klettverschluss-­Erfinder schauten sich Kletten an, Luftfahrt-Ingenieure die stromlinienförmige Gestalt von Fischen und ­Vögeln. Das neueste Resultat der ­Bionik brachten Wissenschaftler der Hochschule Virginia Tech hervor. Das Problem, das sie lösen wollten: Nasse Gegenstände sind glitschig. Für Archäo­logen, Rettungstaucher oder Meeresbiologen kann das zum Problem werden. Sie müssen rutschige ­Korallen, Fische und Co. mit mehr Druck halten – zum Schaden der ­ergriffenen Wesen oder Gegenstände.

Der Oktopus stellt es cleverer an. Wenn die Saugnäpfe seiner Greifarme etwas erfassen, leiten sie Informationen an die Muskulatur und andere Saugnäpfe weiter. Durch Anspannung erzeugen die Muskeln einen Unterdruck zwischen Objekt und Saugnapf.

Diese Beobachtungen kombinierten die Forscher in ihrer Erfindung „Octa-Glove“. Ihre Entwicklung zierte im ­Juli 2022 das Cover des Journals ­„Science Advances“. Die Saugnäpfe dieses Handschuhs verfügen über eine Sensorik, die dem Nervensystem der ­Oktopus-Saugnäpfe ähnelt. Wer den Handschuh trägt, muss sich ­lediglich einem Gegenstand nähern. Automatisch bauen die integrierten Saugnäpfe Unterdruck auf und lassen flaches, gebogenes oder weiches Material haften, ohne dass Kraft aufzubringen wäre. Automatisch bauen sie Druck ab, wenn ein Objekt losgelassen werden soll. Noch nutzen die Ingenieure für ihren Handschuh nur optische Sensoren. Der Oktopus aber erkennt Objekte zudem anhand chemischer und mechanischer Signale. Eine neuere Version des ­„Octa-Gloves“ soll auch das können. Die Erfindung könnte auch in der Entwicklung ­medizinischer Produkte eingesetzt werden, schreiben die ­Autoren. |

Literatur

Frey ST et al. Octopus-inspired adhesive skins for intelligent and rapidly switchable underwater adhesion. Science Advances 2022, doi: 10.1126/sciadv.abq1905

Parish A. Underwater glove puts octopus‘ abilities on the hand of humans. Virginia Tech 2022, 13. Juli 2022

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