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„Diesen Impfstoff will ich nicht!“

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Dr. Doris Uhl, Chefredakteurin der DAZ

Zunächst war die Aufregung groß, dass AstraZeneca seinen Adenovirusvektor-basierten Impfstoff AZD1222 nicht in der zugesagten Menge liefern wollte oder konnte. Jetzt scheint er zum Ladenhüter zu werden. Hintergrund sind medienwirksam hochgepuschte Meldungen über heftige Impfreaktionen, die zu gehäuften Krankmeldungen gerade bei Pflegepersonal geführt haben (s. S. 31). Dabei rückt auch die im Vergleich zu mRNA-Impfstoffen geringere Wirksamkeit in den Fokus, die im Kontext mit den Nebenwirkungsmeldungen das Vertrauen in diesen Impfstoff zusätzlich schwächt.

In diesem Zusammenhang entsinnen sich jetzt viele, dass im Rahmen der Zulassungsstudien eine Erst-Impfung mit der halben Dosis AZD1222 und die Boosterung mit der vollen Dosis deutlich bessere Ergebnisse im Hinblick auf die Wirksamkeit ergeben haben. Leider war dies ein Durchführungsfehler, leider sind diese Daten nicht belastbar, leider kann nur spekuliert werden, ob eine Antikörperbildung gegen das als Vektor genutzte Schimpansen-Adenovirus beim Boostern eine bessere Immunantwort verhindert hat. Die bedingte EMA-Zulassung für AZD1222 deckt derzeit nur eine Erst- und Zweitimpfung mit der vollen Dosis von 0,5 ml.

Die Diskussion zur Antikörperbildung gegen den Vektor lenkt den Blick in eine weitere Richtung: Was geschieht, wenn der Vektor-Impfstoff aufgrund von Mutationen angepasst werden muss? Kann dann noch einmal mit diesem Impfstoff geimpft werden oder ist er dann immunologisch verbrannt? Und wenn tatsächlich die Boosterung mit ein und demselben Vektor nicht oder nur schlecht funktioniert, kann dann mit einem anderen Impfstoff nachgeimpft werden? Der russische Vektorimpfstoff Sputnik V bedient sich schon für die Erst- und Zweitimpfung unterschiedlicher Adenoviren als „Genfähre“. Auch eine Zweitimpfung mit einem anderen Impfstofftyp wie mit einem mRNA-Impfstoff sollte möglich sein. Mit welchen Erfolgsaussichten, das wird derzeit untersucht. Zugelassen sind solche Impfschemata noch nicht.

Wie in einem Brennglas zeigt die ganze Diskussion einmal mehr, dass wir uns mit den bedingten Zulassungen auf dünnem Eis bewegen, dass Entscheidungen auf der Basis von Daten getroffen werden mussten, die noch viele Fragen offen lassen. So auch die – wenn auch immer wieder als unwahrscheinlich eingestufte – Möglichkeit der malignen Transformation durch den Einbau der Vektorvirus-DNA in das menschliche Genom (s. S. 25). Damit bleibt ein Restrisiko, das deutlich macht, wie wichtig eine akribische Erfassung von Wirkungen und Nebenwirkungen nach der Impfung für eine bessere Nutzen-Risiko-Evaluation ist. mRNA-Impfstoffe scheinen im Vergleich zu ­Vektorimpfstoffen momentan viele Plus-Punkte zu haben, sowohl hinsichtlich der Risiken als auch hinsichtlich ihrer überragenden Wirksamkeit von über 90%. Aber vor dem Hintergrund der Impfstoffknappheit ist eine Impfung mit dem umstrittenen AstraZeneca-Impfstoff, die das COVID-19-Erkrankungs­risiko im ­Vergleich zu Ungeimpften immerhin um 60 bis 70% reduziert und schwere Verläufe verhindert, allemal besser als an COVID-19 mit seinen schweren und unkalkulierbaren Folgen zu erkranken.

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