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Pandemie Spezial
Kochsalz vernebeln, nicht sprühen
Inhalation kann Ansteckungsgefahr deutlich senken
Es gibt Hinweise darauf, dass die Befeuchtung der Nasenschleimhaut mit isotonischer Kochsalzlösung Menschen helfen kann, sich schneller von einer Viruserkrankung zu erholen. Doch weder das Gurgeln noch das Sprühen oder Spülen kann zuverlässig vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 schützen.
Bis zu sechs Stunden weniger infektiös
Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) empfiehlt dagegen, die Kochsalzlösung über einen elektrischen Vernebler zu inhalieren. Diese Maßnahme kann zwar nicht den Anwender selbst, wohl aber seine Mitmenschen vor einer Infektion schützen. Wissenschaftliche Grundlage für diese Empfehlung bietet eine Studie von Edwards et al. aus dem Jahr 2004, die in Zusammenarbeit des hessischen Unternehmens GS Bio-Inhalation GmbH mit der Harvard-Universität in Boston (USA) entstanden ist. Darin wird der Hypothese nachgegangen, mit vernebelter Kochsalzlösung die Oberflächeneigenschaften der Lungenluftwege so verändern zu können, dass größere Bioaerosol-Tröpfchen entstehen, die bei der Ausatmung in den oberen Atemwegen hängen bleiben. Und tatsächlich: Bereits nach sechsminütiger Inhalation wurde die Abgabe von Bioaerosolen aus der Lunge für bis zu sechs Stunden um durchschnittlich 72% vermindert. Auf diese Weise werden auch weniger Partikel ausgeatmet, die potenzielle Krankheitserreger enthalten können.
Besser keine Selfmade-Lösung!
Aus Kostengründen kommen manche Anwender auf die Idee, die Salzlösung für die Inhalation aus Speisesalz und Trinkwasser selbst herzustellen. Speisesalz enthält heutzutage jedoch nicht nur Natriumchlorid, sondern neben Zusätzen wie Iod, Fluorid und Folsäure vor allem sogenannte Rieselhilfen, von denen nicht bekannt ist, welche Wirkung sie auf die Lunge haben. Auch die Wasserqualität kann den Anforderungen an eine Zubereitung zur tiefen Inhalation nicht genügen. Zudem kann es zu gravierenden Fehlern beim Berechnen und Abmessen kommen. Mehrere Hersteller verbieten deshalb die Anwendung selbst gemachter Kochsalzlösung in ihren Geräten, darunter beispielsweise die Firma Pari.
Gute Erfahrungen in der COVID-19-Behandlung
Die Aussagekraft der Studie wird dadurch limitiert, dass nur elf gesunde Probanden eingeschlossen wurden. Doch es gibt positive Signale aus der Praxis. Dr. Thomas Voshaar, Vorsitzender des Verbands Pneumologischer Kliniken (VPK) und Chefarzt der Lungenklinik Bethanien in Moers, setzt Inhalationen von isotonischer Kochsalzlösung seit Beginn der Pandemie bei allen dort behandelten COVID-19-Patienten ein und ist von deren Sinnhaftigkeit in Kombination mit anderen Schutzmaßnahmen überzeugt. Immerhin hatte sich während der ersten Welle keiner der 1600 Krankenhaus-Mitarbeiter angesteckt. „Das ist besonders erwähnenswert, da wir die Patienten nicht intubieren, sondern mit Sauerstoff und nicht-invasiven Beatmungsmethoden behandeln, wobei die Patienten also durchgehend selbstständig atmen“, betont Voshaar. An diesem Konzept halte man auch weiterhin fest. Ob sich diese Maßnahme auch zu Hause lohne? „Es sollte sich niemand extra privat ein Inhalationsgerät zu diesem Zweck kaufen, aber wenn vorhanden, ist die Nutzung sinnvoll.“
Zum Weiterlesen
Einen ausführlichen Beitrag rund um die Anwendungsmöglichkeiten und die Effektivität von Salzlösungen finden Sie in DAZ 2021, Nr. 4, S. 50: Bruhn C. Nase frei! Beratung zur Anwendung von Salzlösungen bei Erkältungssymptomen.
Weitere Kochsalz-Strategien
Derzeit laufen gleich mehrere Studien zur Wirksamkeit von Kochsalzlösung bei COVID-19. Eine brasilianische Arbeitsgruppe um Machado beobachtete im Zellmodell, das hypertone Kochsalzlösung (1,5%) in der Lage ist, die SARS-CoV-2-Vermehrung zu hemmen. Die Studienautoren vermuten, dass es sich um einen intrazellulären Wirkmechanismus handelt und die Wirkung der Kochsalzlösung auf einer Depolarisierung der Plasmamembran beruht.
In Saudi-Arabien geht man in einer multizentrischen Studie der Idee nach, Gesichtsmasken mit hypertonischer Kochsalzlösung zu beschichten. Man erhofft sich dadurch, die Viren während der Rekristallisation von NaCl und den dadurch aufgebauten osmotischen Druck zerstören zu können. Ergebnisse stehen noch aus.
Dass Kochsalz das Zeug als Hygienemaßnahme hat, beweist auch die Zulassung eines Desinfektionsmittels auf Kochsalz-Basis durch die Zulassung der Europäischen Chemikalien-Agentur (ECHA). Der „als aktives Chlor freigesetzt aus Natriumhypochlorit“ definierte Wirkstoff entsteht durch Strom und greift gegen Bakterien, Pilze sowie deren Sporen und Viren, inklusive SARS-CoV-2. |
Literatur
Positionspapier zur praktischen Umsetzung der apparativen Differenzialtherapie der akuten respiratorischen Insuffizienz bei COVID-19. Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP), Pneumologie 2020;74(6):337–357
Edwards DA et al. Inhaling to mitigate exhaled bioaerosols. Proc Natl Acad Sci USA 2004;101(50):17383–17388
Einfaches Inhalieren kann die Ansteckungsgefahr mit Coronaviren deutlich senken. Informationen der Lungenärzte im Netz vom 25. Januar 2021, www.lungenaerzte-im-netz.de/news-archiv/meldung/article/einfaches-inhalieren-kann-die-ansteckungsgefahr-mit-coronaviren-deutlich-senken/25.01.2021
Machado RRG et al. Hypertonic saline solution inhibits SARS-CoV-2 in vitro assay. 2020 (pre-print), doi: https://doi.org/10.1101/2020.08.04.235549
Hypertonische Kochsalzlösung für COVID-19-Symptome. Inforamionen aus dem US-Register für klinische Studien, https://ichgcp.net/de/clinical-trials-registry/NCT04465604
Flüssigdesinfektionsmittel. Informationen der Treox Industry GmbH, https://treox.de/
Weitere Beiträge des Pandemie Spezials in DAZ 2021, Nr. 7
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