Arzneimittelsicherheit

Informationen über unerwünschte Wirkungen

AMK/ck | In der Rubrik „Wichtige Mitteilungen“ informiert die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) über Fälle, in denen die Arzneimittelsicherheit infrage gestellt oder gefährdet ist. Die Meldungen der Arzneimittelkommission umfassen Stufenplanmitteilungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), Rückrufe und Überprüfungen von Fertigarzneimitteln, wichtige Informationen über fragwürdige Arznei- oder Nahrungs­ergänzungsmittel und zur Arzneimittelsicherheit. Nachfolgend finden Sie eine Zusammenstellung der wichtigsten Hinweise aus dem vergangenen Jahr. Angegeben sind jeweils die Heftnummer, in der die Mitteilung veröffentlicht war, sowie die Seitenzahl.

Rote-Hand-Brief zu Tofacitinib

Der selektive Januskinase-Inhibitor (JAK-Hemmer) Tofacitinib (Xeljanz®) wird zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis und Psoriasis-Arthritis sowie der Colitis ulcerosa eingesetzt. Es gab Hinweise, dass ein Risiko für schwerwiegende kardio­vaskuläre Ereignisse und maligne Erkrankungen besteht: Vor allem bei älteren Patienten, die mindestens einen zusätzlichen kardiovaskulären Risikofaktor aufwiesen, wurde eine erhöhte Inzidenz von Myokardinfarkten unter Tofacitinib im Vergleich zu TNF-α-Inhibitoren beobachtet. Auch die Inzidenz von malignen Erkrankungen, insbesondere von Lungenkrebs und Lymphomen, mit Ausnahme von nichtmelanozytärem Hautkrebs (NMSC), war erhöht. Nach Abschluss des europäischen Bewertungsverfahrens wurden die Empfehlungen zum Einsatz des JAK-Inhibitors konkretisiert. Tofacitinib soll nur dann bei Patienten über 65 Jahren, bei Patienten, die gegenwärtig rauchen oder früher geraucht haben, bei Patienten mit anderen kardiovaskulären Risikofaktoren sowie bei Patienten mit anderen Risikofaktoren für maligne Erkrankungen eingesetzt werden, wenn keine geeigneten Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen. Zudem sollten mit den Patienten die Risiken, die mit der Anwendung des Arzneimittels verbunden sind, einschließlich des Risikos für Myokard­infarkt, Lungenkrebs und Lymphom, besprochen werden (DAZ 6, S. 110; DAZ 13, S. 95 und DAZ 26, S. 88).

Rote-Hand-Brief zu Donepezil

Donepezil ist als spezifischer und reversibler Hemmer der Acetylcholin­esterase zur symptomatischen Behandlung der leichten bis mittelschweren Alzheimer-Demenz indiziert. Acetylcholinesterasehemmer können durch Stimulation des Parasympathikus die Herzfrequenz verlangsamen. Als cholinerge Nebenwirkungen auf die Herzfrequenz wurden unter Donepezil bereits Fälle von QTc-Intervall-Verlängerung und Torsade-de-Pointes beobachtet. Im Dezember 2021 wurde in einem Rote-Hand-Brief noch einmal darauf hingewiesen, dass bei Risikofaktoren wie bestehender oder familiärer QTc-Intervall-Verlängerung, gleichzeitiger Einnahme von Arzneimitteln, die das QTc-Intervall beeinflussen, bestehender Herzerkrankungen oder Elektrolytstörungen das EKG überwacht werden sollte (DAZ 50, S. 84).

Foto: Evgeniy Kalinovskiy/AdobeStock

Eine EKG-Überwachung sollte in Betracht gezogen werden, wenn bei Patienten, die Donepezil nehmen, z. B. Herzerkrankungen bestehen oder gleichzeitig Arzneimitteln angewendet werden, die bekanntermaßen das QTc-Intervall beeinflussen.

Befristetes Ruhen der Zulassung von Ranitidin

Im Januar 2021 ordnete das BfArM vorläufig das Ruhen aller Zulassungen Ranitidin-haltiger Arzneimittel bis Januar 2023 an. Hintergrund sind Verunreinigungen mit N-Nitrosodime­thylamin (NDMA), die oberhalb der Konzentration lagen, die akzeptabel erscheint. Das NDMA in Ranitidin-haltigen Arzneimitteln ist nicht nur eine Verunreinigung, die sich während des Herstellungsprozesses bilden kann, sondern auch aufgrund des Abbaus von Ranitidin als Wirkstoff (Lesen Sie ausführlich zu den Verunreinigungen: H. Buschmann, F. Sörgel und U. Holzgrabe. „Nitrosamine all überall – Der Fall Ranitidin wirft viele neue Fragen auf und sorgt für große Verunsicherung“, DAZ 2019, Nr. 39, S. 52). Daher kann das Risiko einer endogenen Bildung von zusätzlichem NDMA nach der Anwendung von Ranitidin nicht ausgeschlossen werden. Auch wenn Daten aus epidemiologischen oder klinischen Studien kein erhöhtes Krebsrisiko beim Menschen nach der Anwendung von Ranitidin zeigen, kann ein theoretisches Risiko nicht ausgeschlossen werden. Der CHMP ist daher der Ansicht, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis für alle Ranitidin-haltigen Arzneimittel derzeit negativ ist. Die Maßnahme ist vorläufig be­fristet, da die Anordnung aufgehoben werden kann, wenn die Zulassungs­inhaber bestimmte Bedingungen erfüllt haben (DAZ 2, S. 90).

Ulipristalacetat: eingeschränkte Indikation

Die Zulassungsinhaber von Ulipristal­acetat 5 mg Tabletten informierten in einem Rote-Hand-Brief über die zusätzlich zu den bisherigen Maßnahmen weiter einzuschränkende Indikation von Ulipristalacetat bei der Behandlung von Gebärmuttermyomen zur Minimierung schwerer Leberschädigungen. Die Anwendung von 5 mg Ulipristalacetat gegen Gebärmuttermyome war im März 2020 vorsichtshalber ausgesetzt worden, die AMK hatte bereits über das Risiko einer arzneimittelinduzierten Leberschädigung sowie über das nachfolgend vom PRAC empfohlene befristete Ruhen entsprechender Zulassungen informiert. Das zweite EU-Risikobewertungsverfahren kam nun zu dem Schluss, dass zusätzlich zu den bisherigen Maßnahmen die Indikation von Ulipristalacetat 5 mg Tabletten weiter eingeschränkt werden sollte. Das Risiko einer schweren Leberschädigung rechtfertigt nicht die Anwendung zur präoperativen Behandlung von Gebärmuttermyomen. Ulipristalacetat 5 mg Tabletten dürfen nur noch angewendet werden für die Intervalltherapie mittlerer bis starker Symptome durch Gebärmuttermyome bei Frauen, die die Menopause noch nicht erreicht haben und bei denen eine Embolisation von Gebärmuttermyomen und ein chirurgischer Eingriff nicht geeignet sind oder fehlschlugen. Ulipristalacetat wird in einer 30-mg-Einzeldosis auch als Notfallkontrazeptivum eingesetzt, in dieser Indikation konnten keine bedenklichen Leberschäden festgestellt werden, die Einschränkungen gelten daher hier nicht (DAZ 5, S. 102).

Rote-Hand-Brief zu Venetoclax

Unter Venetoclax (Venclyxto®) kann bei der Behandlung erwachsener Patienten mit chronischer lymphatischer Leuk­ämie ein Tumorlysesyndrom (TLS) auftreten. Der selektive Inhibitor des B-Zell-Lymphom-2(BCL-2)-Proteins kann den Mechanismus der Apoptose in Krebszellen wiederherstellen, dadurch kann es zu einer raschen Verringerung der Tumorlast kommen, vor allem zu Beginn und während der Aufdosierungsphase. Folge können toxische Effekte sein, darunter Niereninsuffizienz, Herzrhythmusstörungen, Krampfanfälle und Tod. Um das Risiko zu minimieren, sollten vor der ersten Dosis von Venetoclax patientenspezifische Faktoren im Hinblick auf das TLS-Risiko beurteilt werden, darauf weist ein Rote-Hand-Brief hin. Dazu gehören Begleiterkrankungen, eingeschränkte Nierenfunktion, Tumorlast und Splenomegalie. Bei allen Patienten sind vor der ersten Dosis eine prophylaktische Flüssigkeitszufuhr sicherzustellen und harnsäuresenkende Arzneimittel anzuwenden. Mit einer Patientenkarte soll auf die Wichtigkeit der Hydratation und auf Symptome hingewiesen werden, die für die Patienten ein Warn­signal sein sollten (DAZ 23, S. 78).

Dapagliflozin nicht bei Diabetes mellitus Typ 1

Nicht mehr für Typ-1-Diabetiker Für Dapagliflozin 5 mg wurden Einschränkungen ausgesprochen.

Dapagliflozin (Forxiga®) ist ein selektiver und reversibler Inhibitor des Natrium-Glucose-Cotransporters-2 (SGLT-2), der Insulin-unabhängig wirkt. Da der Hersteller die Indikation zurückgezogen hat, ist Dapagliflozin 5 mg nicht mehr indiziert zur Behandlung von Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1. Hintergrund ist das häufige Auftreten diabetischer Ketoazidosen, eine bekannte Nebenwirkung von Dapagliflozin. In Studien mit Typ-1-Diabetikern wurden diabetische Ketoazidosen „häufig“ berichtet (bei mindestens 1 pro 100 Patienten). Der Wirkstoff sollte nur in Absprache mit einem auf die Diabetes-Behandlung spezialisierten Arzt abgesetzt werden. Dapagliflozin bleibt für Erwachsene zur Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2, symptomatischer chronischer Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion sowie chronischer Niereninsuffizienz zugelassen (DAZ 44, S. 90).

Schwere kutane Nebenwirkungen unter Atezolizumab

Der monoklonale Antikörper und Checkpoint-Inhibitor Atezolizumab (Tecentriq®) wird eingesetzt zur Mono- oder Kombinationstherapie diverser Karzinome, wie Urothelkarzinom, (nicht-)kleinzelligem Lungenkarzinom sowie hepatozellulärem Karzinom. Es gibt Hinweise, dass die Anwendung von Atezolizumab mög­licherweise mit schweren kutanen Nebenwirkungen in Verbindung steht, eine heterogene Gruppe von seltenen, immunologisch vermittelten Arznei­mittel­exanthemen, die tödlich verlaufen können. Meistens traten sie in Form von akut generalisiertem pustulösem Exanthem, Stevens-Johnson-Syndrom (SJS), toxischer epidermaler Nekrolyse (TEN) oder Arznei­mittel­exanthem mit Eosinophilie und systemischen Symptomen auf. Im Rahmen einer Analyse der Sicherheitsdatenbank des Herstellers wurden zu Atezolizumab 99 Fälle un­erwünschter Ereignisse identifiziert, von denen 36 Fälle dieser chronischen kutanen Reaktionen bestätigt wurden. In einem Rote-Hand-Brief informierte der Hersteller über die Empfehlung, Patienten während der Anwendung von Tecentriq® auf schwere Hautreaktionen hin zu überwachen und andere Ursachen auszuschließen (DAZ 13, S. 93).

Olaparib Hartkapseln nicht mehr am Markt

Zum Ende dieses Jahres wird Astra­Zeneca die Produktion der Olaparib 50 mg Hartkapseln (Lynparza®) einstellen, sechs Monate ist noch ein Abverkauf möglich. Weiterhin zur Verfügung stehen nur noch Lynparza® 100 mg bzw. 150 mg Filmtabletten. Olaparib ist ein Poly(ADP-ribose)-Polymerase(PARP)-Inhibitor, der zur Therapie von epithelialen Ovarial-, Eileiter- oder primären Peritonealkarzinomen und Mamma- und Prostatakarzinomen sowie Adenokarzinomen des Pankreas indiziert ist. Hartkapseln und Filmtabletten sind nicht bioäquivalent und daher nicht 1 : 1 austauschbar. Der Hersteller weist darauf hin, dass die unterschiedlichen Dosierungsempfehlungen beachtet werden müssen, da sonst die Gefahr einer Überdosierung besteht. Abgesehen von der vergleichsweise höheren Dosierung war bei den Hartkapseln auch die Lagerung zwischen 2 bis 8 °C von Nachteil. Bei den Filmtabletten, die in Deutschland bereits fast ausschließlich verordnet werden, sind bezüglich der Temperatur keine besonderen Lagerungsbedingungen erforderlich (DAZ 26, S. 98).

Chargen von Vareniclin mit Nitros­amin verunreinigt

Die Pfizer Pharma GmbH musste Chargen von Vareniclin (Champix®) zurückrufen, da Verunreinigungen mit dem potenziell kanzerogenen Nitros­amin N-Nitroso-Vareniclin oberhalb der akzeptierten Grenzwerte festgestellt wurden. Der weitere Vertrieb des Arzneimittels pausiert, bis weitere Untersuchungen durchgeführt werden. Der Hersteller betont, dass bislang kein unmittelbares Risiko für Patienten bestehe. Vareniclin ist ein partieller Agonist an neuronalen Nicotin-Rezeptoren und zur Raucherentwöhnung bei Erwachsenen indiziert (DAZ 29, S. 82; DAZ 40, S. 97).

Keine kindergesicherten Verpackungen mehr

Foto: New Africa/AdobeStock

Arzneimittel müssen außerhalb der Reich- und Sichtweite von Kindern aufbewahrt werden, so dass sie gar nicht erst Zugriff dazu haben.

Nachdem Ende 2020 das BfArM frühere Anordnungen zu kindergesicherten Verpackungen von Fertigarzneimitteln aus den 1980er-Jahren aufgehoben hatte, informierte die AMK Anfang 2021 über einheitliche Warnhinweise für Kinder auf Arzneimitteln. Bis dahin waren Zulassungsinhaber bei mehreren Hundert Wirkstoffen verpflichtet, entsprechende Arznei­mittel nur in kindergesicherter Ver­packung in den Verkehr zu bringen. So sollte „die Gefahr des Missbrauchs durch Kinder“ verhindert werden. Das führte dazu, dass sich identisch zusammengesetzte Arzneimittel in verschiedenen Primärpackmitteln am Markt befanden. Im Rahmen der Harmonisierung europäischer Verfahren zur Arzneimittelzulassung wurde diese Anforderung aufgehoben. Im Sinne des vorbeugenden Gesundheitsschutzes werden zukünftig Arzneimittel in der EU harmonisiert nur noch mit dem Hinweis versehen, dass „Arzneimittel außerhalb der Reich- und Sichtweite von Kindern aufzubewahren sind“. Sollten die Maßnahmen bei einem konkreten Arzneimittel nicht ausreichen, um Schaden von Kindern abzuwenden, können Auflagen für eine kindergesicherte Verpackung angeordnet werden (DAZ 6, S. 108).

Risiko venöser Thromboembolien von hormonalen Kontrazeptiva

Das Risiko einer tiefen Venenthrom­bose bzw. Lungenembolie bei Patientinnen unter verschiedenen kombinierten hormonalen Kontrazeptiva wurde in zahlreichen Studien untersucht. Die Kontrazeptiva unterscheiden sich hinsichtlich des VTE-Risikos voneinander. Präparate, die Levo­norgestrel, Norethisteron oder Nor­gestimat enthalten, sind mit dem geringsten Risiko venöser Thromboembolien verbunden. Bei jeder Verordnung von kombinierten hormonalen Kontrazeptiva sollten die unterschiedlichen VTE-Risiken der einzelnen KHK berücksichtigt und insbesondere solche mit dem niedrigsten VTE-Risiko verordnet werden. Ergänzendes Schulungsmaterial (eine Checkliste und eine Informationskarte für Patientinnen) soll nun das Risiko minimieren helfen. Beide Dokumente sind für alle KHK mit noch unbekanntem Risiko oder einem erhöhten Risiko verpflichtender Teil der Zulassung und können z. B. ausgedruckt bei den Zulassungsinhabern der entsprechenden Arzneimittel angefordert werden (DAZ 40, S. 101).

Risiko intraokulärer Entzündung unter Brolucizumab

Der humanisierte monoklonale Antikörper Brolucizumab (Beovu®) ist ein Inhibitor des Vascular Endothelial Growth Factor A (VEGF-A), der zur Behandlung der neovaskulären (feuchten) altersbedingten Makuladegeneration (AMD) eingesetzt wird. Es gibt Hinweise auf einen kausalen Zusammenhang zwischen einer behandlungsbedingten Immunreaktion gegen Brolucizumab und intraokulären Entzündungen einschließlich retinaler Vaskulitis und/oder retinalem Gefäßverschluss. Diese können zu jedem Zeitpunkt, häufiger aber zu Beginn einer Behandlung mit Brolucizumab auftreten. Patienten sollten für Anzeichen und Symptome wie Sehverschlechterung, Schmerzen, Rötung, Lichtsensitivität, vermehrter Tränenfluss, Gesichtsfelddefekte oder Mouches volantes sensibilisiert werden, um diese während der Gesamtzeit der Behandlung erkennen zu können, und bei Verdacht auf diese Nebenwirkungen unverzüglich einen Arzt auf­suchen (DAZ 45, S. 110).

Atropin in homöopathischen Rezepturen: Risiko einer Intoxikation

Die AMK berichtete über den Verdacht einer Atropin-Intoxikation nach der Einnahme einer homöopathischen Rezeptur. Die Patienten berichteten über Geschmacks- und Sehstörungen, Unwohlsein, Schwindel, einen trockenen Mund sowie Benommenheit. Die homöopathische Rezeptur wurde auf Verordnung einer Heilpraktikerin in einer Apotheke hergestellt. Verwendet wurde dabei eine vom Hersteller ge­lieferte Atropinum-sulfuricum-D4-Dilution, die im Verhältnis 1 : 10 (M/M) patientenindividuell mit drei anderen, gebrauchsfertigen Homöopathika gemischt wurde. Aufgrund der Symptomatik hatte die Apotheke den Verdacht eines Qualitätsmangels der bestellten Atropin-haltigen D4-Dilution und nahm Kontakt mit der Firma auf. Diese betonte, dass ihr Produkt von einwandfreier Qualität sei. Am Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL e. V.) wurden die drei eingenommenen Rezepturen bezüglich des Atropinsulfat-Gehalts mit einer semiquantitativen HPLC-UV-MS-Methode untersucht: Der Atropin-Gehalt war in allen untersuchten Lösungen um bis zu Faktor 800 zu hoch. Der Verdacht, dass es bei der Herstellung in der Apotheke zu Gehaltsabweichungen gekommen war, konnte ausgeräumt werden, zumal der letzte Schritt zur Herstellung der gebrauchsfertigen Lösung nachweislich korrekt war. Die AMK forderte die Firma erneut auf, den Sachverhalt aufzuklären. Vom Hersteller der verwendeten Atropinum-sulfuricum-D4-Dilution wurde firmenseitig eine Verwechslung der D4-Dilution mit der Urtinktur festgestellt. Da die Flasche fehlerhaft deklariert war, wurde in der Apotheke somit anstelle der D4-Dilution die Urtinktur zur Herstellung der Rezepturen verwendet. Die AMK empfiehlt Apothekern, die Atropin-haltige Homöopa­thika beziehen und weiterverarbeiten, sich im Sinne des vorbeugenden Patientenschutzes den Atropin-Gehalt von der Firma durch Analysenzerti­fikate bestätigen zu lassen (DAZ 25, S. 101).

Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht

Am 26. Januar 2021 fand die 83. Sitzung des Sachverständigenausschusses für Verschreibungspflicht statt und stimmte über die Anträge zur Änderung der Verschreibungspflicht ab:

  • Der Antrag, lösliche Fluoride aus der Verschreibungspflicht für feste orale Zubereitungen zur Osteoporosebehandlung zu entlassen, wurde einstimmig abgelehnt.
  • Der Antrag, das Polypeptid-Antibiotikum Tyrothricin zur Behandlung von Erkrankungen im Mund- und Rachenraum der Verschreibungspflicht zu unterstellen, wurde einstimmig abgelehnt.
  • Für Bilastin, ein Antihistaminikum der zweiten Generation, wurde einstimmig die Entlassung aus der Verschreibungspflicht empfohlen. Zukünftig könnten feste Zuberei­tungen zur oralen Anwendung in Konzentrationen von 20 mg je abgeteilter Form von der Verschreibungspflicht ausgenommen werden, sofern auf Behältnissen und äußeren Umhüllungen eine Beschränkung der Anwendung auf Erwachsene und Jugendliche ab zwölf Jahren angegeben ist.
  • Die sedativ wirkenden Antihistaminika Diphenhydramin und Doxyl­amin zur Behandlung von Schlafstörungen bei Erwachsenen über 65 Jahre unter die Verschreibungspflicht zu stellen, wurde einstimmig abgelehnt (DAZ 5, S. 103).

Am 13. Juli 2021 fand die 84. Sitzung des Sachverständigenausschusses für Verschreibungspflicht statt.

  • Der Antrag, kombinierte Zubereitungen aus Ibuprofen und Paracet­amol zur oralen Anwendung – mit bestimmten Beschränkungen – aus der Verschreibungspflicht zu entlassen, wurde mehrheitlich angenommen.
  • Die Empfehlung, das nichtopioide Antitussivum Levodropropizin zur oralen Anwendung – mit bestimmten Beschränkungen – aus der Verschreibungspflicht zu entlassen, wurde einstimmig angenommen.
  • Der Antrag, Dexibuprofen, das rechtsdrehende und pharmakologisch aktive Enantiomer von Ibu­profen, zur oralen Anwendung – mit bestimmten Beschränkungen – aus der Verschreibungspflicht zu entlassen, wurde mehrheitlich angenommen.

Wenn der Verordnungsgeber den Voten des Ausschusses folgt, können die Änderungen der AMVV voraussichtlich frühestens zum 1. Januar 2022 (eventuell mit Übergangsfristen) in Kraft treten (DAZ 29, S. 84). |

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