Pandemie Spezial

80.000 Dosen Molnupiravir

Bundesregierung hat bestellt, Zulassung des Virustatikums steht noch aus

Das orale Virustatikum Molnupiravir wurde zwischenzeitlich schon als Gamechanger in der COVID-19-Pandemie gehandelt. 80.000 Dosen Molnupiravir hat die Bundesregierung bestellt, doch die Wirksamkeit von Molnupiravir scheint nicht so gut wie zunächst berichtet. | cel

50% weniger Krankenhauseinweisungen und Tod: Mit diesen Zwischenergebnissen der MOVe-OUT-Studie hatte MSD Anfang Oktober die Hoffnung auf ein äußerst wirksames – und vor allem orales – Arzneimittel gegen COVID-19 geschürt. Es geht um Molnupiravir, das die EMA mittlerweile im Rolling-Review-Verfahren prüft und für das die Europäische Arzneimittelagentur bereits eine wissenschaftliche Einschätzung zur Anwendung noch vor EU-Marktzulassung abgegeben hat. Die Bundesrepublik hat bereits 80.000 Dosen bestellt, die ab Dezember eintreffen sollen. In Großbritannien ist Molnupiravir bereits unter dem Fertigarzneimittelnamen Lagevrio® zugelassen. Nun gibt es neue Daten, welche die Euphorie aus dem Oktober allerdings etwas dämpfen – die Wirksamkeit von Molnupiravir liegt nun statt bei 50% bei lediglich 30%.

Fünf Tage, zweimal 800 mg/d

Laut einer Mitteilung von MSD ver­ringerte Molnupiravir – nach Auswertung aller 1433 in MOVe-OUT eingeschlossenen Patienten – das Risiko für Krankenhauseinweisung und Tod von 9,7% in der Placebogruppe (68 von 699 Patienten) auf 6,8% in der Molnupiravir-Gruppe (48 von 709 Patienten). Die Gabe von Molnupiravir bei nicht hospitalisierten COVID-19-Patienten (leicht bis mittelschwer erkrankt, mindestens ein Risikofaktor für einen schweren Verlauf) verringerte bei den Erkrankten damit ihr absolutes Risiko, ins Krankenhaus zu kommen oder zu sterben um 3%, die relative Risikoreduktion lag bei 30%. Während in der Placebogruppe jedoch neun COVID-19-­Patienten verstarben, gab es in der Molnupiravir-Gruppe nur einen Todesfall. Alle Patienten waren zuvor laborbestätigt SARS-CoV-2-positiv getestet worden und hatten innerhalb von fünf Tagen eine Therapie mit zweimal täglich Molnupiravir (800 mg) oder Placebo begonnen, die sie über fünf Tage fortführten. Ausgewertet wurde nach 29 Tagen.

Wie wirkt Molnupiravir?

Molnupiravir zählt zu den Virustatika und hemmt die Vermehrung von RNA-Viren. Es ähnelt der Nukleinbase Cytosin und wird so als „falscher“ Baustein in die neue RNA der Virus-Nachkommen eingebaut. Letztendlich schleust Molnupiravir, während sich das Virus vermehrt, Fehler in dessen Genom ein, die die Replikation des Virus stören. Molnupiravir ist in Forscherkreisen auch bekannt als EIDD-2801 und wurde schon als Wirkstoff bei Grippe untersucht, wohl aber noch nicht klinisch.

Positivere Zwischenergebnisse

Anfang Oktober stimmten die Ergebnisse optimistischer, damals war für die Zwischenanalyse allerdings nur etwa die Hälfte der Studienteilnehmer (n = 762) ausgewertet worden: 7,3% (28/385) der COVID-19-Patienten mussten den damaligen Ergebnissen zufolge im Krankenhaus behandelt werden, in der Placebogruppe waren es 14,1% (53/377). Auch war zu diesem Zeitpunkt noch kein COVID-19-Patient unter Molnupiravir verstorben, in der Placebogruppe war es bereits zu acht Todesfällen gekommen. Aufgrund dieser positiven Daten hatte MSD damals auf Empfehlung des externen Datenüberwachungskomitees und Zustimmung der FDA die Aufnahme weiterer Studienteilnehmer in MOVe-OUT eingestellt.

Mutanten-fördernd? Mutagen?

Hinsichtlich der Nebenwirkungen hat sich laut MSD von der früheren Zwischenanalyse zur abschließenden Studienauswertung nichts geändert: Das Profil der Nebenwirkungen sei konsistent geblieben. Dass es durchaus kritische Nebenwirkungen geben könnte, geht aus dem „FDA Briefing Document“ vom 30. November 2021 hervor, welches für die Zulassungs­entscheidung zu Molnupiravir in den Vereinigten Staaten mit herangezogen wird. Das Dokument fasst die Gesamtergebnisse und die Ergebnisse von Untergruppen aus der Phase II/III der klinischen Studie zu Molnupiravir (Stand der Zwischenergebnisse) sowie die bekannten und potenziellen Risiken des antiviralen Arzneimittels zusammen, insbesondere auch nicht klinische Befunde zur Mutagenität, zur embryofetalen Toxizität, Daten zu einem beeinträchtigten Knochen- und Knorpelwachstum durch Molnupiravir sowie dessen Potenzial, die Rate an Mutationen im Spikeprotein zu erhöhen und das Entstehen von Virusvarianten zu begünstigen. Aus diesem Grund wird die FDA ein besonderes Augenmerk darauf legen, welche Patienten am meisten von Molnupiravir profitieren können und für welche das Nutzen-Risiko-Verhältnis vertretbar ist. |
 

Literatur

Efficacy and Safety of Molnupiravir (MK-4482) in Non-Hospitalized Adult Participants With COVID-19 (MK-4482-002) https://clinicaltrials.gov

FDA Briefing Document Antimicrobial Drugs Advisory Committee Meeting 30. November 2021

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