Pandemie Spezial

Sinusvenenthrombosen besser im Griff

Geringere Sterblichkeit nach Impfnebenwirkung

Zerebrale Venen- und Sinusthrombosen in Kombination mit einer Thrombozytopenie nach einer SARS-CoV-2-Impfung veranlasste eine internationale Arbeitsgruppe, sich näher mit den klinischen Charakteristika und dem Krankheitsverlauf der Betroffenen zu befassen. Die gute Nachricht: Dank besserer Kenntnis der zugrunde liegenden Pathophysiologie konnte die Sterblichkeit gesenkt werden.

In sehr seltenen Fällen kommt es innerhalb von vier bis 28 Tagen nach der Immunisierung mit SARS-CoV-2-Vektor-Impfstoffen von AstraZeneca und Janssen/Johnson & Johnson zu ­Sinusvenenthrombosen (CVST), teilweise in Kombination mit einem Thrombose-Thrombozytopenie-Syndrom (TTS). Als dieses Phänomen neu entdeckt wurde, fielen zunächst die hohen Mortalitätsraten auf. Eine internationale Studie ging nun der Frage nach, welche Eigenschaften und welche Sterblichkeit verschiedene Subgruppen aufwiesen, die nach der Impfung mit den genannten beiden Impfstoffen eine Sinusvenenthrombose ­erlitten. Die multizentrische und multinationale Kohortenstudie (81 Krankenhäuser, 19 Länder) griff auf Daten eines internationalen Registers zurück, in dem die Angaben von Patienten aufgeführt sind, die innerhalb von 28 Tagen nach einer SARS-CoV-2-Impfung eine Sinusvenenthrombose entwickelt hatten. Als Referenzgruppe dienten die Daten von Sinusvenenthrombose-Patienten aus der Zeit ­zwischen 2015 und 2018, also vor der Pandemie. Festgehalten wurden klinische ­Charakteristika und Mortalitätsraten von erwachsenen Patienten aus drei Gruppen:

  • TTS-Gruppe: Sinusvenenthrombose und Thrombose mit Thrombozyto­penie-Syndrom nach einer SARS-CoV-2-Impfung
  • Non-TTS-Gruppe: Sinusvenen­thrombose nach einer SARS-CoV-2-Impfung ohne die vollständigen Kriterien einer Thrombose mit Thrombozytopenie-Syndrom
  • Vergleichsgruppe: Sinusvenenthrombose ohne Bezug auf eine SARS-CoV-2-Impfung

Insgesamt konnten weltweit 116 Fälle von Sinusvenenthrombosen nach einer SARS-CoV-2-Impfung analysiert werden. 78 Personen erkrankten usätzlich an einem Thrombozytopenie-­Syndrom. Davon hatten 76 die Vakzine von AstraZeneca erhalten. Als Vergleichsgruppe dienten 207 Personen, die vor der Pandemie eine Sinusvenenthrombose ohne Impfung erlitten hatten.

Glossar

CVST (cerebral venous sinus thrombosis): Bei der zerebralen Sinus- oder Venenthrombose kommt es in absteigender Häufigkeit zu Thrombosen im Sinus sagittalis superior und transversus, dem Sinus rectus, den inneren Hirnvenen oder isoliert in den kortikalen Venen oder Brückenvenen. Leitsymptome sind anhaltende Kopfschmerzen und andere neurologische Symptome wie halbseitige Lähmungen und / oder Gefühlsstörungen, Sprachstörungen oder epileptische Anfälle. Kleine, punktförmige Einblutungen (Petechien) in die Haut, vor allem an Extremitäten, können zudem auf eine Thrombozytopenie hindeuten, was bei einem Teil der Fälle mit Sinusvenenthrombose beobachtet wurde.

TTS: Thrombose mit Thrombozytopenie-Syndrom (Synonym: Impfstoff-induzierte immune thrombotische Thrombozytopenie), die auf der Entwicklung einer immunbedingten Thrombozytopenie beruht. Diese wird durch aktivierte Antikörper gegen PF4 (Plättchenfaktor 4) vermittelt und führt zur Plättchenaktivierung und Aggregation. TTS ähnelt im klinischen Erscheinungsbild einer durch Heparin ausgelösten autoimmunbedingten Thrombozytopenie.

Deutliche Unterschiede

Die TTS-Gruppe unterschied sich deutlich von der Non-TTS- und der Kontrollgruppe: Die Patienten der TTS-Gruppe waren häufig komatös bei ihrer Aufnahme ins Krankenhaus (24%), wiesen Hirnblutungen (68%) und begleitende Thrombosen (36%) auf. Zum Vergleich: Eine begleitende Thromboembolie trat nur bei 6% der Patienten in der Non-TTS-Gruppe und bei 4,9% in der Kontrollgruppe auf. Die Sterberaten während der Hospitalisierung lagen in der TTS-Gruppe bei 47%, in der Non-TTS-Gruppe bei 5% und in der Kontrollgruppe bei 3,9%.

Nachdem der Pathomechanismus des Thrombose-Thrombozytopenie-Syndroms aufgeklärt worden war, sank die Mortalität betroffener Patienten. Die aktuelle Studie stellte fest, dass im Verlauf der letzten Jahre und aufgrund entsprechender Therapien wie etwa hoch dosierter Immunglobuline die Sterblichkeit nach Hirnvenenthrom­bose und begleitendem Thrombose-Thrombozytopenie-Syndrom von 61% auf 42% gefallen war. |

Literatur

Sánchez van Kammen M et al. Characteristics and Outcomes of Patients With Cerebral Venous Sinus Thrombosis in SARS-CoV-2 Vaccine–Induced Immune Thrombotic Thrombocytopenia. JAMA Neurol 2021. doi:10.1001/jamaneurol.2021.3619

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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