Die Seite 3

Neue Fragen – neue Möglichkeiten

Dr. Thomas Müller-Bohn, DAZ-Redakteur

In den Apotheken und wohl noch mehr rund um sie herum warten alle wirtschaftlich Interessierten auf das E-Rezept und seine Folgen. Doch auch die Abrechnung wird sich mit dem E-Rezept ändern. Das wirft neue Fragen auf und bietet neue Möglichkeiten. Anders als beim Patientenzugang ist die Gematik dafür nicht zuständig. Da E-Rezepte außerhalb der Telematik­infrastruktur abgerechnet werden, gibt es dazu kaum staatliche Regeln. Statt auf die nächste Verordnung warten die Akteure auf die ersten Erfahrungen. Eine Analyse in diesem Heft untersucht, welche technischen Voraussetzungen dabei zu beachten sind und welche wirtschaftlichen Folgen sich daraus ergeben können (siehe Seite 18). Demnach kann das E-Rezept zu neuen Strukturen führen, muss es aber nicht. Entscheidend ist die Frage, was wirtschaftlich nützlich ist. Dabei steht die Idee der Direktabrechnung im Mittelpunkt: Wenn die papiergebundenen Arbeitsschritte wegfallen, erscheint es viel eher möglich, dass Apotheken ihre Rezepte direkt bei den Krankenkassen einreichen. Diese Idee wurde kurz nach der AvP-Insolvenz im Kreis der betroffenen Apotheken geboren. Wenn kein Rechenzentrum zwischen Kranken­kassen und Apotheken steht, kann das Geld auf diesem Weg nicht verloren gehen. Das im Fall AvP entscheidende Risiko hätte es in einer solchen Welt nicht gegeben. Kein anderes Sicherheits­instrument könnte rigoroser sein und mehr Schutz versprechen. Das erklärt die Faszination für diesen Ansatz. Doch ganz ohne weitere Dienstleister wäre auch diese Idee nicht umzusetzen, sodass damit weitere wirtschaftliche Interessen verbunden sind. Einblicke dazu bietet ein Interview mit dem Geschäftsführer der Firma Scanacs (siehe Seite 22). Angesichts dieser Herausforderungen betonen die Rechenzentren, dass sie weit mehr tun als nur abzurechnen. Darum geht es im Gastkommentar von Michael Dörr, dem Vorstand der neuen ARZsoftware eG, die IT für mittelständische Apothekenrechenzentren programmiert (siehe Seite 24). Er sieht die Rechenzentren als „Kümmerer“, die die Grenzen der Abrechnungsmöglichkeiten ausloten. Wie wichtig diese Aufgabe künftig bleiben wird, hängt davon ab, wie viel Raum für Auslegungen und formale Fehler das E-Rezept lassen wird. Standespolitiker der Apothekerverbände propagieren das E-Rezept als Chance, diese Formalitäten loszuwerden – und damit auch das leidige Retaxrisiko. Allerdings betreiben diese Verbände auch Rechenzentren, die versuchen, dieses Risiko zu begrenzen und deren Wert unter anderem in dieser Leistung liegt. Vielleicht werden die Rechenzentren auch mit ganz neuen Leistungen aufwarten. Die Anbieter positionieren sich erst. Anders als bei den vielen Fragen zum Patientenzugang sind die Apotheken hier in der komfortablen Rolle der umworbenen Kunden in einem freien Markt. Das erweitert die Chancen, birgt aber auch Risiken, wie der Fall AvP schmerzlich gezeigt hat.

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