Die Seite 3

Hoffen auf bessere Zeiten

Dr. Thomas Müller-Bohn, DAZ-Redakteur

In der vorigen Woche fand die Interpharm zum zweiten Mal online statt und hat Ihnen spannende pharmazeutische Fortbildung direkt in die Apotheke oder an den heimischen Schreibtisch gebracht (siehe S. 46). Der ApothekenRechtTag erzielte sogar einen Teilnehmerrekord. Das zeigt: Interpharm geht auch online sehr gut. Dennoch hoffe ich für uns alle bald auf mehr Normalität. Für einige ist die Welt schon seit dem vorigen Sonntag ein wichtiges Stück normaler geworden. Für vollständig Geimpfte entfallen Ausgangssperren und Kontaktbeschränkungen. Doch damit trifft die Pharmazie erneut auf das Regelwerk der Pandemiebekämpfung, und es drohen Reibungsprobleme. Denn Arzneimittelzulassungen sind nicht als Grundlage für die Gültigkeit von Grundrechten ausgelegt. Mit zwei AstraZeneca-Impfungen im zugelassenen Mindestabstand von vier Wochen können Geimpfte nun einen großen Teil ihrer Grundrechte wiedererlangen, verzichten dann aber gemäß Studienlage darauf, mit acht bis zwölf Wochen Abstand den bestmöglichen Schutz aus den Impfungen zu erhalten. Damit hat die Bundesregierung einen problematischen Fehlanreiz gesetzt. Zudem sind die Ärzte vom schwierigen Umgang mit manchen Impfwilligen genervt. Noch problematischer erscheint der Vergleich mit einer einzelnen Impfung mit der Vakzine von Johnson & Johnson. Dieser Hersteller hatte seine unternehmerische Strategie auf eine Einzeldosis ausgerichtet, und der Mut wurde belohnt. Doch dahinter steht keine andere Pharmazie. Die Hersteller nutzen verschiedene Vektoren, aber die Einzeldosis unterscheidet sich nicht grundlegend von einer Einzeldosis bei AstraZeneca. Die Schutzwirkungen sind offenbar vergleichbar, aber formal ist die Impfung von Johnson & Johnson nach einer Dosis abgeschlossen. Vor diesem Hintergrund brachte Prof. Dr. Leif-Erik Sander bei der Interpharm ins Gespräch, den begehrten Impfnachweis auch bei AstraZeneca schon bald nach der ersten Impfung zu gewähren. Dass die zweite Impfung auch der Verlängerung des Impfschutzes dient, sehe ich als weiteres Argument. Doch es gibt auch Berichte über Infektionen nach der ersten Impfung. So zeigt sich wieder einmal, dass die individuelle Vielfalt in der Medizin keine gute Grundlage für zwingendes Recht ist, ebenso wenig wie irgendwelche willkürlich gewählten epidemiologischen Kennzahlen dafür taugen. Geimpfte müssen ihre Grundrechte wahrnehmen können, aber dieser individuelle Aspekt darf nicht vom Weg für die ganze Gesellschaft ablenken. Es bleibt zu fragen, wie lange diese Phase dauern kann. Wie relevant ist der formale Impfnachweis überhaupt für heutige Impfkandidaten, die in zwölf Wochen ihre Zweitimpfung planen? Wenn die Impfungen so gut schützen wie erwartet und wenn die angekündigten Liefermengen in den nächsten Monaten wirklich ankommen, sollte die Inzidenz im August so niedrig sein, dass die wesentlichen Einschränkungen der Grundrechte ohnehin nicht mehr zu begründen wären. Oder traut die Regierung den eigenen Prognosen der Liefermengen nicht? Ich gebe diese Hoffnung jedenfalls nicht auf und hoffe auch darauf, dass die nächste Interpharm uns wieder persönlich in den Vortrags­sälen und zum geselligen Austausch zusammenführt. Denn so gut die Interpharm online auch war – gemeinsam mit Ihnen ist es doch viel schöner.

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