Arzneimittel und Therapie

Vigantol® Öl-Geschmack irritiert

Vermehrt Spontanberichte zu Vitamin-D-Tropfen

dm/mab | Insgesamt 41 Meldungen aus Apotheken erreichten seit 2019 die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) zu fremdartigem Geschmack von Vigantol® (Colecalciferol) Öl 20.000 I.E./ml Tropfen zum Einnehmen – in neun Fällen trat zusätzlich eine Nebenwirkung auf. Was steckt dahinter?

Metallisch, chemisch, verdorben, pilzartig oder bitter – so wurde bis Anfang Dezember 2020 in 41 AMK-Meldungen ein fremdartiger Geschmack bei Vigantol® (Colecalciferol) Öl 20.000 I.E./ml Tropfen zum Einnehmen beschrieben. In neun Fällen, die laut AMK alle weibliche Patienten im Alter zwischen drei und 72 Jahren (Median: 49 Jahre) waren, traten zusätzlich Nebenwirkungen wie Husten, Sodbrennen, Brechreiz, Durchfall und Fieber auf. Allerdings scheinen die Nebenwirkungen laut AMK eher auf eine erhöhte Dosierung als auf den Geschmack zurückzuführen zu sein: „Die Dosierung des Vitamin-D-Öls liegt in der Regel bei einem bis zwei Tropfen pro Tag. Bei den Meldungen, die eine UAW im Zusammenhang mit einem veränderten Geschmack berichteten, wurden in sieben Fällen höhere (Einzel-)Dosierungen berichtet; in einem Fall nahm die Patientin alle 14 Tage 30 Tropfen auf einmal ein.

Arzneimittel und Colecalciferol können auch selbst, insbesondere bei einer Überdosierung, eine metallische „Phantogeusie“ – die Wahrnehmung eines metallischen Geschmacks ohne Vorliegen eines Metalls – auslösen. Die Wahrnehmung des Geschmacks ist zudem ein individueller Prozess, der durch das Alter (z. B. bitter/süß bei Kindern), Erfahrungswerte sowie durch die genetische Disposition der Geschmacksknospen beeinflusst wird. Zwischen 2013 und 2018 hatte die AMK jährlich ein bis drei Meldungen zu Vigantol® Öl bekommen. Seit 2019 stieg die Rate jedoch stark an: Bis Anfang Dezember 2020 erreichten die Kommission insgesamt 59 Meldungen. Hinter den vermehrten Berichten der Apotheken über einen veränderten Geschmack kann daher durchaus ein Qualitätsmangel stecken.

ZL findet keine Auffälligkeiten

Laboranalytische Untersuchungen durch das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker e. V. (ZL) konnten jedoch an Mustern von drei der sieben an die AMK berichteten Chargen keine Auffälligkeiten finden: „Die Ergebnisse entsprachen den Vorgaben der Arzneibuchmonografie für MCT (mittelkettige Triglyceride). Es wurden keine Auffälligkeiten hinsichtlich der Säurezahl, Peroxidzahl oder der Anwesenheit von Metallelementen gefunden. Vorgaben zum Geschmack sind im Arzneibuch weder zu MCT noch zu Colecalciferol vorhanden.“ Mittelkettige Triglyceride bestehen aus Triglyceriden gesättigter Fettsäuren (hauptsächlich Caprylsäure und Caprinsäure) und sind Hauptbestandteil des Vigantol® Öls.

Aldehyd- und Ketonspuren

Fette werden nicht mit dem Geschmackssinn wahrgenommen, sondern aufgrund ihrer Eigenschaft, die Textur und den Geruch von Lebensmitteln zu beeinflussen. Wird also „Fettgeschmack“ beschrieben, muss dies auf andere Bestandteile als auf das Triglycerid zurückgeführt werden (z. B. freie Fettsäuren). Der Hersteller be­stätigte schließlich einen veränderten Geschmack im Endprodukt gegenüber der AMK. Nach internen Prüfungen sind Spuren (geschätzt ≤ 1 ppm) von Ketonen und Aldehyden in den mittelkettigen Triglyceriden gefunden worden. Jedoch sind alle bislang nachgewiesenen Verbindungen bekannte Geschmacks- und Duftstoffe in Lebensmitteln. „Die Menge an gefundenen Stoffen wurde von externen Stellen als unbedenklich beurteilt“, geht aus der Korrespondenz vom 4. November zwischen AMK und der P&G Health Germany GmbH hervor. Die Produktionslinien wurden vom Hersteller dennoch auf ein neues MCT umgestellt. Die neue Ware ist seit August 2020 auf dem Markt erhältlich, ältere Chargen wurden nicht zurückgerufen.

Schlecht schmeckende Arzneimittel regelmäßig gemeldet

Die AMK erreichen regelmäßig Meldungen zu schlecht schmeckenden Arzneimitteln, zum Beispiel zu Metformin. Dort sind Geschmacksveränderungen laut Fachinfo eine häufige Nebenwirkung. Wie in der DAZ 2002, Nr. 29, S. 37 nachzulesen war, kommt es vor allem am Anfang der Metformin-Einnahme zu metallischem Geschmack, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall, was durch eine erhöhte Serotoninfreisetzung im Darm und einen Konzentrationsanstieg von Gallensalzen hervorgerufen wird. Eine einschleichende Dosierung und die Einnahme direkt nach einer Mahlzeit können die Nebenwirkungen aber minimieren. Apotheker sollten Patienten, die über einen veränderten Geschmack ihrer Arzneimittel berichten, zur Art der Einnahme befragen „z. B. Zerbeißen oder Öffnen von Kapseln“. Einen ungewöhnlichen Geschmack sollte man bevorzugt mit dem Formular unter www.arzneimittelkommission.de melden, bei dem auch Mundtrockenheit oder Reflux, die den Geschmackssinn beeinflussen können, abgefragt werden. |

Literatur

Fremdartiger Geschmack von Vigantol®(Colecalciferol) Öl 20.000 I.E./ml Tropfen, AMK-Meldung 50/20, 07. Dezember 2020

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