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Pandemie Spezial

Vitamin D im Kontext von COVID-19

Was über die Bedeutung für Prävention und Verlauf gesichert ist

Im Laufe der Corona-Pandemie wurde schnell deutlich, dass ernährungsmitbedingte Erkrankungen wie Adipositas, Hypertonie, Diabetes mellitus Typ 2 und das metabolische Syndrom relevante Risikofaktoren für schwere Krankheitsverläufe und erhöhte Mortalität sind [1]. Entsprechend berechtigt ist der ernährungsmedizinisch begründete Hinweis, dass sich die COVID-19-Krankheitslast durch Maßnahmen der Ernährungsprävention vermutlich erheblich reduzieren ließe. Im Kontext dieser potenziell modifizierbaren Risikofaktoren rückte schnell auch Vitamin D in den Fokus [2, 3].  |  Von Martin Smollich

Die ersten diesbezüglichen Empfehlungen stammten nicht von Wissenschaftlern oder Gesundheitsorganisationen, sondern von Bloggern und Influencern, die ihren Followern über verschiedene Social-Media-Kanäle Vitamin D zur Prävention von Infektionen mit SARS-CoV-2 empfahlen [4, 5].

Angesichts der physiologischen Bedeutung von Vitamin D für das Immunsystem und des ökonomischen Potenzials war das wenig überraschend; die Tatsache, dass es bisher weder einen Impfstoff noch eine etablierte Pharmakotherapie von COVID-19 gibt, tat ihr Übriges. Gleiches gilt für das psychologisch verständliche Bedürfnis vieler Menschen im Angesicht einer als besonders bedrohlich empfundenen Pandemie, der man vermeintlich hilflos ausgeliefert ist, selbst das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen und sich gegen die Bedrohung zu wappnen. Doch Empfehlungen zur Supplementation mit Mikronährstoffen sollten sowohl auf Public-Health-Ebene als auch im individuellen Patientengespräch wissenschaftlich fundiert und evidenzbasiert sein [6]. Deshalb muss ein Blick auf Hypothesen, die dazu verfügbare Studienlage und deren Limitationen geworfen werden.

Pathophysiologische Hinweise

Die physiologische Relevanz von Vitamin D für ein funktionierendes Immunsystem ist detailliert erforscht und unstrittig [9, 10]. Vor diesem Hintergrund wird von einigen Autoren die Hypothese vertreten, dass beispielsweise die Häufung von Atemwegsinfekten und der saisonale Höhepunkt der Grippe im Winter/Frühjahr eine Folge der dann besonders niedrigen Vitamin-D-Spiegel sind [11, 12]. Die entsprechenden Assoziationsstudien sind zahlreich [13, 14].

In vitro wurden verschiedene Mechanismen identifiziert, die zu einer antiviralen Wirkung von Vitamin D im Lungengewebe beitragen könnten [15]. Aktuelle Metaanalysen liefern allerdings ein differenziertes Bild: Zur Prävention von grippalen Infekten, viralen Atemwegserkrankungen und auch Influenza ist eine Vitamin-D-Supplementation nur dann wirksam, wenn zuvor ein Vitamin-D-Mangel bestand (< 30 nmol/l; entspr. < 12 ng/ml) [16]. Bei adäquater Vitamin-D-Versorgung (> 50 nmol/l) gibt es diese präventive Wirkung nicht. Offensichtlich ist Vitamin D also nicht per se antiviral wirksam, sondern Vitamin-D-Mangel erhöht umgekehrt die Anfälligkeit für virale Atemwegserkrankungen. Ist der Mangel gezielt behoben, ergibt sich durch die zusätzliche Supplementation kein Vorteil [16].

Epidemiologische Studien

Wechselt man von pathophysiologischen Hypothesen und präklinischen Daten zur Human-Epidemiologie, wird die Studienlage zum Zusammenhang von Vitamin D und COVID-19 widersprüchlich [8]. Erste Studien aus den Anfangswochen der Corona-Pandemie schienen die Hypothese einer kausalen Beteiligung von Vitamin D zu bestätigen, indem wiederholt gezeigt wurde, dass hospitalisierte und schwer erkrankte COVID-19-Patienten häufiger einen Vitamin-D-Mangel haben als die Durchschnittsbevölkerung oder als asymptomatische Patienten [19, 20]. Höhere Plasmakonzentrationen von Vitamin D korrelieren mit niedrigeren Interleukin-6-Konzentrationen, die maßgeblich zum gefürchteten „Zytokin-Sturm“ beitragen [21].

Auch in einer größeren US-amerikanischen, retrospektiven Kohortenstudie konnte gezeigt werden (n = 489), dass Bevölkerungsgruppen mit statistisch schlechterer Vitamin-D-Versorgung (Ältere, Pflegeheimbewohner, Afroamerikaner) häufiger und schwerer erkranken als Menschen mit ausreichender Vitamin-D-Versorgung (> 20 ng/ml) [22]. Andererseits konnten die Autoren einer deutsch-österreichischen Studie mit 109 COVID-19-­Patienten keinen Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Status und Krankheitsschwere oder Lungen­funktion feststellen [23].

Folge oder Ursache?

Der Großteil dieser klinischen Daten ist jedoch praktisch ohne Aussagekraft, da entweder nicht auf potenzielle Störfaktoren adjustiert oder der Vit­amin-D-Spiegel erstmals zum Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme erfasst wurde. Letzteres führt zur umgekehrten Kausalität: Im Rahmen der immunologischen Akute-Phase-­Reaktion sinkt der Vitamin-D-Spiegel kurzfristig drastisch ab [24], weshalb hier ein niedriger Vitamin-D-Spiegel Folge (und nicht Ursache) der COVID-19-Erkrankung ist. Vielmehr tritt ein Vitamin-D-Mangel überdurchschnittlich häufig bei Erkrankungen und Lebensumständen auf, die ihrerseits das COVID-19-Risiko erhöhen, also im hohen Lebensalter, bei Adipositas oder bei Diabetes Typ 2. Bereits in der Vergangenheit wurde darauf hingewiesen, dass ein niedriger Vitamin-D-Spiegel z. B. bei entzündlichen Erkrankungen Folge der Entzündung und eben nicht Erkrankungsursache ist [25].

Dies bestätigen zwei detaillierte Biobank-Analysen aus Großbritannien mit 656 bzw. 1.326 COVID-19-Patienten [26, 27]: Zwar suggerierten die Rohdaten hier auf den ersten Blick ebenfalls einen Zusammenhang zwischen dem Schweregrad des COVID-19-Verlaufs und dem Vitamin-D-Status. Doch dieser statistisch signifikante Zusammenhang verschwand, wenn auf die bekannten Störfaktoren adjustiert wurde: Weder eine suboptimale Vitamin-D-Versorgung noch ein Vitamin-D-Mangel waren in diesen Biobank-Analysen mit der Krankheitsschwere oder der Sterblichkeit assoziiert.

Klinische Studien

Obwohl weltweit zahlreiche randomisiert-kontrollierte Interventionsstudien zur Anwendung von Vitamin D bei COVID-19-Patienten laufen (mit Dosierungen bis zu 200.000 I.E./d), gibt es bisher keine aussagekräftigen Daten zur klinischen Wirksamkeit von Vitamin D am Menschen [22, 28]. Entsprechende Fallberichte und Pilotstudien sind überwiegend anekdotischer Natur oder weisen erhebliche methodische Mängel auf (z. B. fehlende Placebokontrolle, stark verzerrte Gruppenordnung) [3, 29].

Angesichts dieser Fakten stellt beispielsweise das National Institute for Health and Care Excellence (NICE) fest: „There is no evidence to support taking vitamin D supplements to specifically prevent or treat COVID-19“ [30]. Und auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) konstatiert in seiner Stellungnahme vom 10. September 2020: „Im Internet wird suggeriert, dass die Einnahme von (zum Teil sehr hoch dosierten) Vitamin-D-haltigen Nahrungsergänzungsmitteln vor einer Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 […] schützen kann. Es sind dem BfR keine Studien bekannt, die belegen, dass die Einnahme von Vitamin-D-Präparaten vor einer Infektion mit diesem Virus bzw. der Auslösung der Erkrankung schützt.“

Warnung vor hohen Dosierungen

Im Widerspruch dazu empfehlen verschiedene Autoren die pauschale Gabe von hochdosiertem Vitamin D an alle COVID-19-Patienten (50.000 – 300.000 I.E./d [31, 32]) oder gleich an die gesamte Bevölkerung (10.000 I.E./d, [33]). Derartige experimentelle Empfehlungen sind weder durch hinreichende klinische Erfahrung noch durch wissenschaftliche Evidenz abgesichert. Mehr noch: Die Anwendung von hochdosiertem Vitamin D bei COVID-19-Patienten widerspricht dem grundlegenden Schutzprinzip des primum nil nocere: So gibt es sogar Hinweise darauf, dass erhöhte Serumkonzentrationen von Vitamin D auch zu einer immunsuppressiven Wirkung führen könnten [34].

Niedrigdosis-Prophylaxe unbedenklich

Empfehlungen zur prophylaktischen Einnahme niedriger dosierter Vit­amin-D-Präparate (beispielsweise in der Größenordnung von 2.000 I.E./d), wie sie an anderer Stelle vorgeschlagen werden [8], sind zwar ebenfalls ohne Wirksamkeitsnachweis hinsichtlich des SARS-CoV-2-Infek­tions­risikos; zumindest sind diese Dosierungen aber gesundheitlich unbedenklich, solange sie unterhalb des tolerable upper intake levels der European Food Safety Agency (EFSA) für Erwachsene liegen (max. 4.000 I.E./d).

Zusammenfassung der Datenlage

Fasst man die Datenlage zum möglichen Einfluss des Vitamin-D-Status auf das Erkrankungsrisiko und den Verlauf von COVID-19 zusammen, ergibt sich ein relativ eindeutiges Bild: Die physiologische Bedeutung von Vitamin D für eine funktionierende Immunabwehr ist unstrittig. Die biochemisch abgeleitete Hypothese, eine Vitamin-D-Supplementation könne sich positiv auf Erkrankungsrisiko und -verlauf auswirken, klingt plausibel. In der Realität deuten epidemiologische Daten aus den USA und Europa auf eine umgekehrte Kausalität hin (Vitamin-D-Mangel als Folge, nicht als Ursache der COVID-19-Erkrankung) und lassen niedrige Vitamin-D-Spiegel als Marker eines aus anderen Gründen erhöhten Erkrankungsrisikos erscheinen (hohes Alter, Adipositas, Multimorbidität). Es gibt keine aussagekräftigen randomisiert-kontrollierten Studien zur Wirksamkeit einer Vit­amin-D-Supplementation zur Prävention oder adjuvanten Therapie einer SARS-CoV-2-Infektion.

Schlussfolgerung für die Praxis

Angesichts der bevorstehenden dunklen Jahreszeit und der unklaren infektiologischen Entwicklungen ist eine gute Vitamin-D-Versorgung der Bevölkerung aus Public-Health-Perspektive ohne Zweifel empfehlenswert. Ein erneuter Lockdown dürfte sich ebenfalls tendenziell negativ auf den Vitamin-D-Status der Bevölkerung auswirken [6].

Die anzustrebenden, adäquaten 25-OH-D-Serumkonzentrationen bewegen sich gemäß internationalem Konsens zwischen 50 – 125 nmol/l. Tatsächlich ist dieser Referenzbereich viel weniger umstritten als mitunter suggeriert wird, sondern er wird beispielsweise sowohl von den US-amerikanischen National Institutes of Health (NIH) als auch vom deutschen Robert Koch-Institut (RKI) offiziell vertreten. Sicherlich ist es der allgemeinen Gesundheit zuträglich, eine entsprechende Vitamin-D-Zufuhr sicherzustellen – falls nicht anders möglich, auch über Supplemente.

Die dazu erforderliche Vitamin-D-­Dosierung ist individuell sehr unterschiedlich. Am sinnvollsten ist die Supplementation vermutlich bei Menschen mit einer Ausgangsserumkonzentration von < 25 nmol/l [35]. Eine präventive oder therapeutische Wirkung von Vitamin D hinsichtlich COVID-19 kann zwar postuliert werden – aktuell gibt es dafür aber keine klinische Evidenz.

Insgesamt vielversprechender erscheint in Anbetracht der etablierten Risikofaktoren für schwere COVID-19-­Verläufe (Adipositas, Hypertonie, Diabetes Typ 2, metabolisches Syndrom) ein grundsätzlich optimierter Ernährungsstatus [1, 35]. Entsprechende ernährungs- und gesundheitspolitische Maßnahmen wären angesichts der Corona-Pandemie dringender denn je [36].

Ungeachtet dieser Überlegungen kann man auf Grundlage der unklaren Datenbasis für sich persönlich zu dem Schluss kommen, dass eine Vitamin-D-­Supplementation sinnvoll sein könnte [37]. In diesem Fall sollten bei der unspezifischen Supplementation der gesunden Allgemeinbevölkerung Dosierungen zwischen 800 und 2.000 I.E./d angestrebt und die von der EFSA empfohlene Höchstdosis von 4.000 I.E./d (100 µg) aus guten Gründen nicht überschritten werden [6]. An dieser Stelle müssen insbesondere Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion zur Vermeidung von Gesundheitsschäden vor der unkontrollierten Einnahme höherdosierter Vit­amin-D-Präparate gewarnt werden. |

Literatur

 [1] Muscogiuri G, Pugliese G, Barrea L et al. Obesity: The „Achilles heel“ for COVID-19? Metabolism 2020;108:154251

 [2] Mitchell F (2020) Vitamin-D and COVID-19: do deficient risk a poorer outcome? Lancet Diabetes Endocrinol 2020;8:570

 [3] Biesalski HK. Vitamin D deficiency and co-morbidities in COVID-19 patients – A fatal relationship? NFS Journal 2020;20:10-21

 [4] Illmatical C. African Americans High COVID-19 Mortality Rates: Is This Due to a Lack of Vitamin D? (2020) https://afro.com/african-americans-high-covid-19-mortality-rates-is-this-due-to-a-lack-of-vitamin-d/. Zuletzt abgerufen am 23.09.2020

 [5] Pinnock D. Vitamin D and COVID-19. The Evidence Warrants Discussion! The Medicinal Chef Making Health Simple (2020)https://www.dalepinnock.com/vitamin-d-and-covid-19-the-evidence-warrants-discussion/. Zuletzt abgerufen am 23.09.2020

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 [7] Manson JE, Cook NR, Lee IM et al. Vitamin D supplements and prevention of cancer and cardiovascular disease. N Engl J Med 2019;380:33-44

 [8] Benskin LL. A Basic Review of the Preliminary Evidence That COVID-19 Risk and Severity is Increased in Vitamin D Deficiency. Front Public Health 2020;8:513

 [9] Prietl B, Treiber G, Piber TR et al. Vitamin D and immune function. Nutrients 2013;5:2502-2521

[10] Bouillon R, Marcocci C, Carmeliet G et al. Skeletal and extraskeletal actions of vitamin D: current evidence and outstanding questions. Endocr Rev 2019;40:1109-1151

[11] Hope Simpson RE. The role of season in the epidemiology of influenza. J Hyg (Lond) 1981;86:35-47

[12] Cannell JJ, Vieth R Umhau JC et al. Epidemic influenza and vitamin D. Epidemiol Infect 2006;134:1129-1140

[13] Gunville CF, Mourani PM, Ginde AA. The role of vitamin D in prevention and treatment of infection. Inflamm Allergy Drug Targets 2013;12:239-245

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[17] Li YC, Qiao G, Uskokovic M et al. Vitamin D: a negative endocrine regulator of the renin-angiotensin system and blood pressure. J Steroid Biochem Mol Biol 2004;89-90:387-392

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[22] Meltzer DO, Best TJ, Zhang H et al. Association of Vitamin D Deficiency and Treatment with COVID-19 Incidence. Preprint via medRxiv, zuletzt abgerufen am 23.09.2020

[23] Pizzini A, Aichner M, Sahanic S et al. Impact of Vitamin D Deficiency on COVID-19-A Prospective Analysis from the CovILD Registry. Nutrients 2020;12:2775

[24] Sattar N, Welsh P, Panarelli M et al. Increasing requests for vitamin D measurement: costly, confusing, and without credibility. Lancet 2012;379:95-96

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[28] Ebadi M, Montano-Loza AJ. Perspective: improving vitamin D status in the management of COVID-19. Eur J Clin Nutr 2020;74:856-859

[29] Castillo ME, Costa LME, Barrios JMV et al. Effect of calcifediol treatment and best available therapy versus best available therapy on intensive care unit admission and mortality among patients hospitalized for COVID-19: A pilot randomized clinical study. J Steroid Biochem Mol Biol 2020;203:105751

[30] NICE. COVID-19 rapid evidence summary: vitamin D for COVID-19. https ://www.nice.org.uk/advic e/es28/evide nce. Zuletzt abgerufen am 22.09.2020

[31] Charoenngam N, Holick MF. Immunologic Effects of Vitamin D on Human Health and Disease. Nutrients 2020;12:2097

[32] Liu G, Hong T, Yang J. A Single Large Dose of Vitamin D Could be Used as a Means of Coronavirus Disease 2019 Prevention and Treatment. Drug Des Devel and Ther 2020;14:3429-3434

[33] Grant WB, Lahore H, McDonnell SL et al. Evidence that Vitamin D Supplementation Could Reduce Risk of Influenza and COVID-19 Infections and Deaths. Nutrients 2020; 12: 988

[34] Mangin M, Sinha R, Fincher K. Inflammation and vitamin D: the infection connection. Inflamm Res 2014;63:803-811

[35] McAuliffe S, Ray S, Fallon E, et al. Dietary micronutrients in the wake of COVID-19: an appraisal of evidence with a focus on high-risk groups and preventative healthcare. BMJ Nutr Prev Health 2020;0

[36] Tan M, He FJ, MacGregor GA. Obesity and covid-19: the role of the food industry. BMJ 2020;369:2237

[37] Martineau AR, Forouhi NG. Vitamin D for COVID-19: a case to answer? Lancet 2020;8:735-736

Autor

Prof. Dr. rer. nat. Martin Smollich, Fachapotheker für Klinische Pharmazie, Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ); Leiter der Arbeitsgruppe Pharmakonutrition am Institut für Ernährungsmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck; Herausgeber des Fachblogs Ernaehrungsmedizin.blog

9 Kommentare

Vitamin D Blutspiegel und Dosierungen

von Christina Del Prete am 11.10.2020 um 23:25 Uhr

Sehr geehrter Herr Prof. Smollich,
Natürlich müssen wir über das Warum und Wieso nachdenken, aber dabei wird leider oft vergessen, dass viele Deutsche im Vitamin-D-Mangel sind und sich daran seit Jahren nichts ändert. Als Apothekerin sehe ich das leider jeden Tag. Die Datenlage wird dabei von unterschiedlichen Wissenschaftlern teilweise völlig gegensätzlich interpretiert.
Es ist logisch, dass sich in placebokontrollierten Studien bei Infekten nur Ergebnisse gezeigt haben, wenn die Personen niedrige Werte hatten, denn das, was in Studien als Ergebnis präsentiert wird ist ja der Unterschied Placebo-Verum; wenn beide Gruppen gute Werte haben, zeigt sich da wenig Unterschied, weil dann auch in der Placebo-Gruppe weniger Menschen krank werden.
Leider konnte ich auf der von Ihnen angeführten RKI Seite keinen Hinweis zu den von Ihnen genannten potentiell gefährlichen Blutspiegeln finden, dafür lese ich im RKI Bericht zum Vitamin D Status:
Insgesamt weisen 30,2 % der Erwachsenen (29,7 % der Frauen, 30,8 % der Männer) zwischen 18 und 79 Jahren 25(OH)D-Serumkonzentrationen < 30 nmol/l und damit eine mangelhafte Versorgung auf. Eine ausreichende Versorgung mit 25(OH)D-Serumkonzentrationen von ≥ 50 nmol/l erreichen hingegen 38,4 % der Erwachsenen (38,6 % der Frauen, 38,3 % der Männer) …
In Deutschland ist die Versorgung mit Vitamin D somit ungünstiger als im Durchschnitt aller im Projekt untersuchten Länder (bezieht sich auf das europäische Odin-Projekt) …
Die Ergebnisse der vorliegenden Analysen weisen darauf hin, dass der Vitamin-D-Status von Erwachsen in Deutschland nicht optimal ist …
https://edoc.rki.de/bitstream/handle/176904/2492/JoHM_2016_02_ernaehrung4.pdf?sequence=4&isAllowed=y

Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf: „ausreichend“ ist in der Schule eine 4! Also im Grossen und Ganzen keine gute Lage.

Mir gefällt der pragmatische Ansatz der Schweizer Ernährungskommission: Schon seit 2011 empfehlen sie der Bevölkerung aufgrund der vorliegenden Evidenz einen Blutspiegel von 30 ng/ml bzw. 75 nmol/l und schreiben in ihrem EEK Bericht, dass es dafür ca. 2000 IE braucht, bei Übergewichtigen auch 3 mal so viel.
Vieles deutet in den letzten Monaten darauf hin, dass bei diesem Blutspiegel das Risiko für einen schweren Verlauf geringer sein könnte.
Diese Empfehlung von 30 ng/ml deckt sich übrigens auch mit der Endocrine Society Clinical Practice Guideline - dort steht z.B. auch, dass Werte von 30-100 ng/ml zufriedenstellend sind (Sufficiency) und dass aufgrund der Datenlage erst ab ca. 150 ng/ml bzw. 375 nmol/l mit Toxizität aufgrund von Hypercalcämie gerechnet werden muss.

Jetzt hat eine Expertengruppe der schweizerischen Ernährungsgesellschaft die Studienlage zu den Mikronährstoffen in der Prävention/Therapie von Covid-19 bewertet und gibt aufgrund der ihnen vorliegenden Daten zur Mikronährstoffversorgung der Bevölkerung in der Schweiz für die spezielle Coronalage ganz klare Empfehlungen zur Integration von Vitamin C, D, Selen, Zink und Omega 3: bei Vitamin D z.B. 2000 IE am Tag.
http://www.sge-ssn.ch/media/Nutritional-status-in-supporting-a-well-functioning-immune-system-for-optimal-health-with-a-recommendation-for-Switzerland-1.pdf

Freundliche Grüsse
Christina Del Prete

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AW: Vitamin D Blutspiegel und Dosierungen

von Martin Smollich am 12.10.2020 um 10:44 Uhr

Sehr geehrte Frau Del Prete,

der von Ihnen genannte Zielwert von 30 ng/ml ist völlig unstrittig, sodass ich Ihnen da völlig zustimme. Das ist nicht nur meine "Meinung" bzw. die Auffassung der Schweizer Kolleg*innen, sondern auch die US-amerikanischen National Institutes of Health (NIH) und das deutsche Robert Koch-Institut (RKI) empfehlen als "adäquate" 25-OH-D-Serumkonzentrationen zwischen 50 – 125 nmol/l (entspr. 20 - 50 ng/ml). Oberhalb von 50 ng/ml (125 nmol/l) warnen beide Fachgesellschaften vor negativen gesundheitlichen Folgen (Link hier: https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Vitamin_D/Vitamin_D_FAQ-Liste.html).
Ich stimme Ihnen auch zu, dass die Bezeichnung "ausreichend" für den anzustrebenden Referenzbereich nicht sehr glücklich gewählt ist; dieser Terminus stammt allerdings vom RKI, dass die Vitamin-D-Konzentrationen als "mangelhaft" (< 12 ng/ml), "suboptimal" (12-20 ng/ml), "ausreichend" (20-30 ng/ml), "ausreichend ohne weiteren Zusatznutzen für die Gesundheit" (30-50 ng/ml) und "mögliche Überversorgung" (> 50 ng/ml) klassifiziert. Das RKI verwendet also nicht die Systematik von Schulnoten, sodass "ausreichend" hier keiner 4 entspricht, sondern oberhalb von "suboptimal" angesiedelt ist.
Herzliche Grüße, Martin Smollich

Vitamin D Covid

von Dr. Volker Schmiedel am 11.10.2020 um 10:17 Uhr

Sehr geehrter Herr Smollich, es gibt ein ganze Reihe von epidemiologischen Studien, die Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Vitamin D-Mangel und Schwere von Covid aufzeigen. Aber inzwischen gibt es auch eine überzeugende interventionelle Studie, die belegt, dass mit einer Vitamin D-Therapie zu Beginn der Erkrankung die Verlegungsrate von Normal- auf die Intensivstation von 50 auf 2 % reduziert werden kann. Was haben Sie denn eigentlich gegen das harmlose Vitamin? Ich selbst messe bei meinen Patienten natürlich immer vorher und unter der Therapie den Spiegel und strebe den optimalen physiologischen Bereich von 40-60 ng/ml an (den haben auch Naturvölker). Ich kann einfach nicht verstehen, warum Sie ständig vor harmlosen und preiswerten Naturstoffen warnen, die - richtig angewendet - viele Krankheiten vermeiden oder lindern könnten.
https://doi.org/10.1016/j.jsbmb.2020.105751
MfG, Dr. Volker Schmiedel

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AW: Vitamin D Covid

von Martin Smollich am 11.10.2020 um 20:50 Uhr

Sehr geehrter Herr Schmiedel,
ich habe gar nichts gegen Vitamin D - wieso sollte ich?
Doch als Wissenschaftler und Heilberufler bin ich nun mal der klinischen Evidenz verpflichtet. Entsprechend vertrete ich in dem Artikel auch nicht eine Meinung, sondern lege lediglich die wissenschaftliche Studienlage dar.
Die Quelle, die Sie als "überzeugende interventionelle Studie" bezeichnen, habe ich im Artikel erwähnt; dort schreibe ich auch, dass diese Studie aufgrund gravierender methodischer Mängel ("stark verzerrte Gruppenzuordnung") nicht den Hauch einer Evidenz für die Vitamin-D-Wirkamkeit liefert.
Konkret: In der von Ihnen genannten Studie hatten in der Interventionsgruppe (Gabe von Vitamin D) 6 % der Patienten einen Diabetes und 24 % eine Hypertonie. In der Vergleichsgruppe (keine Gabe von Vitamin D) hatten dagegen rund drei Mal so viele Patienten (19 %) einen Diabetes und mehr als doppelt so viele (57 %) eine Hypertonie (steht alles so in der Studie).
Und da wundern Sie sich, dass die Patienten aus der Vitamin-D-Gruppe seltener intensivpflichtig wurden als die Patienten aus der Kontrollgruppe? Gerade Diabetes und Hypertonie sind Hochrisikofaktoren für schwere COVID-Verläufe. Wenn man die (relativ) Gesunden in die Vitamin-D-Gruppe packt un die (relativ) Kranken in die Kontrollgruppe, dann ist vorher klar, was rauskommt. Mit Vitamin D und wissenschaftlicher Evidenz hat das aber nichts zu tun.

AW: Vitamin D Covid

von Dr. Wolfgang Feil am 13.10.2020 um 17:20 Uhr

Lieber Herr Professor Smollich,
gerne schalte ich mich auch hier in die Diskussion ein: Die von Ihnen und Herrn Dr. Schmiedel zitierte Studie ist sehr wohl wissenschaftlich evident. Während die Gruppe mit Vitamin D-Gabe weniger Diabetiker und Bluthochdruckpatienten hatten, hatte diese Vitamin D Gruppe jedoch deutlich mehr Leute über 60 Jahre und zusätzlich Patienten, die immunschwächende Medikamente nahmen. Aus der Gruppe mit Vitamin D-Gabe hatten 48 % einen Risikofaktor - aus der anderen Gruppe ohne Vitamin D Gabe 61 %. Somit ist Ihre Aussage, dass in der Vitamin D Gruppe nur Gesunde und in der Kontrollgruppe nur Kranke waren, nicht richtig.
Das Ergebnis zeigt den Einfluss von Vitamin D auf:
In der Vitamin D Gruppe mussten nur 2 % auf die Intensivstation - in der anderen Gruppe ohne Vitamin D-Gabe 50 %.
Dies sind große Unterschiede, die den marginalen Unterschied in den Gruppen, vernachlässigen lassen.

AW: Vitamin D Covid

von Volker Schmiedel am 14.10.2020 um 12:14 Uhr

Sehr geehrter Herr Smollich,

auch ich lese viele Studien und halte viel von wissenschaftlicher Evidenz. Wenn man aber schon Subgruppenanalysen macht, dann sollte man nicht nur die Subgruppen herauspicken, die eine Richtung vertreten. Sie haben natürlich recht, dass es in dieser Studie dumm gelaufen ist, dass es in der Placebo-Gruppe viel mehr Diabetiker gibt, was das Risiko dieser Gruppe erhöht. Sie sollten dann aber erwähnen, dass es in der Vitamin D-Gruppe 28 % über 60 Jahren im Vergleich zu nur 19 % unter Placebo gegeben hat. Das Alter ist einer der grössten Risikofaktoren bei Covid. Und - meiner Meinung nach - noch bedeutsamer: In der Vitamin D-Gruppe gab es 12 % Immunsupprimierte im Vergleich zu nur 4 % unter Placebo. Das wollen wir doch nicht unterschlagen. Das dürfte sich also ausgleichen. Ich glaube - weiss es aber nicht - , dass in etwas das Gleiche herasugekommen wäre, wenn die Risiken wirklich gleich verteilt gewesen wären. Die Ergebnisse sind aber doch so gravierend, dass jetzt auf jeden Fall dringend weitere Studien auf den Weg gebracht werden müssten, um eindeutige Klarheit zu schaffen Mit Milliarden-Investitionen wird an den impfstoffen gearbeitet. Warum nicht ein paar Millionen für eine Vitamin D-Forschung bei Covid einsetzen. Und bis dahin nehme ich auf jeden Fall 5000 IE am Tag ein und empfehle es (mit Messungen) auch meinen Patienten. MfG Dr. Schmiedel

Vitamin D hilft bei Corona

von Manuela Heinzel am 10.10.2020 um 19:51 Uhr

Lieber Prof. Dr. Smollich, Ihre Zeilen zu Corona und Vitamin D sind interessant, allerdings wenig hilfreich. Als orthomolekulare Therapeutin stelle ich Ihnen eine einzige Frage: wieviele Personen sind in dieser sogenannten Pandemie an Covid 19 erkrankt, die den optimalen Spiegel von 25(OH) Vitamin D von 60ng/ml aufwiesen? Warum reden Sie um den heißen Brei herum mit möglichen Gaben von Vitamin D anstatt sich mit dem Wesentlichen zu befassen? Ihre Aufgabe als Fachapotheker sollte es sein die Menschen gesund zu machen. Der von der Fachwelt angesehene Optimalwert ist 60ng/ml. Bitte bringen Sie diese Information unter das Volk. Viren wie Sars Cov 2 sind dann genau wie alle anderen Infekte Vergangenheit. Die Literatur Ihres Kollegen Uwe Gröber ist dort wegweisend.

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AW: Vitamin D hilft bei Corona

von Silke Höveler-Freitag am 10.10.2020 um 21:46 Uhr

Ich kann diesen Kommentar voll und ganz unterstützen

AW: Vitamin D hilft bei Corona

von Martin Smollich am 11.10.2020 um 21:22 Uhr

Liebe Frau Heinzel,
als Fachapotheker und Wissenschaftler bin ich der klinischen Evidenz verpflichtet (und keinen Meinungen), um den Menschen auf diese Weise optimal helfen zu können. Das, was ich in dem Artikel ausführe, ist entsprechend auch nicht meine "Meinung", sondern die durch umfassende Quellenangaben klinische Datenlage. Diese Datenlage kann manchen Menschen nicht gefallen, aber sie ist nun einmal so, wie sie ist.
Gleiches gilt auch für den von Ihnen genannten "Optimalwert" von 60 ng/ml (= 150 nmol/l): Grundlage für diesen Wert ist keineswegs "internationaler Konsens", sondern die Meinung einzelner Protagonisten. Sowohl die US-amerikanischen National Institutes of Health (NIH) als auch das deutsche Robert Koch-Institut (RKI) empfehlen als adäquate 25-OH-D-Serumkonzentrationen zwischen 50 – 125 nmol/l (entspr. 20 - 50 ng/ml). Wie gesagt - das ist nicht meine Meinung, sondern die wissenschaftlich begründete Position der weltweit führenden Fachgesellschaften.
Der von Ihnen empfohlene "Optimalwert" 60 ng/ml (= 150 nmol/l) liegt in einem Bereich, den diese Fachgesellschaften als potenziell gesundheitsschädlich beurteilen (https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Vitamin_D/Vitamin_D_FAQ-Liste.html).
Da ich als Heilberufler dem Wohl meiner Patient*innen verpflichtet bin, hielte ich es für grob fahrlässig, Zielkonzentrationen zu empfehlen, die negative gesundheitliche Folgen haben können. Noch einmal: Das ist nicht meine Meinung, sondern die von den internationalen Fachgesellschaften auf Basis wissenschaftlicher Daten publizierten Referenzwerte.

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