Pandemie Spezial

Gurgeln gegen Corona-Infektionen?

Das Einsprühen antiseptischer Lösungen scheint erfolgreicher zu sein

In Laien- und Fachkreisen wird derzeit das Mundspülen und Gurgeln mit antiseptischen Lösungen als prophylaktische und ergänzende therapeutische Maßnahme gegen COVID-19-Infektionen diskutiert. Durch diese Behandlung soll die Konzentration an SARS-CoV-2 im Mund- und Rachenraum in klinisch relevantem Umfang verringert werden.

Verschiedene Autoren berichten über eine effektive Senkung der initialen Viruslast durch unterschiedliche Mundspüllösungen. So wurde der Titer an SARS-CoV-2 etwa durch Povidon-Jod- oder Wasserstoffperoxid-Lösung in Bruchteilen einer Minute therapierelevant reduziert. Bei den beschriebenen Recherchen handelt es sich jedoch ausschließlich um In-vitro-Untersuchungen, bei denen man die Desinfektionslösungen auf Virussuspensionen einwirken ließ [1, 2]. Selbstverständlich schließen die Autoren eine Hemmung der Virenproduktion in den Zellen durch diese Lösungen aus, sie diskutieren aber eine mögliche positive Beeinflussung des Krankheitsverlaufs und/oder eine Senkung des Ansteckungspotenzials infolge der verringerten Viruslast auf der Mund-Rachen-Mukosa. Die Verfasser dieser und weiterer Studien mit vergleichbaren Viren fordern deshalb entsprechende In-vivo-Studien mit Mundspül- und Gurgellösungen [2 – 7]. Eine aktuelle klinische Studie, bei der SARS-CoV-2-positive Patienten mit einer Wasserstoffperoxid-Lösung 1% gurgelten, führte jedoch zu keiner signifikanten Senkung der intraoralen Viruslast [8].

Bei den Diskussionen der multifaktoriellen Prozesse auf dem infizierten Schleimhautepithel scheint jedoch ein Aspekt nicht berücksichtigt zu werden: Durch Mundspülen und Gurgeln lassen sich das Zahnfleisch mit den Zähnen, die Zunge, die Wangeninnenseiten, der Gaumen und weitere Schleimhäute der Mundhöhle benetzen. Also die Schleimhautbezirke nur bis zum vorderen Gaumenbogen. Die tiefer gelegene Mukosa, also die Areale des Rachens (Oropharynx) oder gar des unteren Rachens (Hypopharynx) sind damit nicht erreichbar. Der spätestens bei Kontakt mit dem vorderen Gaumenbogen auftretende Würgereflex verhindert die vollständige Be­netzung dieser Schleimhautbezirke. Lediglich mit dem verschluckten Speichel gelangen geringe Reste gegurgelter Lösungen eventuell in diese Regionen [9, 10].

Fotos: W. Kircher

Tiefe Bereiche des Rachens werden selbst nach intensivem Gurgeln nicht erreicht, wie der Versuch mit einer blau gefärbten Lösung zeigt. Es wird die Schleimhaut nur bis zum vorderen Gaumenbogen benetzt.

Einsprühen geht tiefer

Das weitgehende Benetzen der gesamten Mund-Rachen-Schleimhaut (orale und oropharyngeale Mukosa) mit antiseptischer Lösung ist jedoch durch Einsprühen möglich [9, 10]. Und zwar am besten mit Sprühfläschchen, die mit einem Mund-Rachen-Applikator ausgerüstet sind. Der Patient sollte beim Einsprühen ein lautes A sprechen, wodurch das Gaumensegel angehoben und ein Einatmen des Sprüh­aerosols vermieden wird. Auch geriatrische Patienten, die Schwierigkeiten haben, über mehrere Sekunden zu gurgeln, können Sprays, gegebenenfalls unter Hilfestellung, problemlos anwenden. Alternativ zu Sprühlösungen könnte man eventuell auch den Einsatz anderer intraoraler Arzneiformen wie etwa Lutschtabletten oder Lollys diskutieren. Der von SARS-CoV-2 kolonisierte Rachenraum ist mit diesen Arzneiformen für potenzielle Wirkstoffe im erforderlichen Umfang erreichbar. Die grundsätzliche Voraussetzung für seine topische Behandlung ist damit gegeben. |

Literatur

[1] Bidra AS, Pelletier JS, Westover J B, Frank S, Brown S M, Tessema B. Comparison on in vitro inactivation of Sars CoV-2 with hydrogen peroxide and povidone-iodine oral antiseptic rinses. J Prosthodontists 2020;9:599-603

[2] Meister T L, Brüggemann Y, Todt D, Conzelmann C, Müller JA, Groß R, Münch J, Krawczyk A, Steinmann J, Steinmann J, Pfaender S, Steinmann E. Virucidal efficacy of different oral rinses against severe acute respiratory syndrome coronavirus 2. J Infect Dis 2020;222:1289-1292

[3] Caruso AA, Del Prete A, Lazzarino AI. Hydrogen peroxide and viral infections: A literature review with research hypothesis definition in relation to the current covid-12 pandemic. Med. Hypotheses 2020;144, online ahead of print

[4] Casale M, Rinaldi V, Sabatino L, Moffa A, Ciccozzi M. Could nasal irrigation and oral rinse reduce the risk for Covid-19 infection. Int J Immunopath Pharmacol 2020;34:1-3

[5] Herrera D, Serrano J, Roldan S, Sanz M. Is the oral cavity relevant in Sars-CoV-2 pandemic? Clin Oral Investi 2020;24:2925-2930

[6] Khan MM, Parab SR, Paranjape M. Repurposing 0,5% povidone iodine solution in otorhinolaryngology practice in Covid 19 pandemic. Am J Otolaryngol 2020;41:102618

[7] O’Donnell VB, Thomas D, Stanton R, Maillard JY, Murphy RC, Jones SA, Humphreys I, Wakelam MJ, Fegan C, Wise MP, Bosch A, Sattar SA. Potential role of oral rinses targeting the viral lipid envelope in Sars-CoV-2 infection. Function 2020, doi:10.1093/function/zqaa002

[8] Gottsauner MJ, Michaelides I, Schmidt B, Schoz KJ, Buchalla W, Widbiller M, Hitzenbichler F, Ettl T, Reichert TE, Bohr C, Vielsmeier V, Cieplik F. A prospective clinical pilot study on the effects of a hydrogen peroxide mouthrinse on the intraoral viral load of Sars-CoV-2. Clin Oral Invest 2020;24:3707-3713

[9] Maddaford K, Fairley CK, Trumpour S, Chung M, Chow EPF. Sites in the oropharynx reached by different methods of using mouthwash: clinical implication for oropharyngeal gonorrhoea prevention. Sex Transm Infect 2020;96:358-360

[10] Patel SK, Ghufoor K, Jayaraj SM, McPartlin DW, Philpott J. Pictorial assessment of the delivery of oropharyngeal rinse versus oropharyngeal spray. J Laryngol Otol 1999;113:1092-1094

Apotheker Dr. Wolfgang Kircher

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