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Politik
Nicht einmal kostendeckend
Eine Analyse der jüngsten Honorarerhöhung
Das Jahr 2020 hat für die Apotheken mit einer kleinen Honorarerhöhung begonnen. Zuletzt hatte es im Mai 2017 Anpassungen bei den Rezepturtarifen und der Dokumentationsgebühr gegeben. Da der 2004 eingeführte packungsbezogene Festzuschlag für Rx-Arzneimittel nicht automatisch angepasst wird und nur einmal 2013 erhöht wurde, können Kostensteigerungen nur ansatzweise durch Erhöhungen der anderen Tarife kompensiert werden. Diesmal wurden der Zuschlag zum Notdienstfonds und die Dokumentationsgebühr für Betäubungsmittel und T-Rezepte erhöht. Der Zuschlag zum Fonds stieg um 5 auf 21 Cent pro Rx-Packung (jeweils netto). Die Dokumentationsgebühr stieg von 2,91 auf 4,26 Euro (jeweils einschließlich Mehrwertsteuer).
Die ABDA und das Bundesgesundheitsministerium hatten den Effekt der erhöhten Dokumentationsgebühr zuvor übereinstimmend auf etwa 15 Millionen Euro einschließlich Mehrwertsteuer pro Jahr geschätzt, also etwa 12,6 Millionen Euro netto. Der Effekt beim Notdienstfonds kann aus den bisherigen Ausschüttungen hochgerechnet werden. Im Jahr 2018 schüttete der Fonds 114,23 Millionen Euro an die Apotheken aus, pro Notdienst durchschnittlich 281,01 Euro (alles netto; siehe Berichterstattung des Fonds). Eine Hochrechnung ergibt mit dem neuen Zuschlag einen Anstieg der Ausschüttungen um 35,70 Millionen Euro auf 149,93 Millionen Euro pro Jahr (jeweils netto). Eine solche einfache Hochrechnung ergibt für die einzelne Ausschüttung künftig 368,83 Euro pro Notdienst, tatsächlich ist aber etwas mehr zu erwarten, weil die Zahl der Notdienste durch die sinkende Apothekenzahl abnimmt. Mit der jüngsten bekannten Apothekenzahl von 19.196 (Stand Ende September 2019) dürfte die Erhöhung beim Notdienstfonds einer Durchschnittsapotheke zusätzliche 1860 Euro pro Jahr einbringen. Zusammen mit der Dokumentationsgebühr ergeben sich damit zusätzliche Einnahmen von 2516 Euro pro Durchschnittsapotheke und Jahr.
Keine Kompensation für höhere Kosten
Zum Vergleich bietet sich ein Blick auf die Kosten an. Gemäß Apothekenwirtschaftsbericht der ABDA für 2018 betrugen die Personalkosten 10,7 Prozent und die sonstigen Kosten 7,3 Prozent vom Nettoumsatz, zusammen also 18,0 Prozent. Bei einem durchschnittlichen Nettoumsatz von 2,381 Millionen Euro betrugen die gesamten Kosten demnach 428.580 Euro. Die jüngste Erhöhung macht also nicht einmal 0,6 Prozent der Kosten der Apotheken aus. Zum 1. Januar 2020 steigen allerdings die Tarifgehälter um 1,9 Prozent. Ausgehend von den obigen Zahlen müssen in einer Durchschnittsapotheke allein dafür zusätzliche Kosten von 4840 Euro angesetzt werden. Die jüngste Honorarerhöhung kompensiert daher nicht einmal den neuesten Anstieg der Personalkosten. Hinzu kommen weitere Kostensteigerungen und die Belastung durch den Margenverfall als Folge des weiterhin steigenden Hochpreiseranteils.
Zwischenfazit
Damit lässt sich ein Zwischenfazit ziehen: Die zusätzlichen Honorare für den Notdienst und die Dokumentation sind politische Signale, die die Mühen der Apothekenteams um die Gemeinwohlpflichten symbolisch anerkennen. In einzelnen Apotheken, in denen diese Pflichten überproportional häufig vorkommen, können die jüngsten Erhöhungen diese Belastung mindern. Insgesamt ist der betriebswirtschaftliche Effekt minimal. Die Erhöhungen werden nicht einmal die unvermeidlichen Kostensteigerungen eines Jahres kompensieren und sich daher im durchschnittlichen Betriebsergebnis nicht niederschlagen.
Kein kurzfristiger Zusammenhang mit Schließungen
Außerdem sollte niemand erwarten, dass solche kleinen Honoraränderungen die Zahl der Apothekenschließungen erkennbar beeinflussen. Denn Apotheken, die sich der Verlustzone nähern, schließen, wenn der Mietvertrag ausläuft. Apotheken, die keinen langfristig ausreichenden Unternehmerlohn mehr erwirtschaften, schließen, wenn der Inhaber das Rentenalter erreicht. Die Zahl der Apothekenschließungen sollte daher kaum von kleinen kurzfristigen Korrekturen des Honorars, sondern mehr von der demografischen Entwicklung bei den Apothekenleitern abhängen. Steigende Betriebsergebnisse führen daher nicht kurzfristig zu weniger Schließungen (siehe Tabelle). Eher führen mehr Schließungen zu steigenden Betriebsergebnissen, weil die Durchschnittsapotheke durch die Umverteilung von schließenden Apotheken wächst.
Jahr | Betriebsergebnis einer Durchschnittsapotheke (in €) | Netto-Änderung der Apothekenzahl |
---|---|---|
2011 | 105.520 | - 203 |
2012 | 105.149 | - 317 |
2013 | 126.510 | - 259 |
2014 | 134.287 | - 221 |
2015 | 136.345 | - 192 |
2016 | 142.622 | - 226 |
2017 | 143.385 | - 265 |
2018 | 143.885 | - 335 |
Quelle für die Daten: Apothekenwirtschaftsberichte der ABDA |
Dennoch ist langfristig die Renditeerwartung der entscheidende Maßstab für ein unternehmerisches Engagement. Diese Renditeerwartung ist offenbar in vielen Apotheken so schlecht, dass ein großer Teil der aus Altersgründen angebotenen Apotheken keinen Nachfolger findet. Dies kann sich nicht ändern, solange die Honorarsituation nicht wesentlich und nachhaltig verbessert wird. Wenn aufgrund der Altersentwicklung der Apothekeninhaber künftig sogar noch mehr Apotheken angeboten werden und sich deren Renditeerwartungen nicht bessern, wird die Zahl der Schließungen voraussichtlich sogar steigen. Dann wird die flächendeckende Versorgung mit Vor-Ort-Apotheken nicht dauerhaft aufrechtzuerhalten sein und es droht eine Zwei-Klassen-Versorgung, bei der es persönlichen Vor-Ort-Service nur an Standorten mit besonderem Bedarf oder guter Kaufkraft gibt.
18 Jahre Anpassungsstau
Diese Entwicklung wird nur aufzuhalten ein, wenn mehr Geld in das Apothekensystem fließt. Die Politik muss akzeptieren, dass inhaltlich erweiterte Leistungen im Jahr 2020 nicht zum Preis von 2002 zu haben sind. Das Bezugsjahr für die Bemessung des Festzuschlags ab 2004 war 2002. Die Anpassung von 2013 war unzureichend, weil dabei Kostenanstiege mit Mehrumsätzen verrechnet wurden, obwohl die Apotheken längst nicht in dem unterstellten Ausmaß von einer Fixkostendegression profitierten. Es geht daher mittlerweile um einen Anpassungsstau von 18 Jahren, in denen nur kleine Nachbesserungen stattfanden. Anpassungen bei kleinen Honorarkomponenten wie zum Jahresanfang 2020 lösen diesen Stau nicht auf. Auch neue honorierte Dienstleistungen helfen dabei nicht weiter, denn diese verursachen neue Kosten, während die alten Kosten weiterbestehen. Nur planbare wiederholte Erhöhungen des Festzuschlags oder eine ganz neue Honorarkomponente können das System langfristig sichern. |
2 Kommentare
Welche Erhöhung der Vergütung?
von Dirk Krüger am 24.01.2020 um 16:05 Uhr
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Tasse Kaffee
von pi mal x am 24.01.2020 um 10:57 Uhr
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