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- DAZ 4/2020
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Arzneimittel und Therapie
Lipide frühzeitig senken
Langzeitdaten liefern neue Argumente
Der Nutzen einer lipidsenkenden Therapie zur Vermeidung kardiovaskulärer Ereignisse bei Hochrisikopatienten und im Rahmen der Sekundärprävention ist unbestritten. Hinsichtlich der Primärprävention ist die Datenlage jedoch uneinheitlicher (s. Kommentar auf S. 27), Therapieleitlinien berücksichtigen bisher lediglich Zehnjahreszeiträume und Labor-Schwellenwerte zur Einschätzung des individuellen Herz-Kreislauf-Risikos. Das kumulative Lebenszeitrisiko erhöhter Blutlipide könnte daher unterschätzt werden. In der größten bislang durchgeführten populationsbasierten Untersuchung hat ein internationales Forschungskonsortium die Rohdaten von 38 prospektiven Studien aus 19 Ländern analysiert [1]. Untersucht wurde der Zusammenhang zwischen Non-high-density-lipoprotein(HDL)-Cholesterol und kardiovaskulären Ereignissen wie Herzinfarkt und Schlaganfall. Der Gehalt an Non-HDL-Cholesterol wird durch Abzug des HDL-Cholesterol-Werts vom Gesamtcholesterol ermittelt und trifft somit eine Aussage zur Gesamtmenge an proatherogenen Lipoproteinen (Apolipoprotein B-enthaltendes very low density lipoprotein [VLDL], intermediate density lipoprotein [IDL] und low density lipoprotein [LDL]). Basierend auf diesen Laborwerten wurde ein Modell entwickelt, mit dem sich das Risiko für einen Herzinfarkt bis zum Alter von 75 Jahren abschätzen lässt.
Non-HDL-Cholesterol als Marker für Lebenszeitrisiko
Daten von 199.415 Personen wurden herangezogen, um das mit dem Non-HDL-Cholesterol-Spiegel assoziierte kardiovaskuläre Risiko zu berechnen. Zur Validierung des Zusammenhangs wurden Daten von 199.431 weiteren Personen genutzt. Zwischen 1970 und 2013 wurden bei einer medianen Nachverfolgung über 13,5 Jahre und einer maximalen Beobachtungsdauer von 43 Jahren 54.542 kardiovaskuläre Ereignisse erfasst. Mit zunehmenden Non-HDL-Cholesterol-Spiegeln wurde ein fortschreitend höheres 30-Jahres-Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse ermittelt. Das Risiko reichte von 7,7% (Frauen) bzw. 12,8% (Männer) bei einem Non-HDL-Cholesterol-Wert < 2,6 mmol/l bis zu 33,7% (Frauen) bzw. 43,6% (Männer) bei einem Non-HDL-Cholesterol-Wert von ≥ 5,7 mmol/l. Es zeigte sich, dass schon ein leicht erhöhter non-HDL-Wert zwischen 3,7 und 4,8 mmol/l (entsprechend ca. 145 bis < 185 mg/dl) bei einer 40-jährigen Frau zu einem 1,8-fach erhöhten Infarktrisiko in ihrem Leben führt. Bei einem 40-jährigen Mann verdoppelt sich das Risiko gegenüber Personen mit nicht erhöhten Cholesterol-Werten. Anhand des entwickelten Modells ließ sich das Cholesterol-abhängige Langzeitrisiko für kardiovaskuläre Ereignisse in der Validierungskohorte zudem treffsicher voraussagen. „Der ungünstige Effekt der schädlichen Blutfette auf die Gefäße scheint sich mit steigendem Lebensalter zu akkumulieren, sodass auch geringe Grenzwertüberschreitungen, gerade bei jüngeren Menschen, über die Jahre negative Auswirkungen haben können“, führt Dr. Fabian Brunner aus, einer der Erstautoren der Studie und Kardiologe am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf [2]. Die Forscher berechneten auch, wie sich eine Cholesterol-Senkung um 50% langfristig auswirkt: Bei einem 40-jährigen Mann ohne weitere Risikofaktoren lässt sich das kardiovaskuläre Risiko so von 19 auf etwa 4% reduzieren. Strategien zur Primärprävention durch eine frühzeitige lipidsenkende Therapie könnten zukünftig also wieder verstärkt diskutiert werden. |
Literatur
[1] Brunner FJ et al. Application of non-HDL cholesterol for population-based cardiovascular risk stratification: results from the Multinational Cardiovascular Risk Consortium. Lancet 2019;394(10215):2173-2183
[2] Pressemitteilung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf vom 4. Dezember 2019. www.uke.de
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