Arzneimittel und Therapie

Träumen erwünscht …

REM-Schlafphase trägt entscheidend zur Gesundheit bei

Der Mensch verbringt etwa ein Drittel seines Lebens mit Schlafen. Der Körper benötigt diese Ruhepause, um Erinnerungen zu verarbeiten, Gelerntes zu festigen und um sich zu regenerieren. Daher verwundert es nicht, dass es zu weitreichenden Folgen kommen kann, wenn die von Träumen geprägte Rapid-Eye-Movement-Phase gestört wird.

Während wir schlafen, verarbeitet unser Gehirn die Erlebnisse des Tages, und unser Körper regeneriert sich, um am nächsten Morgen wieder fit und erholt zu sein. Aber Schlaf ist nicht gleich Schlaf. Als gesunden Schlaf bezeichnet man jenen, in dem die unterschiedlichen Schlafphasen ungestört durchlaufen werden.

Foto: Nataliia – stock.adobe.com

In Traumfängern sollen der Sage nach schlechte Träume in dem Netz eingefangen und später durch die Morgensonne neutralisiert werden.

Schlaf in Etappen

Nach einer Leichtschlafphase zu Beginn folgt die Mittel- bzw. Tiefschlafphase (Non-REM-Phase). Der Körper geht in den Ruhezustand über: Blutdruck und Atemfrequenz senken sich ab, der Schlafende ist in dieser Zeit nur schwer zu wecken. Danach folgt wieder eine Leichtschlafphase. Erst jetzt fallen wir in den sogenannten REM-Schlaf (engl. Rapid Eye Movement). Der Name kommt daher, dass sich während dieser Periode die Augen hinter den geschlossenen Lidern auffällig stark bewegen. In dieser Zeit träumen wir intensiv. Die verschiedenen Schlafphasen wiederholen sich während der Nacht mehrmals. Ein Schlafzyklus umfasst dabei fünf Phasen (wach, REM, Phase I, II und III) (siehe Abbildung 1) und dauert etwa 90 Minuten. Insgesamt befinden wir uns in etwa 25 Prozent der gesamten Schlafdauer im REM-Schlaf. Der REM-Schlaf nimmt also verhältnismäßig viel Raum in unseren Schlafzimmern ein. Und das ist gut so, denn es läuft in dieser Zeit eine ganze Reihe interessanter und wichtiger neurologischer Prozesse in unserem Körper ab. In den vielen Untersuchungen zum REM-Schlaf finden sich auch Studien, die postulieren, dass verringerte REM-Phasen zu gesundheitlichen Problemen führen können. Beim Thema gesunder Schlaf geht es scheinbar nicht nur um die Dauer, sondern auch um die richtige Zusammensetzung.

Abb. 1: Die Schlafphasen wiederholen sich mehrmals pro Nacht und bilden einen Zyklus. In der ersten Nachthälfte überwiegt der Tiefschlaf (Zyklus 1 und 2), in der zweiten Nachthälfte und in den frühen Morgenstunden findet vermehrt REM-Schlaf statt (Zyklus 4 und 5).

Wer viel träumt, lebt länger

Im JAMA Neurology wurde eine Studie veröffentlicht, die untersucht hat, ob es einen Zusammenhang zwischen REM-Schlafphasen und einer erhöhten Sterblichkeit gibt. Die Ergebnisse sind überaus interessant, werfen jedoch noch weitere Fragen auf.

Die Daten für die Analyse stammen aus zwei unterschiedlichen Kohorten. Kohorte 1 entspringt der „Outcomes of Sleep Disorders in Older Men (MrOS)“-Studie aus den Vereinigten Staaten. Die verwendeten Daten stammen aus einer kleineren Subgruppe und umfassen 2675 Männer im durchschnittlichen Alter von 76,3 Jahren. Die Teilnehmer der MrOS-Studie wurden von Dezember 2003 bis März 2005 rekrutiert und über durchschnittlich 12,1 Jahre hinweg beobachtet. Die zweite Kohorte war etwas kleiner. Sie stammt aus der „Wisconsin Sleep Cohort“ (WSC), die zurückgeht auf das Jahr 1988 und immer noch läuft. 1386 Personen sind inkludiert, darunter 753 Männer (54,3%) und 633 Frauen. Hier lag das mittlere Alter bei 51,5 Jahren. Die WSC-Kohorte greift auf Beobachtungsdaten von durchschnittlich über 20 Jahren (17,9 bis 22,4) zurück.

Die Ergebnisse dieser hier vorgestellten Studie mit insgesamt 4050 Personen aus zwei unabhängigen Kohorten weisen auf eine Assoziation zwischen erniedrigten REM-Schlafphasen und einem erhöhten Mortalitätsrisiko hin. In der MrOS-Kohorte zeigte sich eine 13 Prozent höhere Mortalitätsrate für jede 5%ige Reduktion der REM-Schlafphase nach Anpassung an multiple demografische, schlaf- und gesundheitsbezogene Kovariaten (altersangepasste Hazard Ratio (HR) = 1,12; voll angepasste Hazard Ratio = 1,13; 95%-Konfidenzintervall (KI): 1,08 bis 1,19). Die Probanden verstarben dabei vorwiegend an kardiovaskulären Ereignissen oder anderen Todesursachen. Keinen Zusammenhang dagegen konnte mit einer krebsbedingten Sterblichkeit ausgemacht werden.

Mindestens 15 Prozent

Die Forscher beobachteten einen möglichen Schwellenwert: Personen mit weniger als 15 Prozent REM-Schlafphase hatten eine höhere Mortalitätsrate im Vergleich zu Personen mit mehr als 15 Prozent REM-Schlaf. Die Ergebnisse wurden in der WSC-Kohorte trotz des deutlich jüngeren Alters und unter Einbeziehung von Frauen und längerer Nachbeobachtung repliziert (Hazard Ratio = 1,13; 95%-KI: 1,08 bis 1,19). Eileen B. Leary von der Stanford Universität in Kalifornien und ihr Team identifizierten bei der Überlebenszeitanalyse den REM-Schlaf als das wichtigste Schlafstadium, wenn es um ein assoziiertes Mortalitätsrisiko geht. REM-Schlaf könnte folglich als ein Indikator für das Mortalitätsrisiko in einem breiten Altersbereich herangezogen werden. Ein Blick auf Geschlechterunterschiede zeigte, dass sich bei Frauen im Vergleich zu Männern die Gesamtmortalität stärker erhöht. Was diese Studie allerdings noch nicht zeigen konnte, ist die Frage nach der Kausalität. Schlaf ist eine überaus komplexe biologische Funktion, und die vielen Einflussfaktoren sind nicht ohne Weiteres über einen längeren Zeitraum messbar. Allerdings könnten schon jetzt Strategien zur Erhaltung des REM-Schlafs das Mortalitätsrisiko verringern, insbesondere bei Erwachsenen mit weniger als 15 Prozent REM-Schlafphase.

Tab.: Beeinflussung der Schlafstruktur durch Arzneimittel
Schlafstadium
Benzodiazepine
Z-Substanzen
H1-Blocker
Einschlaflatenz
←→
REM-Schlaf
↓↓
←→
Tiefschlaf
↓↓
↓↑
Gesamtschlaf
←→

↓/↑ leichte Verkürzung/Verlängerung, ↓↓/↑↑ mittlere Verkürzung/Verlängerung

↓↓↓/↑↑↑ starke Verkürzung/Verlängerung, ←→ unverändert

Arzneimittel, die den Schlaf beeinflussen

Ein Weg, den REM-Schlaf zu erhalten, ist, den Einsatz von Hypnotika zu vermeiden. Nicht selten greifen von Schlaflosigkeit geplagte Menschen zu Substanzen wie Benzodiazepinen, Z-Substanzen oder den verschreibungsfreien H1-Antagonisten. Optimalerweise sollte ein Schlafmittel den natürlichen Schlafrhythmus nicht beeinträchtigen: Doch in diesem Punkt weichen Theorie und Praxis leider weit auseinander. So gibt es kein Hypnotikum, das nicht in irgendeiner Weise das natürliche Schlafverhalten beeinflusst (s. Tabelle). Am stärksten werden die Phase-III- und die REM-Schlafphase durch die Hypnotika beeinflusst. Werden Arzneistoffe, die die REM-Phase beeinflussen, nach längerer Anwendung schlagartig abgesetzt, so kann es zu einem sogenannten REM-Rebound kommen. Dabei treten die REM-Phasen verlängert und gehäuft auf, oft kommt es zu Albträumen. Entsprechende Schlafmittel sollten deshalb prinzipiell nur bei Bedarf eingesetzt werden und falls nötig, schrittweise abgesetzt werden. |
 

Literatur

Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Auflage 2004, Walter de Gruyter, Berlin

Leary EB, Watson KT, Ancoli-Israel S, et al. Association of Rapid Eye Movement Sleep With Mortality in Middle-aged and Older Adults. JAMA Neurol. 2020;10.1001/jamaneurol.2020.2108. doi:10.1001/jamaneurol.2020.2108

Thomas Herdegen. Pharmako-logisch! Psychiatrie, Demenz, Depression, Schizophrenie, Schlafstörungen und Angst, 1. Auflage 2015, Deutscher Apotheker Verlag

Geisslinger G, Menzel M, Gudermann T, Hinz B, Ruth P, Mutschler – Arzneimittelwirkungen. 11. Auflage 2019, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart

Apothekerin Dorothée Malonga Makosi, MPH

Das könnte Sie auch interessieren

Auch Zebrafische fallen in REM-Schlaf

Die Träume der Fische

Schlafzimmertemperatur bestimmt REM-Schlaf

Warme Träume

Mag sein, sie träumen vom Fliegen

Schlummernde Tauben

Wenn Arzneistoffe den Schlaf stören

Vom Knirschen und Kreischen

Adrenerge Neuronen steuern die Nachtruhe

Das Geheimnis der Kurzschläfer

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.