Infektiologie

Der ältere HIV-Patient in der Apotheke

Der richtige Umgang mit komplexen Interaktionen

Durch die immer besseren Therapiemöglichkeiten bei einer Infektion mit dem humanen Immundefizienz-Virus (HIV) werden die Patienten glücklicherweise immer älter. Dadurch rücken allerdings immer mehr und andere Aspekte in den Fokus der pharmazeutischen Betreuung. Wir stellen einige Fälle besonderer pharmazeutischer Herausforderungen vor und zeigen Lösungen. | Von Nico Kraft

Mit steigendem Alter nimmt auch die Anzahl von altersbedingten Diagnosen bei HIV-Patienten zu. Die Entwicklung ist bei dieser Patientengruppe sogar beschleunigt. Das zeigt sich darin, dass mehr als zwei Drittel aller Patienten über 50 Jahren wegen einer zusätzlichen Komorbidität in ärztlicher Behandlung sind. Dadurch werden die Apothekenmitarbeiter immer mehr zum Manager zwischen verschiedenen Facharztgruppen und gefragter Ansprechpartner für den Patienten, wenn es um seine Medikation und Arzneimitteltherapien geht. Bis vor wenigen Jahren drehten sich die am häufigsten zu klärenden Fragen in der Offizin um alles, was die eigentliche HIV-Therapie betraf. Es tauchten Fragen auf nach Dosierung, Kombinationsmöglichkeiten, diätetischen Vorgaben, Nebenwirkungen und deren Management. In den letzten Jahren hat sich die HIV-Therapie allerdings immer weiter entwickelt, der Großteil der Patienten ist mittlerweile auf ein sogenanntes Single-Tablet-Regime (STR) eingestellt. Das bedeutet, dass der Patient zur Replikationsunterdrückung des HI-Virus nur eine einzige Tablette am Tag zu einem bestimmten Zeitpunkt einnehmen muss. In diesen Tabletten sind zwei bis drei Wirkstoffe kombiniert, wodurch die Bequemlichkeit (Convenience) der Medikation für den Patienten gefördert wird und Fragen nach dem Einnahmeintervall und zur Dosierung in den Hintergrund treten. Der Apotheker muss durch solche Tabletten auch nicht mehr hinterfragen, ob die antiretroviralen Wirkstoffe in dieser Kombination zusammenpassen und ob das Zusammenspiel eine ausreichende Therapie darstellt. Das erleichtert zum einen die tägliche Arbeit, allerdings bringen gerade bei älter werdenden Patienten diese Single-Tablet-Regime auch neue Probleme mit sich. Aufgrund der fixen Kombination und der damit auch festgelegten Dosierung kann es zu Problemen kommen, wenn ein Arzneistoff interagiert oder wenn es aufgrund von altersbedingten Veränderungen im Metabolismus (z. B. Nierenfunktionseinschränkungen), zu Dosisanpassungen kommen muss. In diesen Fällen gibt es manchmal die Möglichkeit, die Begleitmedikation zu ändern, andernfalls muss das Single-Tablet-Regime aufgebrochen werden. Dieses führt in vielen Fällen zu pharmazeutischen Herausforderungen:

? Ist es möglich, alle Wirkstoffe des Single-Tablet-Regime als einzelne Substanzen zu bekommen oder muss auf andere Wirkstoffe/Wirkstoffgruppen gewechselt werden, wenn ein Arzneistoff interagiert oder die Dosis reduziert werden muss? Es sind nicht alle Wirkstoffe als einzelnes Fertigarzneimittel zu erhalten, z. B. Biktegravir, ein Integrase-Inhibitor, der in Kombination mit Emtricitabin und Tenofoviralafenamid für die Behandlung von Patienten mit HIV-1 eingesetzt wird.
! Mögliche Lösung für die Praxis: Häufig kann innerhalb einer Wirkstoffklasse auch unter therapeutischer Sichtweise der Arzneistoff ohne größere Risiken gewechselt werden. Für das oben erwähnte Beispiel könnte dem Behandler ein Splitten des Single-Tablet-Regime, in diesem Fall das Präparat Biktarvy® (Zusammensetzung s. Tab. 1), auf eine Therapie mit Descovy® und als alternativer Integraseinhibitor Dolutegravir vorgeschlagen werden. Dadurch könnte man den therapeutischen Nutzen eines modernen Integraseinhibitors weiter aufrechterhalten und wenn nötig den Backbone der Therapie austauschen.

 

HandelsnameSubstanzAbkürzungHersteller
Atripla® oder generischEfavirenz/Tenofovir/EmtricitabinEFV/TDF/FTCBristol-Myers Squibb/Gilead mehrere Hersteller
Biktarvy®Bictegravir + Tenofoviralafenamid + EmtricitabinFTC/TAF/BICGilead Sciences
Delstrigo®Doravirin/Tenofovirdisoproxil/LamivudinDOR/TDF/3TCMSD
Dovato®Dolutegravir + LamivudinDTG/3TCViiV Healthcare
Eviplera®Tenofovir/Emtricitabine/RilpivirinTDF/FTC/RPVJanssen-Cilag/Gilead
Genvoya®Emtricitabin/Tenofovir Alafenamid/Elvitegravir/CobicistatFTC/TAF/EVG/cGilead Sciences
Juluca®Dolutegravir + RilpivirinDTG/RPVViiV Healthcare
Odefsey®Emtricitabin/Tenofovir Alafenamid/RilpivirinFTC/TAF/RPVGilead Sciences
Stribild®Elvitegravir/Cobicistat/Tenofovir/EmtricitabinTDF/FTC/EVG/cGilead Sciences
Symtuza®Darunavir/Cobicistat/Emtricitabin/Tenofovir AlafenamidFTC/TAF/DRV/cJanssen-Cilag/Gilead
Triumeq®Abacavir/Lamivudin/DolutegravirABC/3TC/DTGViiV-Healthcare
Trizivir®Azidothymidin/Abacavir/LamivudinAZT/ABC/3TCViiV Healthcare

? Wie sieht jeweils die Dosierung aus, wenn z. B. eine Dosisanpassung an die Nierenfunktion notwendig wird? Dieses ist insbesondere bei Tenofovirdisoproxilfumarat (TDF), eine entscheidende Frage, einem häufig eingesetzten Wirkstoff.
! Mögliche Lösung für die Praxis: Gerade wenn eine HIV-Therapie Tenofovirdisoproxilfumarat beinhaltet, sollte auch in der Selbstmedikation darauf geachtet werden, dass der Patient möglichst keine Arzneimittel erhält, die renale Probleme verursachen können. So ist es mit Sicherheit wichtig, den „richtigen“ Gebrauch von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) zu erläutern und einem problematischen Konsum entgegenzuwirken. Sobald die Nierenfunktion eingeschränkt ist, wird empfohlen, die Dosierung von Tenofovirdisoproxilfumarat anzupassen:

  • leichte Nierenfunktionsstörung (Kreatinin-Clearance 50 bis 80 ml/min): Standarddosierung von 245 mg TDF pro Tag beibehalten
  • mittelgradige Nierenfunktionsstörung (Kreatinin-Clearance 30 bis 49 ml/min): alle 48 Stunden eine Tablette mit 245 mg TDF
  • schwere Nierenfunktionsstörung (Kreatinin-Clearance < 30 ml/min): 245 mg TDF können alle 72 bis 96 Stunden angewendet werden (Dosierung: zweimal wöchentlich)
  • hämo-dialysepflichtige Patienten: 245 mg TDF können alle sieben Tage im Anschluss an eine Hämodialyse-Sitzung angewendet werden

? Hat der Patient die jeweilige Dosierung verstanden? Kann die Vielzahl an Tabletten, die eingenommen werden muss, im Alltag gemanagt werden? Gerade wenn noch wegen altersbedingten Herz-Kreislauf-Erkrankungen (s. den Beitrag von Rockstroh JK und van Bremen K „Älter werden mit HIV – Konsequente antiretrovirale Therapie verlängert die Lebenserwartung von Menschen mit HIV“ auf S. 48 in dieser DAZ) eine Dyslipidämie oder ein Diabetes mellitus Typ 2 hinzukommen, kann die Zahl der Tabletten, die der Patient an einem Tag einnehmen soll, leicht im zweistelligen Bereich liegen.
! Mögliche Lösung für die Praxis: Hier sind dann klassische Fragen zu beantworten, die einen vollständigen Medikationsplan, Adhärenz-Schulungen, mögliche Hilfsmittel wie Dosetts oder eine patientenindividuelle Verblisterung betreffen. Nach einer Medikationsanalyse ist es häufig auch möglich, den behandelnden Ärzten Vorschläge zur Therapievereinfachung zu unterbreiten. Hierbei können spannende Fragen, aber auch Interessenkonflikte entstehen, welcher Arzt der richtige Ansprechpartner ist, also z. B. der Infektiologe, der Kardiologe oder der häufig im ländlichen Raum noch vorhandene Hausarzt? Wie bei jedem anderen multimorbiden Patienten ist es sehr wichtig, den Gesamtzustand im Auge zu behalten. Auch manche HIV-Patienten arrangieren sich mit großen Tablettenzahlen und bekommen den Umgang gut gehändelt. Insbesondere für viele Langzeit-Infizierte, die schon eine HIV-Therapie mit großen Tablettenzahlen und Einnahmerestriktionen in den 90er-Jahren bewältigt haben, stellen sechs, sieben oder acht Tabletten am Tag keine Herausforderung dar. Wenn es zu Problemen mit der Gesamtmedikation kommt, sind meist die HIV-Therapeuten ein guter erster Ansprechpartner bei der Suche nach einer Lösung. In der Regel sind diese Ärzte sehr gut informiert und sensibilisiert, was die Themen Interaktionen und Komorbiditäten angeht.

? Ältere HIV-Patienten haben meist eine Vielzahl an Komorbiditäten und nehmen mehrere Arzneimittel ein. Wie kann man die vermehrt auftretenden Interaktionen überblicken? Diese können zum Teil schwerwiegend sein und sowohl das Arzneimittel gegen das HI-Virus als auch den Interaktionspartner beeinflussen. Hier gilt es in der Apotheke abzuwägen, denn nicht jede vom Kassensystem gemeldete Interaktion ist auch wirklich therapeutisch relevant. Es kann aber durchaus vorkommen, dass es Interaktionen gibt, die nicht bzw. noch nicht in der ABDA-Datenbank gelistet sind.
! Mögliche Lösung für die Praxis: Die moderneren HIV-Arzneimittel interagieren im Vergleich zu den älteren Präparaten seltener, allerdings sind die Interaktionen sehr komplex geworden. Es betrifft heute nicht mehr nur das Cytochrom-P450-System, sondern Interaktionen kommen auch häufig durch das P-Glykoprotein und renale Transporter zustande. Daher sollte man sich bei der Betreuung von HIV-Patienten regelmäßig in diesem Bereich auf den aktuellen Stand bringen und Interaktionsdatenbanken nutzen. Neben der klassischen ABDA-Datenbank empfiehlt es sich gerade bei einer antiretroviralen Therapie, noch weitere spezialisierte Datenbanken zurate zu ziehen. Sehr zu empfehlen für die HIV-Therapie ist eine kostenlose Datenbank der Universität Liverpool, die Übersichtscharts für einzelne Indikationen, aber auch einen Online-Interaktions-Checker für antiretrovirale Wirkstoffe mit Begleitmedikation zur Verfügung stellt: www.hiv-druginteractions.org. Zu Interaktionen kann es häufig auch bei Arzneimitteln kommen, die mit zunehmendem Lebensalter wahrscheinlicher in der Anwendung werden. Jede Verordnung, vor allem Neuverordnungen z. B. von Antidiabetika, Hormonersatztherapie, Antipsychotika, Antidepressiva, Lipidsenkern, Antihypertensiva und Antikoagulanzien, sollte gezielt kontrolliert werden.

? Besonders bei einer Krebserkrankung ist Vorsicht geboten, denn es gibt eine Vielzahl von Interaktionen zwischen der HIV-Therapie und der Chemotherapie.
! Mögliche Lösung für die Praxis: Die Interaktionen können das gesamte Spektrum der Tumortherapie betreffen. In einem aktuellen Fall wurde bei einer Patientin, die seit vielen Jahren eine HIV-Therapie mit Symtuza® bekommt, die Diagnose Mammakarzinom gestellt. Der Onkologe verordnete Tamoxifen. Da zwischen dem HIV-Behandler und dem Onkologen kein Austausch stattgefunden hat, ist die problematische Kombination erst in der Apotheke aufgefallen. Das Problem an der gleichzeitigen Anwendung ist eine Interaktion über das Cytochrom-P450-System. Der selektive Estrogenrezeptormodulator (SERM) Tamoxifen wird als Prodrug erst nach hepatischer Metabolisierung pharmakologisch wirksam. Das Fertigarzneimittel Symtuza® enthält mit Cobicistat einen Hemmstoff des CYP450-Systems, so dass es durch die Hemmung von CYP3A4- und CYP2D6-Enzymen zu einem Wirkverlust bei Tamoxifen kommt. In diesem Fall konnte durch den Kontakt mit dem HIV-Behandler von einer Protease-Hemmer-haltigen Therapie (Symtuza®) auf eine Integrase-Hemmer-haltige Therapie umgestellt werden. Dadurch wurde auf den Einsatz eines Boosters verzichtet und die kritische Interaktion umgangen.

Im onkologischen Bereich kann es je nach Situation durchaus sinnvoll sein, eine HIV-Therapie zu unterbrechen. In diesem Fall sind sowohl vom Arzt als auch von den Mitarbeitern in der Apotheke Fingerspitzengefühl in der Kommunikation mit dem Patienten gefragt, denn die Erfahrung zeigt, dass gerade für schon länger infizierte HIV-Patienten das Weglassen der antiretroviralen Therapie mit Schwierigkeiten verbunden sein kann. So hört man des Öfteren Sätze wie: „Diese Tabletten haben mir mein Leben gerettet, die kann ich doch nicht einfach austauschen oder gar weglassen.“ Diese Sätze sind im Hinblick auf die Historie der Patienten nachzuvollziehen, aber mit den heutigen medikamentösen Möglichkeiten finden sich in der Regel Lösungen für diese Problematik.

? Sehr häufig treten Probleme mit der Darreichungsform auf, denn viele Single-Tablet-Regime sind relativ große Tabletten. Es sind zwar oft Oblong-Tabletten, wodurch das Schlucken erleichtert wird, aber da viele Tabletten nicht zerkaut, zerkleinert oder geteilt werden dürfen, ist es doch ein weiteres Feld, in das der Apotheker sein Fachwissen einbringen kann. ­Zumal gerade im Alter immer wieder Schluckbeschwerden auftreten.
! Mögliche Lösung für die Praxis: Treten Probleme bei der Einnahme der Tabletten auf, sollte der Apotheker für den Behandler immer der erste Ansprechpartner sein, wenn es um das Teilen oder Zermörsern der Tabletten geht, denn neben den jeweiligen Fachinformationen kann auch technologisches Fachwissen zu einer patientenindividuellen Lösung beitragen (s. Tab. 2). Die Problematik des Tablettenschluckens kann auch außerhalb der Therapie der HIV-Infektion in HIV-Schwerpunktpraxen auftreten. So kommen bei der HIV-Prä-Expositions-Prophylaxe (HIV-PrEP) von vielen Anwendern Kommentare zur Größe der Kombinationstablette mit Emtricitabin und Tenofovirdisoproxil und den damit verbundenen Schluckproblemen. In diesem Fall können die Tabletten auch in ein wenig Wasser oder in Orangensaft gelöst und unmittelbar getrunken werden.

Tab. 2: Anwendungshinweise und Erfahrungen zu Präparaten einer antiretroviralen Therapie
Handelsname (Beispiele)
Darreichungsform
Wirkstoffe und zur Verfügung stehende Dosierungen
diätetische Information laut Fachinfo
Teilbarkeiten laut Fachinfo
klinische Erfahrung bzw. Besonderheiten*
Atripla®
Filmtabletten
600 mg Efavirenz, 200 mg Emtricitabin, 245 mg Tenofovir­disoproxil
auf nüchternen Magen empfohlen
einmal täglich unzerkaut mit Wasser einnehmen
Zerkleinerung/Suspendierung der Tablette nicht empfohlen
Celsentri®
Filmtabletten
150 mg bzw. 300 mg Maraviroc
mit oder ohne Mahlzeit
zum Einnehmen
Cave bei Soja oder Erdnuss-Allergie
Combivir®
Filmtabletten
150 mg Lamivudin/300 mg Zidovudin
mit oder ohne Mahlzeit
zerkleinert und mit halbfester Nahrung oder Flüssigkeit gemischt unmittelbar einzunehmen
Lamivudin- und Zidovudin-Monopräparate als Tabletten/Kapseln und Lösungen zum Einnehmen verfügbar
Descovy®
Filmtabletten
200 mg Emtricitabin und 10 mg bzw. 25 mg Tenofovir­alafenamid
unabhängig von einer Mahlzeit
darf nicht zerkaut, zerkleinert oder geteilt werden
Zerkleinerung/Suspendierung der Tablette nicht empfohlen; keine Daten zur Sondengabe; Off-Label-Use
Emtriva®
Hartkapseln
200 mg Emtricitabin
zu einer Mahlzeit oder unabhängig davon
Lösung zum Einnehmen verfügbar
keine Daten zur Sondengabe
Epivir®
Filmtabletten
300 mg bzw. 150 mg Lamivudin
mit oder ohne Mahlzeit
zerkleinert und mit halbfester Nahrung oder Flüssigkeit gemischt unmittelbar einzunehmen
Lösung zum Einnehmen verfügbar
Eviplera®
Filmtabletten
200 mg Emtricitabin, 25 mg Rilpivirin, 245 mg Tenofovir­disoproxil
muss zum Essen eingenommen werden
im Ganzen mit Wasser; die Filmtablette darf nicht zerkaut oder zerdrückt werden
Zerkleinerung/Suspendierung der Tablette nicht empfohlen
Genvoya®
Filmtabletten
150 mg Elvitegravir, 150 mg Cobicistat, 200 mg Emtricitabin, 10 mg Tenofovir­alafenamid
zum Essen
darf nicht zerkaut, zerkleinert oder geteilt werden
Zerkleinerung/Suspendierung der Tablette nicht empfohlen
Isentress®
Filmtabletten
400 mg bzw. 600 mg Raltegravir
unabhängig von der Nahrungsaufnahme
nicht kauen, zerdrücken oder teilen
durch Zerkauen war in einer Studie kein Wirkverlust zu beobachten
Kivexa®
Filmtabletten
600 mg Abacavir, 300 mg Lamivudin
mit oder ohne Mahlzeit
zum Einnehmen
Retrovir®
Hartkapseln
100 mg bzw. 250 mg Zidovudin
zum Einnehmen
Kapsel kann geöffnet werden, Pulver unverzüglich mit geringer Menge halbflüssiger oder flüssiger Nahrung ein­nehmen
Stribild®
Filmtabletten
150 mg Elvitegravir, 150 mg Cobicistat, 200 mg Emtricitabin, 245 mg Tenofovir­disoproxil
zum Essen
darf nicht zerkaut oder zerteilt werden
In einer Studie an Gesunden zeigte sich nach Mörsern bei Gabe mit Essen bzw. mit Sondennahrung keine Änderung der Pharmakokinetik
Symtuza®
Filmtabletten
800 mg Darunavir, 150 mg Cobicistat, 200 mg Emtricitabin, 10 mg Tenofovir­alafenamid
mit einer Mahlzeit
Tablette sollte nicht zerbrochen werden
pharmakokinetische Studie: kein relevanter Einfluss von Teilen oder Mörsern auf die Bioverfügbarkeit der Einzelsubstanzen (Tenofovir­alafenamid AUC 20% vermindert)
Tivicay®
Filmtabletten
10 mg, 25 mg, 50 mg Dolutegravir
mit oder ohne Mahlzeit
zum Einnehmen
kann geteilt/zerkleinert und unverzüglich mit geringer Menge halbflüssiger oder flüssiger Nahrung eingenommen werden
Triumeq®
Filmtabletten
50 mg Dolutegravir, 600 mg Abacavir, 300 mg Lamivudin
mit oder ohne Mahlzeit
zum Einnehmen
kann geteilt/zerkleinert und unverzüglich mit geringer Menge halbflüssiger oder flüssiger Nahrung eingenommen werden
Truvada®
Filmtablette
200 mg Emtricitabin, 245 mg Tenofovir­disoproxil
empfohlen, zu einer Mahlzeit einzunehmen
bei Patienten mit Schluck­beschwerden kann Truvada® in ca. 100 ml Wasser, Orangen- oder Traubensaft aufgelöst, dann unverzüglich eingenommen werden
Fallberichte zur Sondengabe liegen vor
Tybost®
Filmtabletten
150 mg Cobicistat
zum Essen
darf nicht zerkaut oder zerkleinert werden
keine Daten zu Zerkleinerung/Suspendierung der Tablette oder zu Sondengabe
Viread®
Filmtabletten
auch als Granulat verfügbar
245 mg Tenofovir­disoproxil
zu einer Mahlzeit
Ausnahmsweise können Viread® Film­tabletten nach Auflösen in mindestens 100 ml Wasser, Orangen oder Traubensaft eingenommen werden
Fallberichte zur Sondengabe liegen vor
Ziagen®
Filmtablette mit Bruchkerbe
300 mg Abacavir
mit oder ohne Mahlzeit
zerkleinert und mit halbfester Nahrung oder Flüssigkeit gemischt unmittelbar einzunehmen
Lösung zum Einnehmen verfügbar

* Zusammengestellt nach bestem Wissen und Gewissen, für die Richtigkeit wird keine Haftung übernommen – Anwendung erfolgt teilweise außerhalb der Zulassung

Fazit

Immer mehr HIV-Patienten sind über 50 Jahre alt. Trotz der mittlerweile besser verträglichen und in der Regel leichter einzunehmenden Therapien bleibt die Betreuung dieser Patienten immer noch pharmazeutisch sehr interessant. Mit zunehmendem Alter entstehen bei vielen Patienten Begleiterkrankungen, und das Management dieser ist im Rahmen der HIV-Therapie meist anspruchsvoll. Gerade im Hinblick auf die unterschiedlichen Therapien und zum Teil auch Facharztgruppen, wird der Apotheker zu einem Bindeglied in der Pharmakotherapie. In der Zukunft wird es spannend sein, zu sehen, wie sich soziale Faktoren im Umgang mit einer HIV-Infektion ge­ändert haben, denn im Alltag gibt es immer noch starke Berührungsängste mit HIV-Patienten, zum Teil sicher aufgrund von fehlender Aufklärung. Aufmerksam sollte beobachtet werden, wie in Alten- und Pflegeheimen mit HIV-Patienten umgegangen wird, um mögliche Ängste und Vorbehalte bei Pflegenden und Mitbewohnern gar nicht erst aufkommen zu lassen. |

Autor

Nico Kraft, Dipl.-Pharm., Apotheker, ist Inhaber der Süd-Apotheke in Frankfurt und externer Doktorand im Arbeitskreis von Prof. Dr. Ulrich Jaehde an der Universität Bonn. Er promoviert über die pharmazeutische Betreuung von HIV-Patienten in Schwerpunktapotheken und ist Coautor der Kapitel „HIV“ und „Hepatitis C“ im Buch „Angewandte Pharmakotherapie“ von Olaf Rose und Kristina Friedland.

Angriff durch HIV – Wie HIV-positive Frauen optimal betreut werden

Die bahnbrechenden Entwicklungen muten in der medikamentösen Therapie des humanen Immundefizienzvirus (HIV) unwirklich an: Nach der Erstbeschreibung des Virus 1983 zeichnete sich eine Epidemie ab, die unzählige Todesopfer forderte. Über eine anfangs komplexe und nebenwirkungsreiche Pharmakotherapie ist in Deutschland heute ein gut verträgliches Single-Tablet-Regime Mittel der Wahl. Patienten können ein fast „normales“ Leben führen, während eine einzige täglich eingenommene Tablette die Viruslast unter der Nachweisgrenze hält und ausschließt, dass die Erkrankung weiter übertragen wird.

Doch trotz des wissenschaftlichen Fortschritts haftet dem HI-Virus der trügerische Ruf an, dass nur die Gruppe der homosexuellen Männer gefährdet sind. Frauen fühlen sich von Aufklärungskampagnen oft nicht angesprochen. Schätzungen des Robert Koch-Instituts zufolge sind 12% der Träger des HI-Virus in Deutschland nicht diagnostiziert. Viele davon rechnen nicht damit, sich infiziert haben zu können. Ein erheblicher Teil davon sind weibliche Patienten. Einige, die über ihre Infizierung Bescheid wissen, verschweigen zudem oft aus Scham ihre Diagnose. Weiterhin ist die Pharmakotherapie wie bei vielen anderen Arzneimittelklassen keineswegs geschlechtsneutral: Daten zur Pharmakokinetik und -dynamik der antiretroviralen Wirkstoffe stehen für Frauen nur unzureichend zur Verfügung. Die Therapie geht mit einer starken Enzyminhibition einher, was sich erheblich auf den weiblichen Hormonhaushalt auswirkt. So ist es nicht verwunderlich, dass mehr Frauen als Männer die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen abbrechen. Eine gute pharmazeutische Betreuung wird nicht nur auf Patienten­ebene dankbar aufgenommen, sondern leistet gleichzeitig einen Beitrag zur Eindämmung des Virus. Während ihres Vor­trages auf dem wissenschaftlichen eKongress der Interpharm werden Apothekerin Isabel Waltering aus Münster und die Ärztin und Infektiologin Dr. Annette Haberl vom HIV-Center Frankfurt für die Fallstricke in der Therapie HIV-positiver Frauen sensibilisieren. Sie werden zeigen, wie HIV-infizierte Frauen im Zusammenspiel zwischen Apotheker und Arzt optimal betreut werden können.

Dr. med. Annette Haberl, Frankfurt/M., und Apothekerin Isabel Waltering, PharmD, Münster, Wissenschaftlicher eKongress, Freitag, 25. September 2020, 15:00 bis 15:45 Uhr

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