Pandemie Spezial

Corona-Ticker

Neuigkeiten zu SARS-CoV-2 in Kürze

mab | Seitdem der Ausbruch des Coronavirus in Wuhan/China bekannt geworden ist und sich zu einer Pandemie ausgeweitet hat, überschlagen sich die Meldungen. Täglich ergeben sich neue Erkenntnisse zu Übertragung, Verlauf und Behandlungsoptionen des Virus.
Grafiken: GEMINI – stock.adobe.com

Wir sichten regelmäßig die Informationsflut und haben wichtige Mitteilungen und neue Erkenntnisse der letzten Wochen zusammengefasst:

Inhalatives Interferon-beta überzeugt

Interferone sind körpereigene Proteine, die andere Zellen vor Virenbefall schützen sollen. Bei der Suche nach wirksamen Therapien gegen COVID-19 wurde in Großbritannien inhalatives Interferon beta (SNG001) bei bereits hospitalisierten COVID-19-Patienten in einer doppelblinden, placebo-kontrollierten Studie mit 101 Patienten untersucht. Der Hersteller verkündet jetzt in einer Pressemitteilung, dass das Risiko, einen schweren Krankheitsverlauf innerhalb der ersten 16 Behandlungstage zu entwickeln, in der Verum-Gruppe um 79% niedriger war als in der Placebo-Gruppe. Auch war die Wahrscheinlichkeit zu genesen (definiert als „keine Einschränkung der Aktivitäten“ oder „kein klinischer oder virologischer Hinweis auf eine Infektion“) doppelt so hoch, wenn die Patienten SNG001 verabreicht ­bekamen, als wenn sie Placebo bekamen. Als Hauptsymptom von ­COVID-19 konnte die Atemnot bei den Verum-Patienten signifikant reduziert werden, sodass insgesamt bei weniger ­Patienten in dieser Gruppe zur künstlichen Beatmung übergegangen werden musste. Die Forscher merkten an, dass SNG001 unabhängig von der Erkrankungsdauer der COVID-19-Patienten wirksam war. Das bedeutet, dass das Arzneimittel in jeder Phase der ­Erkrankung eingesetzt werden kann [Pressemitteilung der Synairgen plc, 20. Juli 2020].

Wie SARS-CoV-2 das Immun­system lahmlegt

Um sich ungehindert im Wirtsorganismus ausbreiten zu können, bedienen sich Viren unterschiedlicher Mechanismen. Wie SARS-CoV-2 das menschliche Immunsystem runterreguliert, hat jetzt eine Forschergruppe der LMU München zusammen mit dem Uniklinikum Ulm herausgefunden. Ein kleines Protein namens NSP(-Nichtstrukturprotein)-1 spielt hier eine entscheidende Rolle. Wie der Name schon sagt, handelt es sich nicht um ein Strukturprotein von SARS-CoV-2, sondern vielmehr um ein Virusprotein, das gezielt die Immunabwehr des Wirts schwächen soll. Die Forscher haben mittels kryo-elektronischem Verfahren herausgefunden, dass NSP1 an die Ribosomen andockt und dort die Translation antiviraler Proteine verhindert, indem es den Ribosomenkanal verstopft und auf diese Weise das Ribosom nicht mehr in der Lage ist, den mRNA-Strang abzulesen. Dadurch werden keine antiviralen Proteine mehr synthetisiert, und das Virus hat freie Bahn, sich zu vermehren. Die Forscher sehen in dieser neuen Erkenntnis eine mög­liche neue Option der Prävention und Therapie von COVID-19: ­Indem man SARS-CoV-2 daran hindert, mit NSP1 an die Ribosomen zu binden, kann die körpereigene ­angeborene Immunantwort in ihrer Funktion aufrechterhalten und das ­Virus effektiv bekämpft werden [Thoms et al. Science 2020. doi: 10.1126/science.abc8665].

Nach einem Monat ist nur noch die Hälfte da

In der Diskussion über Immunitätspässe, Herdenimmunität und Impf­stoffe ist es entscheidend zu wissen, wie schnell die Antikörper-Titer gegen SARS-CoV-2 im menschlichen Körper sinken. Amerikanische Forscher haben diesen Aspekt jetzt bei 34 genesenen COVID-19-Patienten untersucht. Die meisten der Probanden hatten nur milde COVID-19-Symptome aufgewiesen, zwei bekamen Sauerstoff und Leronlimab (CCR5-Antagonist, zur Behandlung des Humanen Immundefizienz-Virus, aktuell nicht zugelassen), jedoch kein Remdesivir. Bei 31 Patienten wurden zweimal die IgG-Titer ­gegen das Spike-Protein von SARS-CoV-2 getestet, bei den übrigen drei wurden drei Messungen durchgeführt. Die erste Antikörper-Messung erfolgte im Schnitt 37 Tage nach Auftreten der ersten Symptome, die letzte 86 danach. Unter Einbeziehung des Alters und Geschlechts ermittelten die Forscher unter Annahme eines linearen Regressionsmodells, dass die Antikörper-Konzentration pro Tag um etwa 0,0083 log10 ng/ml abnahm. Daraus lässt sich eine Halbwertszeit der IgG-Antikörper von etwa 36 Tagen ermitteln. Dass der Abfall der Antikörper nach akuter Exposition nahezu exponentiell erfolgt, bereitet den Forschern Sorge, insbesondere in Betracht dessen, dass ein milder Verlauf wahrscheinlich keinen langfristigen Schutz vor einer erneuten Infektion garantiert. Die Forscher gehen jedoch davon aus, dass der Antikörper-Abfall sich 90 Tage nach den ersten Symptomen wahrscheinlich verlangsamt, weitere Studien dazu stehen aus [Ibarrondo et al. NEJM 2020. doi: 10.1056/NEJMc2025179].

Hydroxychloroquin enttäuscht auch im ambulanten Bereich

Die Behandlung von schwer erkrankten COVID-19-Patienten mit Hydroxychloroquin wurde in etlichen Studien mit ernüchterndem Ergebnis untersucht. Eine neue Studie hat jetzt die Wirksamkeit des Antimalariamittels bei ambulanten COVID-19-Patienten untersucht. In die Studie wurden insgesamt 491 Patienten einbezogen, die randomisiert orales Hydroxychloroquin (800 mg zu Beginn, nach sechs bis acht Stunden erneut 600 mg, anschließend über vier Tage einmal täglich 600 mg) oder Placebo erhielten. Bei 56% startete die Behandlung mit Verum oder Placebo am ersten Tag nach Auftreten von Symptomen. Die Patienten sollten selbst anhand einer 10-Punkte-Skala die Schwere ihrer Symptome an Tag 0, 3, 5, 10 und 14 bewerten. Innerhalb von 14 Tagen konnte kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Behandlungsgruppen bezüglich einer Verbesserung der Symptome festgestellt werden (absoluter Punkte-Unterschied: - 0,27, 95%-Konfidenzintervall: - 0,61 bis - 0,07, p = 0,117). Nach 14 Tagen wiesen noch 24% der Hydroxychloroquin-Gruppe und 30% der Placebo-Gruppe Symptome auf. Insgesamt waren die Studienteilnehmer relativ jung (77% jünger als 50 Jahre) und wiesen kaum Komorbiditäten auf. Eine weitere Limitation der Studie ist, dass aufgrund von Test-Mangel nur 58% der Probanden eine gesicherte COVID-19-Diagnose vorweisen konnten [Skipper CP et al. Annals of Internal Medicin 2020. doi: 10.7326/M20-4207].

Unsichtbarer Schutz

Zwei Designer aus New York haben ­einen biologisch abbaubaren Mund-Nasen-Schutz aus Zellulose entworfen. Mittels Wasser, Zucker, Tee und dem Bakterium Acetobacter xylinum konnte im Labor eine durchsichtige Zellulose hergestellt werden, welche anschließend zu einer Maske weiterverarbeitet wurde. Neben der Umweltverträglichkeit dürften Gehörlose den größten Nutzen dieser Maske haben: Da sie aus transparentem Material besteht, ist das Lippenablesen im Gegensatz zu herkömmlichen Masken möglich [Meldung der Ärzte Zeitung, 21. Juli 2020].

Neugeborene vor SARS-CoV-2 schützen

Auch nach der Geburt sind viele Eltern verunsichert, wie sie ihr Kind vor einer möglichen SARS-CoV-2-­Infektion schützen können. In einer kleinen Studie aus New York wurde untersucht, ob sich die Neugeborenen bei der infizierten Mutter anstecken können, wenn sie nach der Geburt im gleichen Zimmer sind und die allgemeinen Hygienevorschriften, wie das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes während dem Stillen sowie gute Hand- und Brusthygiene, eingehalten werden. Insgesamt wurden 116 positiv auf SARS-CoV-2 getestete Gebärende und 120 Kinder in die Studie einbezogen. Die Kinder wurden 24 Stunden, fünf bis sieben Tage und 14 Tage nach der Geburt auf das Coronavirus getestet. Bei keinem konnte eine Infektion festgestellt werden. Die Forscher gehen daher davon aus, dass eine perinatale Übertragung unwahrscheinlich ist, wenn die Hygienemaßnahmen eingehalten werden. Eine andere Studie hat untersucht, ob SARS-CoV-2 durch Pasteurisieren der Muttermilch inaktiviert werden kann. Bei allen zehn Muttermilchproben konnte nach Erhitzen auf 62,5° Celsius über 30 Minuten kein Virus mehr detektiert werden [Salvater CM et al. The Lancet Child & Adolescent Health 2020. doi:10.1016/S2352-4642(20)30235-2; Unger S et al. CMAJ 2020. doi:10.1503/cmaj.201309].

Deutscher Impfstoff in Phase III

Nach dem amerikanischen Unternehmen Moderna hat jetzt auch der Mainzer Impfstoffhersteller Biontech in Kooperation mit Pfizer den Start der Phase-III-Studie seines mRNA-Impfstoffs BNT162 gegen SARS-CoV-2 bekanntgegeben. Insgesamt sollen an 120 Standorten weltweit knapp 30.000 Menschen im Alter von 18 bis 85 Jahren mit zwei 30-μg-Impfstoffdosen immunisiert werden. Die Firma gibt außerdem bekannt, dass bei guten Ergebnissen eine behördliche Überprüfung des Impfstoffs für Oktober 2020 geplant ist. Falls dieser genehmigt wird, sollen dann bis Ende 2020 etwa 100 Millionen Impfstoffdosen produziert werden [Biontech Pressemeldung, 27. Juli 2020]. |

 

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