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Pandemie Spezial
CHMP macht Weg für Remdesivir frei
Bedingte Zulassung für Therapie von COVID-19 wird in Kürze erwartet
In den Vereinigten Staaten und Japan darf das erste Arzneimittel gegen COVID-19 bereits seit Mai eingesetzt werden. Nun rät auch der Humanarzneimittelausschuss der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA), das CHMP, Remdesivir in „Veklury“ eine bedingte Zulassung zu erteilen.
Erst am 5. Juni 2020 hatte Gilead den Zulassungsantrag zu Remdesivir eingereicht, dass es nun so schnell ging, liegt an der Vorarbeit des CHMP. Der Humanarzneimittelausschuss hatte bereits am 30. April 2020 ein Rolling-Review-Verfahren gestartet. Es handelt sich dabei um ein Regulierungsinstrument, das die EMA nutzen kann, um Daten zu einem vielversprechenden Arzneimittel sofort zu bewerten, sobald sie verfügbar sind, um bei Notfällen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, wie beispielsweise einer Pandemie, schneller reagieren zu können. Somit beschäftigte sich der CHMP mit der Bewertung von Daten zu Qualität und Herstellung, nicht klinischen Daten, vorläufigen klinischen Daten und unterstützenden Sicherheitsdaten aus „Compassionate Use“-Programmen.
Bedingte Zulassung
Remdesivir wird „nur“ für eine bedingte Zulassung empfohlen. Diese Art der Zulassung ermöglicht es der EMA, ein Arzneimittel auch bei begrenzter Datenlage verfügbar zu machen. Bedingung ist, dass der Nutzen einer sofortigen Verfügbarkeit des Arzneimittels das Risiko der fehlenden Daten überwiegt. Basis für die bedingte Zulassungsempfehlung bilden Daten aus der vom US National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) gesponserten Studie NIAID-ACTT-1 (Adaptive COVID-19 Treatment Trial, ACTT-1). Vorläufige Ergebnisse der multizentrischen, doppelblinden, randomisierten kontrollierten Phase-III-Studie bei über 1000 hospitalisierten COVID-19-Patienten wurden unter „Remdesivir for the Treatment of Covid-19 – Preliminary Report“ am 22. Mai 2020 im „The New England Journal of Medicine“ (NEJM) veröffentlicht. Patienten, die Remdesivir erhielten, hatten eine um 31 Prozent schnellere Genesungszeit als Patienten, die Placebo erhielten. Unter Remdesivir waren die Erkrankten im Median nach elf Tagen genesen, mit Placebo dauerte die Genesung 15 Tage. Dieser Effekt wurde bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer Erkrankung nicht beobachtet: Die Zeit bis zur Genesung betrug sowohl in der Remdesivir- als auch in der Placebogruppe fünf Tage. Bei Patienten mit schwerer Erkrankung, die etwa 90 Prozent der Studienpopulation ausmachten, betrug die Zeit bis zur Genesung zwölf Tage in der Remdesivir-Gruppe und 18 Tage in der Placebogruppe.
Als genesen galt, wer innerhalb von 28 Tagen nach Studieneinschluss nicht mehr im Krankenhaus war und keine Einschränkung der Aktivität zeigte oder nicht mehr hospitalisiert war, aber eine Einschränkung der Aktivität und/oder Sauerstoffbedarf hatte oder zwar noch hospitalisiert war, jedoch ohne Sauerstoffbedarf.
Nicht jeder profitiert
Am meisten scheint der Studie zufolge Remdesivir Patienten zu nutzen, die Sauerstoff benötigen, während mechanisch beatmete Patienten oder solche mit extrakorporaler Membranoxygenierung (ECMO) weniger profitierten. Das sieht auch der CHMP so: Bei Patienten, die mit Remdesivir erst behandelt wurden, als sie bereits eine mechanische Beatmung oder ECMO erhielten, wurde kein Unterschied in der Zeit bis zur Genesung festgestellt. Daten über den Anteil der Patienten, die bis zu 28 Tage nach Behandlungsbeginn verstarben, werden laut CHMP derzeit für die abschließende Analyse gesammelt.
Insgesamt kommt der CHMP zu dem Schluss, dass sich die Bilanz von Nutzen und Risiken bei Patienten mit Lungenentzündung und zusätzlichem Sauerstoffbedarf als positiv erwiesen hat.
Remdesivir wird als intravenöse Infusion appliziert. Loading-Dose sind 200 mg, gefolgt von 100 mg für weitere vier bis maximal neun Tage. Die Anwendung ist auf Gesundheitseinrichtungen beschränkt, in denen die Patienten genau überwacht werden. Der CHMP rät, Leber- und Nierenfunktion vor und während der Behandlung gegebenenfalls zu überwachen. Das empfiehlt auch das Robert Koch-Institut (RKI) in der „Aktuellen Datenlage zu Remdesivir“ vom 18. Juni 2020.
Allerdings ist die EMA mit den vorläufigen Daten zu Remdesivir nicht abschließend zufrieden: Um die Wirksamkeit und Sicherheit von Remdesivir besser beurteilen zu können, muss Gilead der EMA bis August 2020 weitere Daten zur Qualität des Arzneimittels sowie die endgültigen Daten zur Mortalität und bis Dezember 2020 die Abschlussberichte der Remdesivir-Studien vorlegen.
Remdesivir zur Inhalation
Das jetzt zur Zulassung empfohlene Remdesivir, das erste Arzneimittel gegen COVID-19, muss intravenös verabreicht werden. Hilft es auch, wenn man den RNA-Polymerase-Inhibitor mittels Vernebler inhaliert? Das prüft Hersteller Gilead ab August in einer von der FDA genehmigten Phase-1-Studie. Was könnte der Vorteil sein?
Bisherigen Studien zufolge könnte Remdesivir die Krankheitsdauer bei schwer an COVID-19 Erkrankten verringern, vielleicht sogar die Sterblichkeit senken. Auch gibt es Daten, die darauf deuten, dass ein möglichst früher Therapiebeginn (maximal zehn Tage nach Symptombeginn) mit dem RNA-Polymerase-Inhibitor vorteilhaft sein könnte. Remdesivir wird an fünf oder zehn Tagen (bei invasiver Beatmung) als intravenöse Infusion im Krankenhaus verabreicht – eine inhalative Formulierung mittels Zerstäuber könnte die Verabreichung erleichtern und die Remdesivir-Gabe auch außerhalb des Krankenhauses und in früheren Krankheitsstadien ermöglichen.
Quelle: Pressemitteilung Gilead Sciences: Working to Supply TRemdesivir für COVID 19. 24. Juni 2020, www.gilead.com/purpose/advancing-global-health/covid-19/working-to-supply-remdesivir-for-covid-19
Wie bei allen Arzneimitteln soll ein Risikomanagementplan (RMP) die strenge Sicherheitsüberwachung von Remdesivir nach der EU-weiten Zulassung gewährleisten. Weitere Wirksamkeits- und Sicherheitsdaten werden durch laufende Studien und Berichte nach dem Inverkehrbringen gesammelt und regelmäßig vom CHMP und dem Sicherheitsausschuss (PRAC) der EMA überprüft. Seit April 2020 überprüft das PRAC auch die Sicherheitsdaten von Patienten, die außerhalb klinischer Studien behandelt werden, die als monatliche Sicherheitsberichte vorgelegt werden; diese werden auch nach dem Inverkehrbringen des Arzneimittels weiterhin vorgelegt und bewertet.
Auch in den USA wird Remdesivir nur im Rahmen einer Notfallgenehmigung (Emergency Use Authorization – EUA) bei schwer an COVID-19 Erkrankten eingesetzt. Die EUA ist befristet und kann widerrufen werden. Sie ersetzt nicht das formelle Verfahren zur Einreichung, Prüfung und Zulassung neuer Arzneimittel.
Als Reaktion auf die Notzulassung hat Gilead Sciences soeben den Verkaufspreis für Remdesivir in den USA festgelegt. Danach soll dort eine fünftägige Behandlung für Privatversicherte 3120 US-Dollar kosten, für Patienten mit einer Krankenversicherung 2340 US-Dollar. |
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