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Unteilbare Honorierung

Foto: DAZ/tmb

Dr. Thomas Müller-Bohn, Redakteur der DAZ

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner stellte sich in der vorletzten Woche in einem Interview den Fragen von DAZ und DAZ.online (DAZ 2020, Nr. 11, S. 16). Nach den Ergebnissen der FDP bei den vorigen Wahlen bemühte er sich darum, seine Partei mit klassischen liberalen Werten zu verknüpfen und nicht mit bedingungslosem Streben nach freien Märkten oder mit Digitalisierung ohne „Bedenken“. Allzu offensichtlich versuchte er auch, Apotheker für die FDP zurückzugewinnen, blieb aber sehr im Allgemeinen und wich Fachfragen aus. Immerhin sicherte er den Apothekern zu, ­solange er Parteivorsitzender sei, werde sich die FDP nicht für Fremdbesitz bei Apotheken einsetzen. Er erkannte an, dass Fremdbesitz und Freiberuflichkeit „gar nicht“ zusammenpassen. Doch er konnte nicht erklären, wie der Fremdbesitz-Vorschlag in der FDP überhaupt aufkommen konnte und warum der Parteivorstand sich nicht schon längst deutlich dagegen positioniert hat. So bleibt der Eindruck eines Wendemanövers ohne echten Sinneswandel. Das zeigt sich auch bei Lindners Idee, die Apotheken könnten ihre Umsätze durch eine Öffnung des Marktes erhöhen. Als einen möglichen Umsatzbringer nannte er Cannabis in Apotheken. Denn seine Partei wolle dafür nur einen Erwerb zulassen, bei dem die Konsumenten über die gesundheitlichen Folgen belehrt werden – also Apotheken als Coffeeshops mit erhobenem Zeigefinger. Was hat er wohl geraucht, das ihn ­vermuten lässt, die Apotheker damit für sich gewinnen zu können?

Doch Scherz beiseite – über einige ­Manöver zur Besänftigung der Apotheker hinaus offenbarte das Interview ein ernsthaftes Missverständnis, das grundlegende Bedeutung hat und das weit über die FDP hinaus verbreitet ist. Lindner regte an, die heilberufliche Leistung der Apotheker durch neue Vergütungen besser zu honorieren. Doch zugleich sieht er die Distribution als Handel, für den auch neue Umsatzquellen zu suchen seien. Außerdem will er den Versandhandel erhalten, der mit nur einem Prozent Rx-Umsatzanteil aus seiner Sicht kein Problem sein könne. Vor allem aber widersprach Lindner der These, dass der ­Rx-Festpreis praktisch die Honorar­ordnung der Apotheker sei. Damit ­verkennt Lindner die unauflösbare ­Doppelfunktion des Apothekers als Heilberufler und Kaufmann. Zusätz­liches Geld, das ein Apotheker als Heilberufler für allseits gewünschte Leistungen erhalten würde, wäre nutzlos, wenn es demselben Apotheker als Kaufmann in einem unfairen Wettbewerb bei sinkenden Preisen wieder weggenommen würde. Das wäre ein Nullsummenspiel. Heilberufliche und kaufmännische Honorierung landen in derselben Tasche und sind damit unteilbar. Dieser banale Zusammenhang erklärt auch, warum viele gut gemeinte Vorschläge zur Honorierung pharmazeutischer Leistungen aus anderen Parteien nicht funktionieren können.

Doch meines Erachtens bedeutet dieser Zusammenhang noch viel mehr: Er ist der entscheidende Grund, weshalb Rx-Festpreise nicht nur geeignet, sondern notwendig für die Sicherung eines flächendeckenden Apothekensystems sind. Er ist das Argument, das beim EuGH-Urteil von 2016 gefehlt hat und das bei einem neuen ­Verfahren zur Preisbindung nachzutragen wäre. Er wird hoffentlich auch ein zentraler Inhalt in dem Gutachten, das das Bundesgesundheitsministerium zur Rx-Preisbindung in Auftrag gegeben hat. Warum dieser Zusammenhang so wichtig ist und welche weiteren Erwartungen an das neue Gutachten zu richten sind, erklärt ein Beitrag in dieser DAZ auf Seite 58.

Thomas Müller-Bohn

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