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Aus den Ländern
Virus-Hepatitiden, Fettleber und Funktionsstörungen
Fortbildungsseminar von Apothekerkammer und DPhG Hamburg
Kai-Peter Siemsen, Präsident der Apothekerkammer Hamburg, erklärte in seiner Begrüßung, dass die neuen Arzneimittel zur Hepatitistherapie die hohe Kompetenz der Apotheken im Umgang mit Arzneimitteln besonders deutlich machen.
Im Unterschied zu „seelenlosen Callcentern“ seien die Apotheken vor Ort für die Menschen da.
Vielfältiges Hepatitis-Alphabet
Dr. Peter Buggisch, Ärztlicher Leiter des Leberzentrums am ifi-Institut, Hamburg, erläuterte zunächst das Alphabet der Hepatitiden. Hepatitis A und E verlaufen normalerweise selbstlimitierend. Bei Hepatitis A führen Erkrankung oder Impfung wahrscheinlich zu lebenslanger Immunität. Durch den seltenen Kontakt mit dem Erreger in Deutschland ist die Immunität hier so gering, dass ein relativ hohes Risiko für Ausbrüche besteht. In solchen Fällen sollten alle Personen in der Umgebung des Erkrankten schnell geimpft werden, weil dies auch dann noch einen guten Schutz bietet, empfahl Buggisch. Bei Hepatitis A kommen prolongierte Verläufe vor, aber eine Chronifizierung ist bisher nicht bekannt.
Etwa die Hälfte der Mitteleuropäer hat eine Hepatitis E durchgemacht, die meist nicht bemerkt wird. Bei Immunsupprimierten sind allerdings chronische Verläufe möglich. Die vielfach thematisierte Mortalität von etwa 20 Prozent bei erkrankten Schwangeren in Afrika betrifft einen Genotyp des Hepatitis-E-Virus, der in Mitteleuropa praktisch nicht vorkommt. Hepatitis E ist eine Zoonose und wird insbesondere über Kaninchen, Schweine und Wild übertragen. Für Bluttransfusionen wird in Deutschland im Laufe dieses Jahres ein Test auf Hepatitis E eingeführt.
Vorsicht vor Hepatitis B und D!
Bei Hepatitis B, C und D besteht die Gefahr eines chronischen Verlaufs, der über eine Fibrose zur Zirrhose und weiter zum Leberzellkarzinom führen kann. Dies ist weltweit eines der häufigsten Karzinome und seine Häufigkeit nimmt zu. Bei Hepatitis B sind Infektion und Entzündung zu unterscheiden. Auch gegen Hepatitis B schützt die Impfung wahrscheinlich lebenslang. Doch trotz Impfung und Schwangeren-Screening steigt die Erkrankungshäufigkeit in Deutschland wieder an. fünf bis zehn Prozent der Infektionen führen zu chronischen Verläufen, aber in jedem Fall persistiert das Virus. „Einmal Hepatitis B, immer Hepatitis B“ erklärte Buggisch und warnte, dass die Reaktivierung einer Hepatitis B bei hochdosierter Immunsuppression tödlich sein kann. Darum sollte Hepatitis B immer im Arztbrief stehen bleiben. Außerdem müssten beispielsweise Rheumatologen bei Immuntherapien unbedingt darauf achten, mahnte Buggisch. Solche Patienten müssten prophylaktisch gegen Hepatitis B behandelt werden. Etablierte Therapeutika sind Tenofovir und Entecavir. Neue Forschungsansätze zielen auf eine Eradikation.
Die sehr seltene Hepatitis D ist eine Ko- oder Superinfektion der Hepatitis B. „Ohne B kein D“, so Buggisch. Sie ist bisher schlecht zu behandeln und erfordert oft eine Lebertransplantation. Als interessanten Therapieansatz sieht Buggisch den HDV-Entry-Inhibitor Myrcludex B.
Beeindruckende Therapie bei Hepatitis C
Hepatitis C wird unbehandelt in 80 Prozent der Fälle chronisch. Daraufhin betonte Buggisch den großen Wert der neueren und gut verträglichen Therapien, die zur Heilung führen, die Lebensqualität verbessern und die Mortalität senken. Die Kosten für eine Therapie sind mittlerweile auf etwa 30.000 Euro gesunken und damit geringer als für lange Therapien anderer Erkrankungen, bei denen nur Symptome gelindert werden. Doch bei globaler Betrachtung ist die Zahl der Hepatitis-C-Infizierten trotz der guten Therapien bisher kaum gesunken, weil die Risikogruppen schwer zu erreichen seien, erklärte Buggisch.
Viele Fragen und neue Chancen bei Fettleber
Die drohende Entwicklung über Fibrose und Zirrhose bis zum Leberzellkarzinom ist auch ein wesentliches Problem bei der nichtalkoholischen Fettleber-Hepatitis (NASH). Doch nicht jeder Patient mit Fettleber bekommt eine Entzündung. Zugleich ist die Fettleber eine Systemerkrankung, die oft mit kardiovaskulären Erkrankungen, Diabetes, Osteoporose oder Schlafapnoe verbunden ist. Insbesondere das kardiovaskuläre Risiko steigt dabei deutlich. Die Fettleber müsse daher interdisziplinär behandelt werden, forderte Buggisch. Als wichtigste Ursachen gelten Übergewicht, ungeeignete Ernährung, zu wenig Bewegung und genetische Faktoren. Unter den Betroffenen sind auch beschwerdefreie schlanke Personen, die zunächst nur durch erhöhte Leberwerte auffallen. Als wesentliches Problem für die Diagnose und die Verlaufskontrolle stellte Buggisch die fehlenden Marker für die Fettleber und besonders für die Leberentzündung dar. Ultraschalluntersuchungen geben Hinweise auf das Fett, aber der Goldstandard ist die Biopsie. Wegen des fehlenden Markers und des langen Krankheitsverlaufs mit vielen Komorbiditäten sei auch schwer zu beantworten, wann der richtige Zeitpunkt für therapeutische Maßnahmen ist. Die derzeitigen Ratschläge, das Gewicht zu reduzieren, den Lebensstil zu ändern und einen Diabetes angemessen zu behandeln, seien ohnehin zu empfehlen. Doch die Frage nach dem richtigen Interventionszeitpunkt werde bedeutsam, wenn Arzneitherapien zur Verfügung stehen, prognostizierte Buggisch. Diese werden intensiv erforscht und seien daher bald in der Praxis zu erwarten. Buggisch nannte den PPARα/δ-Agonisten Elafibranor und Obeticholsäure, die als Agonist am Farnesoid-X-Rezeptor wirkt, als metabolische Ansätze. Außerdem werde an antifibrotischen Ansätzen gearbeitet.
Bei Patienten mit Lebererkrankungen ist auch zu bedenken, dass Leberfunktionsstörungen die Pharmakokinetik vieler Arzneistoffe verändern, mahnte Dr. Dorothee Dartsch, Hamburg. Dabei sei eine Fibrose nicht einmal an den typischen Leberwerten erkennbar, weil das in der Leber eingelagerte Bindegewebe keine Funktionsenzyme produziert. Doch es gibt keinen einzelnen Laborwert, der die Eliminationskapazität der Leber beschreibt. Zur Abschätzung dient meist der Child-Pugh-Score, der den Schweregrad der Schädigung angeben soll und auf den sich viele Empfehlungen zur Dosisanpassung beziehen. Einschränkungen der Hepatozytenleistung betreffen alle in der Leber verstoffwechselten Stoffe. Daneben sind Patienten mit einem portosystemischen Shunt zu betrachten. Dieser umgeht die Leber, sodass der First-Pass-Effekt deutlich vermindert wird. Daraufhin können erhebliche Dosisreduktionen bei Arzneistoffen mit großem First-Pass-Effekt nötig sein.
Doch schon bei der Arzneistoffauswahl müssen Leberschäden berücksichtigt werden, mahnte Dartsch. Zu bedenken seien eine möglicherweise bestehende Enzephalopathie und veränderte Konzentrationen der Gerinnungsfaktoren. Außerdem sollten weitere Organschädigungen vermieden werden.
Hindernisse im Apothekenalltag
Tim Umland, Hamburg, beschrieb die praktischen Probleme bei der Versorgung mit den hochpreisigen Arzneimitteln gegen Hepatitis C. Die Regressgefahr für Ärzte sei trotz der Preissenkungen noch hoch und die Apotheken müssten mit Lieferengpässen umgehen. Um Therapieunterbrechungen zu vermeiden, sollten Anschlussverordnungen gemeinsam mit den Patienten geplant werden. Aus dem Apothekenalltag berichtete Umland über einen Analphabeten, der die ärztliche Anweisung „1 × 1“ als „morgens und abends jeweils 1“ fehlgedeutet hat. Dies zeige wieder einmal, wie wichtig die Apotheken vor Ort seien. Die Apotheke habe die richtige Anwendung des hochpreisigen Arzneimittels gesichert. Umland berichtete auch von der Schattenseite der HIV-Präexpositionsprophylaxe: Die Anwender würden daraufhin auf Kondome verzichten, aber damit steige die Gefahr, Syphilis oder Hepatitis B zu übertragen. |
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