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Billiger geht nicht immer

Foto: DAZ/Kahrmann
Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ

Beim Thema Preisbindung werden Arzneimittel gerne mit Büchern verglichen – oder auch andersherum, je nachdem aus welchem Blickwinkel argumentiert wird. Feste Preise sind angebracht, damit bestimmte Güter oder Dienstleistungen nicht unverhältnismäßig ver­teuert oder verramscht werden.

Kritiker weisen darauf hin, dass der fehlende Preiswettbewerb ein ausgeglichenes Marktgleichgewicht unmöglich machen würde. Der Staat wäre gar nicht in der Lage, den idealen Preis aus Sicht der Anbieter und Nachfrager zu ermitteln. Außerdem fehle es dann an Motivation für Fortschritt und Innovation.

Früher wurden die Preise für Rohstoffe und Lebensmittel zum Teil staatlich festgelegt. Verhindert werden sollte, dass bei zu niedrigen Preisen der Anbau und die Herstellung unwirtschaftlich wurden und nachfolgend eine Versorgungskrise eintrat. Zu hoch durften die Preise allerdings auch nicht sein, damit sich die Bevölkerung die jeweiligen Produkte weiterhin auf legalem Weg leisten konnte.

Heutzutage sind staatlich festgelegte Preise und die damit verbundenen Wettbewerbsbeschränkungen zwar selten, aber dennoch im Alltag der Verbraucher präsent: Bei Büchern und anderen Verlagserzeugnissen geht es um die Vielfalt eines Kulturguts und seiner Vertriebsform. Einheitliche Beförderungsentgelte im Taxigewerbe ermöglichen eine Quersubventionierung von weniger lukrativen Strecken. Die Anreize beim Kauf von Tabakwaren sollen durch ein Rabattverbot verringert werden.

Arzneimittel sind ein weiteres Beispiel und gerade hier treffen alle vorgenannten Absichten in besonderem Maße zu: Durch den Arzneimittelpreis soll der Vertrieb auf Ebene der Endverbraucher durch die Apotheken gesichert werden. Die Mischkalkulation gewährleistet, dass teure und aufwendige Arzneimittel (z. B. Rezepturen) bezahlbar bleiben. Ein Rabattverbot dient der Vermeidung von Missbrauch und Mehrkonsum.

Vor diesem Hintergrund scheint es absurd, dass 2004 ausgerechnet die nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel sowohl von der Preisbindung als auch von der Erstattung durch die gesetz­lichen Krankenkassen ausgeschlossen wurden. Von jetzt auf gleich musste sich bei der Bevölkerung eine neuartige Preissensibilität ausbilden – ohne Erfahrung und Kenntnis. Für die Apothekerinnen und Apotheker war dies der entscheidende Schritt hin zur „Trivialisierung des Arzneimittels“, der seitdem standespolitisch bekämpft wird.

Spätestens seit dem EuGH-Urteil von 2016 steht nun auch die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Diskussion. Die Richter hätten gerne, dass Patienten (europaweit) den billigsten Anbieter für ihre Rx-Arzneimittel auswählen können.

Das hat mit der ursprünglichen Idee der (Arzneimittel-)Preisbindung natürlich nichts mehr zu tun. Im Gegensatz zum Vertrieb von preisgebundenen Tabakwaren in Tankstellen oder an Supermarktkassen gehen Politiker und Wettbewerbshüter bei Arzneimitteln wohl davon aus, dass durch die Beratung in der Apotheke schon genügend Kontrolle herrscht. Deshalb seien die Preise hier frei kalkulierbar – trotz einer aufwendigeren Versorgungsleistung. Die Einführung des Versandhandels, ebenfalls 2004, hat die Apotheke als Instanz dann noch zusätzlich untergraben.

Dagegen spielt die freie Marktwirtschaft entlang der Wertschöpfungskette bei der Arzneimittelherstellung eine herausragende Bedeutung. Doch auch sie gerät durch die Nachfragemacht der gesetzlichen Krankenkassen zu­nehmend in Bedrängnis. Ist der Valsartan-Skandal eine Folge „ökonomischer Zwänge“? Eine mögliche Erklärung ­finden Sie ab S. 60 in dieser DAZ.

Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ

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