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DAZ aktuell
„Weitere NDMA-Exposition unbedingt vermeiden!“
ZL findet Kontamination in Valsartan-Präparaten, AMK ist besorgt, FDA beziffert Krebsrisiko
Nach wie vor gibt es keine offiziellen Angaben darüber, mit welchen Konzentrationen des als wahrscheinlich krebserregend eingestuften NDMA in zurückgerufenen Valsartanpräparaten zu rechnen ist. Auf den EMA-Seiten fanden sich lediglich in einem Anschreiben an die Hersteller Hinweise auf Stichprobenergebnisse, nach denen in verunreinigtem Valsartan NDMA-Konzentrationen zwischen 3,4 und 120 ppm gefunden worden sind. Diese Ergebnisse hatte der Toxikologe Prof. Dr. Ralf Stahlmann als Grundlage für eine erste toxikologische Bewertung genommen (s. DAZ 2018, Nr. 30, S. 30). Zwischenzeitlich konnte das Zentrallaboratorium deutscher Apotheker (ZL) tatsächlich in Stichproben zurückgerufener Präparate NDMA nachweisen (Tab.). Die gefundenen Werte lagen mit 3,7 bis 22 Mikrogramm pro Tablette in dem Bereich, auf den auch das EMA-Schreiben verwiesen hat. Auf Basis der ZL-Ergebnisse hat dann die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker eine vorläufige Stellungnahme zum toxikologischen Risiko veröffentlicht.
Präparat |
Hersteller/Einfuhr und Vertrieb |
Dosierung Valsartan |
Charge |
Haltbarkeit |
NDMA Gehalt
[µg /Tablette]
|
---|---|---|---|---|---|
Valsartan Dura 320 mg Filmtabletten |
Mylan Dura |
320 mg |
8047836 |
04/2019 |
– |
Diovan 160 mg Filmtabletten |
Novartis Poland |
160 mg |
BT998 |
07/2020 |
– |
Diovan 160 mg protect Filmtabletten |
Novartis/Orifarm GmbH |
160 mg |
BW208 |
07/2020 |
– |
Diovan 160 mg Filmtabletten |
Novartis/EMRAmed Arzneimittel GmbH |
160 mg |
BW292 |
07/2020 |
– |
Diovan 160 mg protect |
Novartis/Novartis |
160 mg |
BA918 |
11/2018 |
– |
Valsartan Heumann 320 mg Filmtabletten |
Heumann Pharma GmbH |
320 mg |
LC38501 |
11/2020 |
20,8 |
Valsartan Heumann 160 mg Filmtabletten |
Heumann Pharma GmbH |
160 mg |
LC38554 |
11/2020 |
9,9 |
Provas 80 mg Filmtabletten |
Novartis Pharma GmbH |
80 mg |
BY321 |
10/2020 |
– |
Valsartan-CT 160 mg Filmtabletten |
AbZ Pharma GmbH |
160 mg |
1732774 |
11/2019 |
3,7 |
Valsartan 1A Pharma 320 mg Filmtabletten |
1 A Pharma GmbH |
320 mg |
HL6907 |
07/2020 |
18,5 |
Valsacor 320 mg Filmtabletten |
TAD Pharma |
320 mg |
NE4659 |
07/2020 |
– |
Valsartan Hexal 320 mg Filmtabletten |
Hexal AG |
320 mg |
HA5441 |
08/2019 |
16,4 |
Valsartan Stada 320 mg Filmtabletten |
Stadapharm GmbH |
320 mg |
64361 |
10/2020 |
22,0 |
Valsartan Aurobindo 160 mg Filmtabletten |
Aurobindo Pharma GmbH |
160 mg |
VJSC18003-A |
03/2020 |
– |
Valsartan Zentiva 160 mg Filmtabletten |
Zentiva Pharma GmbH |
160 mg |
ARJT3X |
08/2019 |
10,1 |
Valsartan Zentiva comp. 160 mg/12,5 mg |
Zentiva Pharma GmbH |
160 mg |
5210118 |
12/2022 |
4,1 |
Risikoabschätzung mit MoE und ALARA
Für ihre Bewertung hat die AMK den sogenannten Margin of Exposure (MoE) herangezogen. Dieser Ansatz wird von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) verwendet, um mögliche Sicherheitsbedenken abzuwägen, die von genotoxischen und karzinogenen Substanzen in Lebens- und Futtermitteln ausgehen. Da diese Substanzen bereits in sehr kleinen Mengen das Risiko bergen, krebsauslösend zu wirken – wenn auch in einem dosisgemäß geringen Ausmaß –, kann man bei diesen Substanzen nicht zweifelsfrei von einem Grenzwert ausgehen, unter dem eine Exposition unbedenklich ist. Folglich leitet man auch keine maximale, tolerierbare tägliche Aufnahme (TDI; tolerable daily intake) ab. Vielmehr wird häufig versucht, die Exposition soweit wie möglich zu minimieren und das ALARA-Prinzip („As Low As Reasonably Achievable“) anzuwenden. Dieses Vorgehen hat aber Defizite, da es keine Grundlage bietet, um bei den Maßnahmen sinnvolle Prioritäten zu setzen. Daher kommt zusätzlich der MoE zum Einsatz, der gegenüber der alleinigen Anwendung des ALARA-Prinzips den Vorteil bietet, dass das Ausmaß von Risiken vergleichend dargestellt werden kann.
Der MoE stellt das Verhältnis zwischen einer kanzerogenen Effektdosis dar – abgeleitet aus der Dosis-Wirkungskurve im Tierversuch – und der abgeschätzten menschlichen Aufnahme. Als kanzerogene Effektdosis wird die Dosis herangezogen, die im Tierversuch bei 10 Prozent der Tiere Tumore auslöst. Sie wird als „Benchmark Dose Lower Limit (BMDL)“ bezeichnet. Für NDMA liegt der BMDL-Wert bei 62 bis 81 µg/kg Körpergewicht und Tag.
Großer MoE, kleines Risiko
Das Ausmaß eines Risikos verhält sich umgekehrt proportional zum Margin of Exposure, also je kleiner der MoE, desto größer das Risiko: Liegt der MoE (also das Verhältnis von BMDL und oraler Aufnahme) bei 10.000 oder höher, schätzt die EFSA das vorliegende kanzerogene Risiko eher niedrig ein und schlägt vor, diese Substanzen mit geringer Priorität zu behandeln. Je weiter der MoE dagegen unter 10.000 liegt (je kleiner er also ist), desto größer scheint das Risiko und desto dringlicher werden Minimierungsmaßnahmen. Diesen MoE hat die AMK für die tägliche NDMA-Belastung mit der Nahrung errechnet, die sie auf 0,19 bis 0,34 µg für einen Erwachsenen beziffern. Für eine Person mit 60 kg Körpergewicht (KG) bedeutet das eine Aufnahme von circa 3 bis 6 ng/kg KG und Tag, was einem MoE von etwa 10.000 entspricht. Dieser Wert könne noch als „may be of low concern“ eingestuft werden, so die AMK.
Die gleiche Rechnung wurde für die Belastung durch die Einnahme einer kontaminierten Valsartan-Tablette durchgeführt. Als Grundlage dienten die Messergebnisse des ZL, die in der Tabelle aufgeführt sind. Aus diesen resultiert bei Konzentrationen bis zu 22 µg pro Tablette und einem Körpergewicht von 60 kg eine Belastung von bis zu 370 ng/kg KG und Tag. Dividiert man diesen Wert durch den BDML, erhält man einen MoE von etwa 170. Zur Erinnerung: Je kleiner der MoE, desto größer das Risiko.
Zudem weist die AMK noch darauf hin, dass bei täglicher Einnahme von zwei Tabletten, wie es zur Behandlung der Herzinsuffizienz, nach Myokardinfarkt mit symptomatischer Herzinsuffizienz oder linksventrikulärer systolischer Dysfunktion empfohlen wird, sich die Exposition erhöht und die MoE folglich noch niedriger wird. Und so schreibt die AMK: „Ein derart geringer MoE muss als besorgniserregend eingestuft werden und macht Maßnahmen zur Verhinderung einer weiteren Exposition dringend erforderlich.“
FDA: Ein zusätzlicher Krebsfall pro 8000 Patienten
Während die Experten der AMK und auch Prof. Dr. Ralf Stahlmann keine konkreten Angaben zum tatsächlichen Risiko machen, hat die FDA in einem Update zum Rückruf Valsartan-haltiger Produkte am 27. Juli 2018 greifbare Zahlen in den Raum gestellt. Danach sei bei lebenslänglicher Aufnahme von 96 ng NDMA mit weniger als einer zusätzlichen Krebserkrankung pro 100.000 Menschen zur rechnen. Nach vierjähriger Einnahme eines mit NDMA kontaminierten Valsartan-Präparates in der höchsten Valsartan-Tagesdosierung von 320 mg sei von einem zusätzlichen Krebsfall bei 8000 so behandelten Patienten auszugehen. Eine Angabe über die gefundenen NDMA-Konzentrationen findet man in dieser Pressemitteilung nicht. Die Hintergründe der Berechnung bleiben unklar (s. a. S. 18). |
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