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Beratung

Schmerzfrei!

Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne

Etwa 20% aller Frauen und 8% aller Männer leiden in Deutschland an Migräne, einer chronisch-rezidivierenden Kopfschmerzform. Sie ist durch einen starken, oft halbseitigen, pochenden Schmerz gekennzeichnet, der über vier bis 72 Stunden andauern kann. Eine Migräneattacke geht oft mit Appetitlosigkeit, Übelkeit sowie Empfindlichkeit gegenüber Licht, Lärm und Gerüchen einher. Leitliniengerecht werden die meisten Attacken in der Selbstmedikation mit nichtopioiden Analgetika behandelt. Für Patienten, für die NSAR kontraindiziert sind oder bei denen diese nicht ausreichend wirken, muss in der Apotheke auch eine kompetente Beratung zur Selbstmedikation mit Triptanen und gegebenenfalls zur Prophylaxe der Migräne erfolgen. | Von Sabine Werner

Die S1-Leitlinie „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“ der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) empfiehlt als Mittel der ersten Wahl bei leichten bis mittelschweren Migräneattacken Acetylsalicylsäure 900 mg bis 1000 mg oder Ibuprofen 400 mg (bzw. 600 mg), bevorzugt in einer schnell freisetzenden Darreichungsform, z. B. als Brausetablette. Als Alternativen folgen mit abnehmender Evidenz Phenazon in einer Einzeldosis von 1000 mg (das allerdings aufgrund der Gefahr von Agranulozytosen bis auf das Präparat Migräne-Kranit® vom deutschen Markt verschwunden ist) und Diclofenac in einer für die Selbstmedikation nicht zugelassenen Dosis von 50 mg. Erst dann werden als Alternative die beliebten Kombinationspräparate aus Acetylsalicylsäure (250 mg bis 265 mg), Paracetamol (200 mg bis 265 mg) und Coffein (50 bis 65 mg) aufgeführt (z. B. Thomapyrin®, Neuralgin®, Spalt® plus Coffein N). Die Einzeldosis beträgt hier zwei Tabletten. Besonders beim Verkauf von Kombinationspräparaten sollte der Kunde auf die Gefahr eines medikamenteninduzierten Kopfschmerzes bei Übergebrauch hingewiesen werden: Laut der Internationalen Kopfschmerz-Klassifikation ICHD-3 liegt die Grenze für die Dauer der Anwendung von Monopräparaten bei maximal 15 Tagen, für Kombinationspräparate jedoch bei nur zehn Einnahmetagen pro Monat.

Triptane

Zur Therapie von Migräneattacken, die mit Nichtopioiden nicht ausreichend behandelt werden können oder für Patienten, bei denen die klassischen Analgetika kontraindiziert sind, steht die Wirkstoffklasse der Triptane zur Verfügung. Triptane sind selektive Agonisten an 5-HT1B/1D-Rezeptoren. Über diesen Rezeptortyp bewirken die Serotonin-Agonisten eine Vasokonstriktion intrakranialer Blutgefäße, die während einer Migräneattacke dilatiert sind. Zusätzlich hemmen Triptane am Trigeminusnerv die Schmerzweiterleitung und die Freisetzung von Entzündungsmediatoren wie CGRP oder Substanz P und damit die Schmerzentstehung und Schmerzwahrnehmung im Rahmen des Migräneanfalls.

Die Triptane, die in Deutschland verfügbar sind (Almotriptan [z. B. Almogran®], Eletriptan [Relpax®], Frovatriptan [z. B. Allegro®], Naratriptan [z. B. Naramig®], Rizatriptan [z. B. Maxalt®], Sumatriptan [z. B. Imigran®] und Zolmitriptan [z. B. Ascotop®]) unterscheiden sich im Wirkeintritt, in der Wirkdauer sowie im Nebenwirkungsprofil:

  • schneller Wirkeintritt
    Sumatriptan 6 mg s.c.
    Eletriptan 20 mg; 40 mg; 80 mg p.o.
    Rizatriptan 5 mg; 10 mg p.o.
    Zolmitriptan 5 mg nasal
  • mittelschneller Wirkeintritt, länger anhaltende Wirkung
    Sumatriptan 50 mg; 100 mg p.o.
    Zolmitriptan 2,5 mg; 5 mg p.o.
    Almotriptan 12,5 mg p.o.
  • langsamer Wirkeintritt, langanhaltende Wirkdauer
    Naratriptan 2,5 mg p.o.
    Frovatriptan 2,5 mg p.o.

Auch die Wirksamkeit ist nicht bei allen Migränepatienten gleich. Zeigt eine Substanz in drei aufeinanderfolgenden Anfällen trotz gesicherter Migräne-Diagnose keine Wirkung (Non-Responder) macht es durchaus Sinn, zu einem anderen Triptan zu wechseln. 2006 wurde Naratriptan, 2009 Almotriptan in Packungsgrößen von zwei Tabletten aus der Verschreibungspflicht entlassen, einen Überblick über die für die Selbstmedikation zur Verfügung stehenden Präparate gibt Tabelle 1.

Tabelle 1: Triptane zur Selbstmedikation [Quelle: ABDA Datenbank, Stand 1. Juli 2018]
Wirkstoff/Stärke
Handelsname
Almotriptan 12,5 mg
  • Almotriptan Heumann bei Migräne 12,5 mg Filmtabletten
  • Dolortriptan® bei Migräne Film­tabletten
Naratriptan 2,5 mg
  • Formigran®
  • NaraDex® 2,5 mg Filmtabletten
  • Naratriptan - 1A Pharma® bei Migräne 2,5 mg Filmtabletten
  • Naratriptan AL akut 2,5 mg Film­tabletten
  • Naratriptan Hennig® bei Migräne 2,5 mg Filmtabletten
  • Naratriptan Heumann bei Migräne 2,5 mg Filmtabletten
  • Naratriptan Hexal® bei Migräne 2,5 mg Filmtabletten
  • Naratriptan-neuraxpharm® 2,5 mg Filmtabletten
  • Naratriptan-ratiopharm® bei Migräne Filmtabletten
  • Naratriptan Migräne Stada® 2,5 mg Filmtabletten

Bevor ein Triptan in der Beratung empfohlen wird, sind zunächst die Kontraindikationen auszuschließen (siehe Kasten „Hinweise zur Abgabe“). Vor allem ist abzufragen, ob die Migräne ärztlich diagnostiziert wurde, da Triptane bei den meisten anderen Kopfschmerzarten nicht wirksam sind. Weiter besteht die Aufhebung der Verschreibungspflicht nur für Patienten zwischen 18 und 65 Jahren. Da in seltenen Fällen auch kardiovaskuläre Nebenwirkungen auftreten können, sollten Patienten mit bekannten schwerwiegenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen bzw. Patienten mit entsprechenden Risikofaktoren keine Triptane einnehmen, so zum Beispiel Männer ab 40 Jahren, Frauen nach der Menopause, Raucher, Adipöse oder Patienten mit Hypercholesterinämie oder Insulin-Resistenz. Eine weitere Kontraindikation ist eine bestehende schwere Leber- oder Niereninsuffizienz. Aufgrund ihrer Sulfonamid-Struktur dürfen Naratriptan und Almo­triptan auch nicht von Patienten mit bekannter Sulfonamid-Unverträglichkeit angewendet werden. Für Migräne in der Schwangerschaft und Stillzeit liegen nach Angaben des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin (www.embryotox.de) die meisten Erfahrungen mit dem verschreibungspflichtigen Suma­triptan vor. Daher sollten diese Patientinnen an den Arzt verwiesen werden.

Hinweise zur Abgabe

  • Die Diagnose „Migräne“ muss von einem Arzt gestellt werden.
  • Triptane nicht prophylaktisch einnehmen
  • Triptane sind zu jedem Zeitpunkt der Migräneattacke wirksam, aber je frühzeitiger sie eingenommen werden, desto besser wirken sie.
  • Treten die Kopfschmerzen nach initialer Wirksamkeit eines Triptans wieder auf, darf eine zweite Dosis nach frühestens zwei Stunden gegeben werden.
  • Ist die erste Gabe eines Triptans unwirksam, hat auch eine zweite Dosis meist keinen Effekt.
  • Ist eine Monotherapie nicht ausreichend wirksam, kann ein Triptan mit einem NSAR kombiniert werden.
  • Triptane nie miteinander kombinieren

Quelle: S1-Leitlinie „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“

Zweite Dosis bei headache recurrence

Eine ausführliche Beratung ist zum Einnahmezeitpunkt und zur Dosierung der Triptane erforderlich: Grundsätzlich kann eine Einnahme zu jedem Zeitpunkt der Migräneattacke erfolgen, die höchste Wirksamkeit wird jedoch erreicht, wenn die erste Tablette eventuell schon während der Aura, spätestens direkt zu Beginn der Kopfschmerzen eingenommen wird. Zeigt die erste Tablette keine Wirkung, darf keine weitere Einnahme erfolgen, die Attacke wird dann alternativ mit einem NSAR behandelt. Aufgrund der kurzen Halbwertszeit der Triptane kann es jedoch zu einem Wiederkehrkopfschmerz kommen, einer erneuten Verstärkung der Schmerzintensität innerhalb von zwei bis 24 Stunden nach einer ersten, wirksamen Arzneimitteleinnahme (headache recurrence). In diesem Fall kann die zweite Tablette frühestens zwei Stunden (Almotriptan) bzw. vier Stunden (Naratriptan) nach der ersten Dosis eingenommen werden. Zwei Tabletten sind jedoch die maximale Gesamtdosis pro Migräneanfall. Die Kombination eines Triptans mit Naproxen als lang wirksamem NSAR kann die headache recurrence verhindern und wird für langanhaltende Migräneattacken von der aktuellen Leitlinie ausdrücklich empfohlen. In Einzel­dosen von 250 mg und Packungsgrößen von maximal 30 Tabletten ist Naproxen von der Verschreibungspflicht ausgenommen, zur Verfügung stehende Präparate sind im Kasten „Naproxen in der Selbstmedikation“ zusammengefasst. Zu beachten sind die unter Naproxen zusätzlich auftretenden typischen NSAR-Nebenwirkungen.

Naproxen in der Selbstmedikation

  • Aleve® Filmtabletten
  • Dolormin® für Frauen Tabletten*
  • Dolormin® GS mit Naproxen Tabletten*
  • Naproxen 1A Pharma 250 mg Tabletten
  • Naproxen axi® 250 mg Tabletten
  • Naproxen Schwörer® Filmtabletten
  • Naproxen-ratiopharm® Schmerztabletten Filmtabletten
  • Togal® Naproxen 200 mg Schmerztabletten

* ohne Indikation Migräne [Quelle: ABDA-Datenbank, Stand 1. Juli 2018]

Bei der Abgabe von Triptanen ist auch der Hinweis auf die Gefahr eines medikamenteninduzierten Kopfschmerzes bei zu häufiger Einnahme wichtig. Eine Anwendung sollte daher an maximal zehn Tagen im Monat erfolgen. Eine Nebenwirkung, auf die der Patient vorbereitet sein sollte, ist die gelegentlich auftretende „thorakale Enge“, ein Engegefühl im Brustkorb und im Halsbereich, das mit Symptomen eines Herzinfarkts verwechselt werden kann, jedoch nur kurzzeitig direkt nach der Einnahme auftritt. Weitere mögliche Nebenwirkungen sind Parästhesien an verschiedenen Körperstellen, Übelkeit und Erbrechen, Schwindel und Müdigkeit (cave: Fahrtüchtigkeit), sowie in seltenen Fällen ein Blutdruckanstieg oder Arrhythmien. In der Diskussion stehen Wechselwirkungen mit Arzneistoffen, die ebenfalls den Serotonin-Stoffwechsel beeinflussen, wie die Antidepres­siva aus den Gruppen der selektiven Serotonin-Reuptake-­Inhibitoren (SSRI) oder der Serotonin-Noradrenalin-­Reuptake-Inhibitoren (SNRI). Hier wurde das Auftreten eines Serotonin-Syndroms mit vegetativen Symptomen wie Tachykardie, Schweißausbrüchen und Übelkeit und zentralnervösen Störungen wie Halluzinationen oder Koordina­tionsstörungen beschrieben. Patienten mit serotonerger Dauer­medikation sollten daher nur unter ärztlicher Aufsicht mit Triptanen behandelt werden. Die gleichzeitige Einnahme von Johanniskraut kann laut Fachinformationen die Nebenwirkungen der Triptane verstärken. Für Naratriptan gibt der Hersteller auch an, dass die verminderte Clearance aufgrund zeitgleicher Einnahme kombinierter hormoneller Kontrazeptiva zu einem erhöhten Schlaganfallrisiko führt.

Tab. 2: Vergleich zwischen Naratriptan und Almotriptan [Quelle: Fachinformationen]
Almotriptan
Naratriptan
Einzeldosis in der Selbstmedikation
12,5 mg
2,5 mg
Tageshöchstdosis (mg pro 24 Stunden)
25 mg
Abstand der Einzeldosen mindestens zwei Stunden
5 mg
Abstand der Einzeldosen mindestens vier Stunden
Zeit bis zur maximalen Wirkung
45 bis 60 Minuten
bis zu vier Stunden
Halbwertszeit
drei bis vier Stunden
sechs Stunden
zugelassenes Alter
18 bis 65 Jahre
18 bis 65 Jahre
Metabolisierung/Wechselwirkungen
über MAO-System und über Cytochrome → gleichzeitige Einnahme mit MAO-Hemmern vermeiden
vor allem über Cytochrome → können bei serotonerger Begleitmedikation (SSRI, SNRI) gegeben werden
Kontraindikationen
  • Anamnese, Symptome oder Zeichen ischämischer Herzkrankheit (z. B. Myokardinfarkt, Angina pectoris)
  • vorangegangener Apoplex oder temporäre Ischämie
  • periphere Gefäßkrankheit (periphere arterielle Verschlusskrankheit)
  • seltene Migräne-Subtypen (z. B. hemiplegische, ophthalmoplegische oder Basilaris-Migräne)
  • Auraphase der Migräne
  • schwere Hypertonie und unkontrollierte leichte oder mittelschwere Hypertonie
  • schwere Leberfunktionsstörung
  • bei leichter oder mittelschwerer Nierenfunktionsstörung keine Dosisanpassung erforderlich, bei schwerer Nierenfunktionsstörung höchstens 12,5 mg innerhalb von 24 Stunden
  • gleichzeitige Behandlung mit Ergotamin oder Ergotamin-Derivaten (einschließlich Methysergid) sowie 5-HT1-Rezeptoragonisten (Triptanen)
  • Anamnese, Symptome oder Zeichen ischämischer Herzkrankheit (z. B. Myokardinfarkt, Angina pectoris)
  • vorangegangener Apoplex oder temporäre Ischämie
  • periphere Gefäßkrankheit (periphere arterielle Verschlusskrankheit)
  • seltene Migräne-Subtypen (z. B. hemiplegische, ophthalmoplegische oder Basilaris-Migräne)
  • Auraphase der Migräne
  • bekannte Hypertonie
  • schwere Leber und Niereninsuffizienz
  • gleichzeitige Behandlung mit Ergotamin oder Ergotamin-Derivaten (einschließlich Methysergid) sowie 5-HT1-Rezeptoragonisten (Triptanen)

Naratriptan und Almotriptan im Vergleich

Das pharmazeutische Personal sollte in der Lage sein, für den Kunden aus den beiden für die Selbstmedikation zugelassenen Triptanen das sinnvollere auszuwählen. Tabelle 2 gibt einen Überblick über wesentliche pharmakokinetische Eigenschaften. Grundsätzlich ist Almotriptan sowohl hinsichtlich der Wirksamkeit als auch hinsichtlich der Verträglichkeit Naratriptan überlegen. Auch aufgrund seines schnelleren Wirkeintritts wird es daher zur Therapie schwerer Migräneattacken bevorzugt. Naratriptan dagegen zeichnet sich durch eine lange Halbwertszeit und damit lange Wirkung aus. Formigran® und seine Generika empfehlen sich daher vor allem für mittelschwere, lang anhaltende Attacken, um eine headache recurrence zu vermeiden. Auch ohne Vorliegen der oben erwähnten Kontraindikationen sollten Patienten in der Apotheke in folgenden Fällen an den Arzt verwiesen werden:

  • bei Nichtansprechen auf die bisher wirksame Selbstmedikation
  • bei Migräneattacken die länger als 24 Stunden dauern
  • beim Auftreten von vier oder mehr Attacken pro Monat
  • bei immer länger, öfter oder stärker werdenden Migräneattacken
  • beim Auftreten atypischer Symptome (z. B. Sehstörungen, Lähmungen, Schwindel, Nackensteifigkeit, Schmerzen in der Brust, Tinnitus)

Selten durchgeführt: Migräneprophylaxe

Ab einer Häufigkeit von mehr als drei Migräneanfällen pro Monat ist eine Migräneprophylaxe sinnvoll. Der Einstieg besteht im Definieren und anschließenden Vermeiden von individuellen Triggerfaktoren der eigenen Migräneattacken. Hier empfiehlt es sich, dem Patienten zunächst ein Migränetagebuch mitzugeben, mit dem die Häufigkeit der Anfälle sowie die äußeren Umstände über einige Wochen dokumentiert werden (siehe Kasten „Kopfschmerztagebücher“). Typische Auslöser für Migräneattacken, die sich mithilfe eines solchen Tagebuchs feststellen lassen, sind Stress, ein unregelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus („Wochenend-Migräne“), Alkohol, Nicotin, bestimmte Nahrungsmittel wie Rotwein oder Käse oder hormonelle Schwankungen im weiblichen Monatszyklus. Auch auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr und regelmäßige Mahlzeiten sollte geachtet werden.

Kopfschmerztagebücher

Fundierte und evidenzbasierte Informationen zur Migräne und weiteren Kopfschmerzarten bieten zum Beispiel das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) auf den Seiten www.gesundheitsinformation.de an. Geben Sie den Webcode X8KE2 in die Suchfunktion bei DAZ.online unter www.deutsche-apotheker-zeitung.de ein und Sie gelangen direkt zu den Informationen und zu einem Migränetagebuch. Auch die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V. (DMKG) als wissenschaftliche Fachgesellschaft bietet eine Fülle an Informationsmaterial (www.dmkg.de), darunter auch fremdsprachige Kopfschmerzkalender (Webcode: H4BX2).

Aber auch viele pharmazeutische Hersteller bieten kostenlos in Papierform oder zum download Informationen und Kopfschmerztagebücher an. Zum Beispiel die „Initiative für Menschen mit chronischer Migräne“, die von der Pharm-Allergan GmbH unterstützt wird (www.chronischemigraene.de, Webcode: N2KY6) oder die Hormosan Pharma GmbH (www.kopfschmerzkompass.de, Webcode: A9WF8).

Eine Indikation zur medikamentösen Migräneprophylaxe ist gegeben, wenn ein hoher Leidensdruck beim Patienten herrscht, wenn die Migräneanfälle so stark sind, dass sie zu regelmäßiger Arbeitsunfähigkeit führen, wenn Migräneattacken öfter als dreimal pro Monat auftreten, länger als 72 Stunden dauern, oder wenn die Migräne auf die Akutbehandlung nicht anspricht oder die Akutmedikation kontraindiziert ist. Doch nur etwa ein Fünftel dieser Patienten erhält auch tatsächlich eine leitliniengerechte Prophylaxe, beklagt Charly Gaul, Generalsekretär und Pressesprecher der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG). Wichtig ist es, den Patienten darüber aufzuklären, dass eine Migräne-Prophylaxe nicht zur Anfallsfreiheit führt. Ziel ist lediglich, die Zahl der Migräneattacken zu reduzieren und ihre Intensität zu mindern. Von einer wirksamen Prophylaxe spricht man, wenn die Zahl der Kopfschmerztage um 50% reduziert wird. Eingesetzt werden z. B. Betablocker, Calciumkanalblocker, Antiepileptika oder Antidepressiva. Um Irritationen zu vermeiden, sollte bei vielen dieser Wirkstoffe der Kunde darauf hingewiesen werden, dass die Indikation „Migräneprophylaxe“ nicht in der Gebrauchsinformation aufgeführt ist. Die Wirkstoffe werden einschleichend dosiert, etwa zwei Monate nach Erreichen der Höchstdosis kann die Wirksamkeit der Prophylaxe beurteilt werden. Nach sechs bis zwölf Monaten wird die Medikation abgesetzt, um zu beurteilen, ob nach wie vor eine Prophylaxe benötigt wird, die Einnahme kann jederzeit wieder fortgesetzt werden. Eine etwas geringere Evidenz in der Migräneprophylaxe als die verschreibungspflichtigen Präparate weisen Magnesium-Präparate auf. Vorteilhaft sind die fehlenden Nebenwirkungen, es kann lediglich zu einer Diarrhö infolge einer zu schnellen Aufdosierung kommen. Die Tagesdosis beträgt hier zweimal 300 mg. Hintergrund ist die Feststellung, dass Migränepatienten oft erniedrigte Magnesium-Konzentrationen im Blut oder im ZNS aufweisen. Auch eine Kombination aus zweimal 300 mg Magnesium, zweimal 200 mg Vitamin B2 (Riboflavin) und zweimal 75 mg Coenzym Q10 (Ubichinon), im Handel als Migravent® Kapseln, wird von der Leitlinie positiv bewertet. Auf die intensive Gelbfärbung des Urins durch Riboflavin sollte in der Beratung hingewiesen werden.

Ebenfalls verweist die Leitlinie auf die in zwei Studien belegte Wirksamkeit von Pestwurzel-Extrakt. Petadolex® musste jedoch 2009 aufgrund schwerwiegender Leberschäden in einigen Fällen in Deutschland vom Markt genommen werden. Als Nahrungsergänzungsmittel wird es weiterhin in Deutschland hergestellt, jedoch über einen internationalen online-Händler vertrieben. Die in Apotheken erhältlichen Petadolex®-Injektionslösungen enthalten Pestwurz als homöopathisches Mittel.

Unterschätzt: Nichtmedikamentöse Maßnahmen

Während es für die Wirksamkeit nichtmedikamentöser Maßnahmen während der akuten Migräneattacke wenig Evidenz gibt, empfiehlt die Leitlinie zur Prophylaxe ausdrücklich die gleichzeitige medikamentöse und nichtmedikamentöse Therapie. Gerade die Verhaltenstherapie ist laut Peter Kropp, Direktor des Instituts für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Rostock, so wirksam, dass sie sogar als alleinige Alternative zur medikamentösen Prophylaxe eingesetzt werden kann. Empfohlen wird zum einen regelmäßiger, aerober Ausdauersport wie Radfahren, Joggen oder Schwimmen. Ob der Hintergrund der prophylaktischen Wirksamkeit eine allgemein verbesserte Fitness, die Entspannung durch die sportliche Aktivität, oder die Gewichtsreduktion ist, ist noch nicht geklärt. Zum anderen sollte eine Entspannungstechnik erlernt werden, zum Beispiel die progressive Muskelentspannung (PMR), bei der verschiedene Muskelgruppen schrittweise an- und wieder entspannt werden. Eine verhaltenstherapeutische Maßnahme, die leider nur in Einzelfällen von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet wird, ist das Biofeedback. Hierbei werden Vorgänge im Körper, z. B. die Verengung einer dilatierten Schläfenarterie, zunächst über Sensoren für den Patienten auf Computerbildschirmen sichtbar gemacht. Durch gezieltes Training kann der Patient dann lernen, diese ursprünglich unwillkürlichen Vorgänge zu steuern, so dass er einen beginnenden Migräneanfall aus eigener Kraft beenden kann. Sogar der Akupunktur spricht die Leitlinie eine „marginale Überlegenheit“ gegenüber einer Scheinakupunktur zu. Bei starkem Migränekopfschmerz empfiehlt sich auch eine psychologische Schmerztherapie.

Nicht wirksam sind laut Leitlinie im Internet propagierte Maßnahmen wie Daith Piercings (Piercings im Bereich des Ohrknorpels), Frischzelltherapien, das Entfernen von Amalgamfüllungen in den Zähnen oder homöopathische Mittel.

Im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung werden auch Migräne-Apps und internetbasierte Angebote immer beliebter. Sie dienen der Dokumentation des Krankheitsverlaufs, die dem Arzt die Therapiekontrolle erleichtert, können Entspannungstechniken anleiten oder die Arzneimitteleinnahme kontrollieren. Beispiele sind die Apps Migräne Buddy, M-sense oder Curelator (auf Englisch). Die meisten dieser Apps sind jedoch noch nicht CE-zertifiziert, ob sie den Krankheitsverlauf tatsächlich positiv beeinflussen oder „nur“ den Bedürfnissen des modernen Kopfschmerzpatienten nach einem Leben mit Smartphone dienen, muss noch untersucht werden. |

Literatur

Diener HC, Gaul C, Kropp P et al. Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne, S1-Leitlinie 2018, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie, www.dgn.org/leitlinien, Stand Januar 2018

Thorlund K et al. Comparative efficacy of triptans for the abortive treatment of migraine: A multiple treatment comparison metaanalysis. Cephalalgia 2014;34:258–267

Neue Migräne-Leitlinie: Fachgesellschaften üben Kritik an Versorgung. Ärzteblatt, 30. April 2018, www.aerzteblatt.de/nachrichten/94845/Neue-Migraene-Leitlinie-Fachgesellschaften-ueben-Kritik-an-Versorgung, Abruf 27 Juli 2018

Dahlem MA et al. Was leisten Migräne-Apps?, MMW Fortschritte der Medizin, 2018;2:51ff

Fachinformationen der pharmazeutischen Hersteller

Autorin

Dr. Sabine Werner studierte Pharmazie in München und Berlin. Nach ihrer Promotion arbeitete sie in einer Krankenhausapotheke in Tansania, später in einer öffentlichen Apotheke in Deutschland. Seit 2010 unterrichtet sie an der Berufsfachschule für pharmazeutisch-technische Assistenten in München.

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