Die Seite 3

Urzeitliches Landwirbeltier

Foto: DAZ/Kahrmann
Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ

Kennen Sie den Dinosaurier im deutschen Gesundheitswesen? Meistens hält er sich im Verborgenen auf, mindestens einmal im Jahr kommt er stampfend aus seinem Versteck, brüllt lauthals und schlägt um sich ohne Rücksicht auf Verluste. Er ist groß und schwer, ein wenig unflexibel und wirkt mit ­seinem engstirnigen Freund-Feind-Bild etwas anachronistisch.

Haben Sie ihn erkannt? Es ist der GKV-Spitzenverband.

Dr. Dirk Heinrich verglich den Bund der gesetzlichen Krankenkassen vor einigen Jahren mal mit einem Dinosaurier. Gleichzeitig übte der Vorsitzende der niedergelassenen Ärzte in Deutschland heftige Kritik: Der Spitzenverband wäre nur auf Konfrontation statt Kooperation aus, führe Grabenkämpfe mit den Leistungserbringern und würde immer mehr fordern als zu fördern. Öffentlich stellte Heinrich die Frage, ob der Spitzenverband überhaupt noch in der Lage sei, konstruktiv an der Verbesserung der ­Patientenversorgung in Deutschland mitzuwirken. In der Zeitschrift „der niedergelassene arzt“ war sogar zu lesen: „Schafft den GKV-Spitzenverband ab!“

So rückständig das Wirken des Krankenkassenverbandes auch scheint – erst 2007 wurde er gegründet, um die Interessen der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland zentralisiert zu vertreten. Und seitdem werden die Konflikte zwischen den Kassen und den Leistungserbringern immer wieder aufs Neue offen und mit allen Mitteln ausgetragen, was vom Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen wird. Legendär war beispielsweise, als die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer, im Interview mit der „Welt“ Ärzte als „Staubsaugervertreter“ bezeichnete, wenn sie ihren Patienten individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) anbieten.

Auch die Apothekerschaft muss jedes Jahr aufs Neue vernehmen, wie sich der Spitzenverband die ideale Versorgungslandschaft vorstellt. Dort dominieren fremdgesteuerte Apothekenketten, Apothekenbusse fahren umher, seelenlose Video-Apotheken stellen die letzten Zufluchtsorte für die Patienten dar und Höchstpreise sollen von allen unterboten werden – von den Großen natürlich etwas mehr als von den Kleinen. Der Dinosaurier schafft sich sein eigenes Biotop. Seit letzter Woche fordert der Spitzenverband noch zusätzlich, den Apotheken gemäß Honorargutachten 1 Milliarde Euro zu streichen.

Übrigens werden unsere Presseanfragen beim GKV-Spitzenverband regelmäßig mit denselben, oben genannten Wunschvorstellungen beantwortet, unabhängig davon, was wir konkret wissen möchten.

Wie reagiert man am besten auf solche neoliberalen, destruktiven Pläne eines nicht unbedeutenden Interessenvertreters im Gesundheitssystem?

Einerseits könnte man zurückbrüllen, wie es die Ärzte tun. Andererseits könnte man versuchen, mucksmäuschenstill dem Dinosaurier aus dem Weg zu gehen, wie es die Standesvertretung der Apotheker – nicht nur in dieser Angelegenheit – derzeit praktiziert. Beide Möglichkeiten haben den Nachteil, dass man als Berufsstand durch eingefahrene Verhaltensmuster irgendwann an Glaubwürdigkeit verliert. Eine zielführende Lösung könnte dagegen sein, die Pläne und Argumente mit Fakten zu durchkreuzen. So ist das Honorargutachten in der DAZ bereits mehrfach kritisch durchleuchtet und für ungeeignet befunden worden. In der aktuellen Ausgabe setzt auch der Diplom-Mathematiker Uwe Hüsgen seinen Rotstift an und attestiert dem Gutachten gravierende ­Rechenfehler (S. 20).

Während die Argumentation des GKV-Spitzenverbandes immer nur in eine Richtung läuft („Es muss noch billiger gehen!“), sollten die Leistungserbringer – insbesondere die Apotheker – beginnen, ihren Nutzen für die Patienten vielseitiger und wissenschaftlich fundiert darzulegen.

Armin Edalat

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