Die Seite 3

Frei nach Pippi Langstrumpf

Foto: DAZ/Kahrmann
Dr. Doris Uhl, Chefredakteurin der DAZ

Kaum ein Thema dominiert den Apothekenalltag so wie das der nicht lieferbaren Arzneimittel. Besonders problematisch wird es, wenn Rabattvertragsarzneimittel betroffen sind. Ein aktuelles Beispiel: Ramilich® 5 mg Tabletten der Sanofi-Tochter Zentiva. Recherchen von DAZ.online zufolge haben sämtliche AOKen, die Barmer GEK, die DAK-Gesundheit, die IKK classic, die Knappschaft sowie die Techniker Krankenkasse Rabattverträge für dieses Arzneimittel abgeschlossen, Knappschaft und AOK sogar exklusiv. Neben dem hohen bürokratischen Aufwand bei der Beschaffung von Ersatzpräparaten muss in solchen Fällen den vielen Patienten erklärt werden, warum sie nun ein anderes Präparat bekommen. Bange Fragen, ob denn die Alternative genauso wirkt, müssen überzeugend beantwortet werden. Oft genug gelingt das nicht. Was das für die Therapietreue bedeutet, wissen wir alle nur zu gut.

Nahezu zeitgleich erklärt Helmut Schröder, der stellvertretende Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Informationsdienstes der AOK, dass es nur wenige Arzneimittel gibt, die nicht lieferbar sind, dass Rabattverträge die Therapietreue der Patienten erhöhen und dass Rabattverträge sogar die Garanten für die Anbietervielfalt im Generikamarkt sind (s. a. S. 12). Aussagen, die vielen Apothekerinnen und Apothekern die Zornesröte ins Gesicht treibt angesichts der täglich neuen Herausforderungen, mit denen sie sich bei der Versorgung der gesetzlich versicherten Patienten konfrontiert sehen. Schröder beruft sich unter anderem auf die traumhaften Ergebnisse einer hauseigenen Untersuchung, nach denen zwischen 2006 und 2016 der Anteil der Patienten ohne Medikamentenwechsel sogar um 15% gestiegen ist. 85% der Patienten mit einer Wirkstoffdauerverordnung sollen 2016 diesen Wirkstoff von ein und demselben Hersteller erhalten haben. Wenn das nicht schlagende Argumente für die Verbesserung der Therapietreue durch Rabattverträge sind!

Kein Wort darüber, dass bei Abschluss neuer Rabattverträge Umstellungen auf neue Präparate oft unausweichlich sind. Kein Wort zu aktuellen Lieferproblemen. Stattdessen ein Herunterspielen der Problematik mit Verweis auf die BfArM-Lieferengpass-Liste und auf eigene Daten zu Rabattarzneimitteln. Mit Verlaub Herr Schröder, auch Sie wissen, dass sich die BfArM-Liste aus freiwilligen Meldungen speist und nicht annähernd vollständig ist. Auch die von Ihnen angeführten 0,2% nicht lieferbar gemeldeten Rabattarzneimittel im vergangenen Jahr sagen nichts über die Dauer der Engpässe und die Zahl der betroffenen Versicherten aus. Fakt ist, dass die vielen mit Engpässen verbundenen Probleme, die tagtäglich die Versorgung auch Ihrer Versicherten erschweren, sich in diesen Zahlen nicht widerspiegeln können.

Gerade dieser Umgang mit der Lieferengpassproblematik zeigt einmal mehr, warum nach Jahren unzähliger Diskussionen zwar erkannt worden ist, dass die Ursachen vielschichtig sind, aber man keinen Hebel gefunden hat, die Probleme zu lösen. Solange die Beteiligten frei nach Pippi Langstrumpf damit beschäftigt sind, sich die Welt so zu malen, wie sie ihnen gefällt, nur ihren Vorteil suchen und ihre ganze Energie darauf verwenden, zu zeigen, dass sie nicht Teil des Problems sind – solange werden wir mit Liefer- und Versorgungsengpässen und all ihren fatalen Konsequenzen für die Patienten leben müssen.

Doris Uhl

Das könnte Sie auch interessieren

Sind Rabattverträge für Lieferengpässe doch nicht verantwortlich?

WIdO-Vizechef verteidigt AOK-Studie

Änderungsanträge zum GKV-FKG werden nachjustiert, Prüfbitten abgelehnt

BMG hält an Exklusivverträgen fest

DAZ-Spezial zu Ursachen und Lösungsansätzen für ein andauerndes Ärgernis

DAZ-Spezial: Dauerthema Lieferengpässe

AOK-Bundesverband wirft Apothekern und Pharmaindustrie „Desinformation“ vor

AOK: „Aufgebauschte Kampagne“ gegen Rabattverträge

Helmut Schröder vom AOK-Institut im Interview

„Lieferbarkeit von Rabattarzneimitteln nicht eingeschränkt“

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.