- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 19/2017
- Impulse aus den USA
Aus den Ländern
Impulse aus den USA
Auf dem BAT wurde über die Weiterentwicklung des Pharmaziestudium in Deutschland diskutiert
Ein Impulsvortrag von Prof. Dr. Hartmut Derendorf von der University of Florida in Gainesville, USA, legte den Grundstein für die Diskussion über die Weiterentwicklung des Pharmaziestudiums in Deutschland. Anders als in Deutschland ist in den USA und in vielen anderen Ländern das Pharmaziestudium kein rein naturwissenschaftliches Studium mehr.
Vom produktorientierten Arzneimittelversorger ...
Nicht mehr das Arzneimittel, sondern der Patient steht dort im Mittelpunkt und damit das Fach „Klinische Pharmazie“, hinter dem sich eine Patienten-orientierte Pharmazie verbirgt. Der Wandel der US-amerikanischen Pharmazie wurde laut Derendorf schon 1990 in Gang gesetzt und war von der Frage geleitet, welche Rolle der Apotheker für die Gesellschaft spielen soll. Klar war, dass eine Arzneimitteltherapie mit unzähligen Problemen einhergeht und eine fehlerhafte und nicht optimierte Therapie hohe Kosten verursacht. Diese Probleme zu vermeiden und zu lösen, wurde als vordringliche Aufgabe für die Apotheker erkannt. Sie mündete in der Definition von Pharmaceutical Care, nach der der Apotheker zusammen mit dem Arzt für eine optimale Arzneimitteltherapie des Patienten verantwortlich ist.
... zum patientenorientierten Medikationsmanager
Konsequent wurde und wird vor diesem Hintergrund die pharmazeutische Ausbildung in den USA umgestellt (s. DAZ 2017, Nr. 17 S. 24). Vom ersten Studientag an werden die Studenten mit den Problemen der Patienten konfrontiert. Das Fach Klinische Pharmazie und die Pharmakotherapie prägen das Studium ebenso wie das Training kommunikativer Fähigkeiten und die Zusammenarbeit mit den anderen Heilberufen. Inzwischen hat in den USA das Medikationsmanagement nicht nur in Kliniken, sondern auch in öffentlichen Apotheken Einzug gehalten. Die Hoffnung auf eine bessere Arzneimitteltherapie, die zudem auch noch Kosten spart, hat sich laut Derendorf voll erfüllt.
Kosten sparen nicht am, sondern mit dem Arzneimittel
Als Beleg führte er das Asheville-Projekt an, bei dem der Bürgermeister der Stadt die Hälfte der Diabetiker in den Genuss eines Medikationsmanagements durch Apotheken kommen ließ, die andere Hälfte weiterhin konventionell mit Arzneimitteln versorgt wurden. Trotz höherer Kosten unter anderem durch die Vergütung der Apotheker konnten durch das Medikationsmanagement Krankheitstage reduziert und 500 Dollar pro Patient und Jahr eingespart werden.
Auch in Deutschland ist erkannt worden, dass die Arzneimitteltherapie und die Arzneimitteltherapiesicherheit nur durch Einbindung des Apothekers als vollwertiges Mitglied in das therapeutische Team verbessert werden kann. Eingang gefunden hat diese Erkenntnis in das Perspektivpapier Apotheke 2030, das der Deutsche Apothekertag 2014 mit großer Mehrheit verabschiedet hat.
Doch wie können die in dem Perspektivpapier festgeschriebenen Ziele erreicht werden? Vermittelt das derzeitige Pharmaziestudium die notwendigen Grundlagen? Sind Änderungen notwendig? Wenn ja, können sie innerhalb der bestehenden Approbationsordnung umgesetzt werden oder muss die Approbationsordnung geändert werden? Konkrete Antworten hat die AG Zukunft des Bundesverbandes der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD) mit ihrem Thesenpapier gegeben (s. a. DAZ 2017, Nr. 5, S. 22).
BPhD: Nicht mehr zeitgemäß!
Die Quintessenz: Themen und Lehre sind nicht mehr zeitgemäß, die aktuelle Approbationsordnung spiegelt nicht das wider, was später im Beruf benötigt wird und muss geändert werden.
Mit diesem Thesenpapier hat der BPhD den Berufsstand und die Hochschullehrer herausgefordert und sucht nun die Diskussion. Dieser Diskussion stellten sich beim BAT neben Professor Derendorf der Präsident der Bundesapothekerkammer Dr. Andreas Kiefer, die bayerischen Hochschulprofessoren Prof. Dr. Ulrike Holzgrabe, Lehrstuhl für Pharmazeutische und Medizinische Chemie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Prof. Dr. Kristina Friedland, Molekulare und Klinische Pharmazie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, und Prof. Dr. Jörg Heilmann, Lehrstuhl für Pharmazeutische Biologie der Universität Regensburg.
Der Bundesverband der Pharmaziestudierenden war vertreten durch Max Willie Georgi, Beauftragter für Lehre und Studium. Die Diskussionsleitung hatte Thomas Benkert, Präsident der Bayerischen Landesapothekerkammer.
Klarheit zum Jahreswechsel
Kiefer stellte gleich zu Beginn in Aussicht, dass bis Ende 2017/Anfang 2018 klar sein werde, welche Auswirkungen die im Perspektivpapier 2030 gesteckten Ziele für die Ausbildung und die Approbationsordnung haben werden. Ob notwendige Änderungen im Rahmen der Approbationsordnung durchzuführen sind oder ob die Approbationsordnung geändert werden müsse, ließ er offen.
Naturwissenschaftliche Basis erhalten!
Einigkeit bestand bei den deutschen Hochschullehrern darin, dass die naturwissenschaftliche Basis und die breit gefächerten beruflichen Möglichkeiten nach dem Studium erhalten bleiben müssen. Holzgrabe ging das von Derendorf vorgestellte neue Curriculum der University of Florida einen Schritt zu weit. Neben der Analytik vermisste sie die pharmazeutischen Kernfächer Technologie und Biologie. Weniger Chemie, mehr klinische Pharmazie von Anfang an, das sind die Kernforderungen derer, die die Patienten-orientierte Pharmazie vorantreiben wollen. Doch wie viel Chemie, wie viel Analytik ist notwendig?
Heilmann und Holzgrabe möchten keinesfalls auf die Analytik verzichten. „Irgendein Fach muss ja das naturwissenschaftliche Denken und Arbeiten vermitteln!“ so Heilmann. Für Holzgrabe wird gerade im Fach Analytik und mit dem Titrieren die Grundlage für präzises Arbeiten und der Umgang mit Fehlern vermittelt, eine Grundlage, die auch für die Patientenbetreuung unverzichtbar sei. Allerdings war sie sich mit Georgi einig, dass gerade zu Beginn des Studiums die Gewichtung geändert werden müsse.
Können Studierende mitreden?
Immer wieder werden die Studierenden mit dem Vorwurf konfrontiert, sie könnten sich ja gar nicht zu den Studieninhalten und der Ausgestaltung des Studiums äußern, da sie ja gar nicht wüssten, welche Anforderungen im Beruf an sie gestellt werden würden. So auch in dieser Runde durch Benkert und Heilmann: „Das sei ja so, wie wenn Siebtklässler den Unterrichtsstoff für die achte Klasse festlegen würden und einfach mal Mathematik streichen würden, weil das zu schwierig sei.“ Diesen Vorwurf wollte Georgi nicht auf sich sitzen lassen. Er wollte auch sich und den Studierenden nicht das Recht absprechen lassen, sich mit ihrem Studium auseinanderzusetzen. Immerhin habe man durch acht Wochen Famulatur einen Einblick in die spätere Berufstätigkeit als Apotheker gewinnen können. Unterstützung bekam Georgi von den Professorinnen Friedland und Holzgrabe: Friedland ist davon überzeugt, dass sich die meisten Studierenden vor Aufnahme des Studiums sehr genau mit dem Beruf auseinandergesetzt und meist auch ein Praktikum in der Apotheke absolviert hätten.
Holzgrabe: Volle Zustimmung
Holzgrabe lobte darüber hinaus die Initiative der Studierenden: Das Thesenpapier habe ihre volle Zustimmung, auch wenn man sich über Details unterhalten müsse. Einigkeit bestand darin, dass die Klinische Pharmazie gestärkt werden müsse. Heilmann unterstrich die Forderung, dass endlich an jeder pharmazeutischen Hochschule auch ein Lehrstuhl Klinische Pharmazie eingerichtet werden müsse. Dazu müssen jedoch die Länder entweder zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen oder die pharmazeutischen Hochschulen Umstrukturierungen vornehmen. In Würzburg wurde der Weg der Umstrukturierung gegangen. Frau Prof. Holzgrabe hat eine ihrer Stellen freigemacht für eine Professur in Klinischer Pharmazie.
Das liebe Geld
Klar wurde in der Diskussion aber auch, dass alle berechtigten Wünsche nach Veränderung nur zu erfüllen sind, wenn zusätzliche Gelder bereitgestellt werden. So möchte Friedland die gute pharmazeutische Grundausbildung für alle Berufsfelder beibehalten, sieht aber, dass für die Klinische Pharmazie und die Pharmakologie mehr Zeit benötigt wird. Das Studium um ein Jahr zu verlängern, wäre für sie der Weg. Doch das koste Geld und sei politisch nicht durchzusetzen. Beklagt wurde die generell zu schlechte finanzielle Ausstattung der pharmazeutischen Institute. So sei in Würzburg in jedem Praktikum die Hälfte der Doktoranden Drittmittel-finanziert, betonte Holzgrabe.
Das Beispiel Medikationsplan zeigt die Abhängigkeit der Politik auf anderer Ebene. Zwar gebe es die Erkenntnis, dass der Medikationsplan und eine Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit nur mit den Apothekern umzusetzen ist, so Kiefer, aber wenn es ums Geld geht, entscheiden sich Politik und Kostenträger gegen die Apotheker. |
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.