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Ausbildung
Ständige Optimierung
Das Pharmaziestudium in den USA entwickelt sich kontinuierlich weiter
Der bekannteste Unterschied im Studium besteht darin, dass Pharmazie in Deutschland weitgehend wirkstoffzentriert unterrichtet wird und somit die chemischen und biochemischen Aspekte im Vordergrund stehen, während in den USA der Schwerpunkt immer deutlicher auf den Patienten und somit auf die heilberuflichen Aufgaben gelegt wird. Auch haben Pharmaziestudenten ein größeres Mitspracherecht bei der Gestaltung des Studiums. Eine Selbstverständlichkeit ist die (übrigens auf dem Deutschen Apothekertag 2016 in München von den Studentenvertretern geforderte) fortlaufende Anpassung und Optimierung des Studiums. An der University of Florida (UF), einer der Keimzellen der neuen pharmazeutischen Entwicklung in den 1990er-Jahren, gibt es hierzu eine eigene Arbeitsgruppe. Unter der Leitung von Dekanin Prof. Julie Johnson erarbeitet diese Gruppe aus Fakultätsmitgliedern, Studenten, Lehrern und Ehemaligen neue Konzepte zur Verbesserung des Studiums. Prämisse ist, dass die Pharmazeuten von morgen besser für ihren Beruf ausgebildet werden sollen. Im Vordergrund stehen dabei stets der Patient und sein Anliegen. Entsprechend wird – neben dem wissenschaftlich fundierten Studium der Pharmakotherapie und Klinischen Pharmazie – höchster Wert auf praxisorientiertes Fachwissen, kommunikative Fähigkeiten, Teamwork und Interprofessionalität gelegt.
Um Pharmazie studieren zu können, benötigen Studenten in den USA einen College-Abschluss in Naturwissenschaften. Das Studium selbst war früher ein „2 + 2 + 1-System“: In den ersten beiden Jahren lernten die Studenten Chemie, Biologie und Technologie, in den folgenden beiden Jahren Klinische Pharmazie, Pharmakotherapie und die Verknüpfung zur Praxis. Im letzten Studienjahr durchliefen sie Praktika in vielen verschiedenen Arbeitsbereichen („rotations“) wie öffentlichen Apotheken, Praxen, ambulanten Kliniken und Krankenhäuser und fertigten eine schriftliche Arbeit an. Erst danach fanden die Abschlussprüfungen statt. Die Absolventen erlangten den akademischen Titel PharmD (Doctor of Pharmacy) und konnten die staatliche Approbation beantragen.
Inzwischen ist an der UF das Studium abermals deutlich umgestellt worden.
1. Studienjahr
Im ersten Studienjahr lernen die Studenten hauptsächlich pharmazeutische und medizinische Grundlagen, wobei Aspekte der Patientenbetreuung miteinbezogen werden (Tab. 1). Zudem wird ihnen vermittelt, dass Apotheker eine hohe persönliche Verantwortung im Gesundheitssystem tragen.
Ein großer Kritikpunkt der Studenten am alten Lehrplan war das isolierte Lernen von verschiedenen Fächern ohne klinischen oder pharmazeutischen Kontext. Daher wurde der Themenblock Chemie aufgelöst und in das Fach „Grundlagen pharmazeutischer Wissenschaften“ eingegliedert, wo sein Inhalt im Kontext mit Pharmakologie oder Galenik/Technologie gelehrt wird. Ähnlich erging es den ehemaligen Fächern Biologie und Technologie. Das Fach Pathophysiologie besteht zwar noch, ist aber in den konkreten klinischen Zusammenhang eingebettet worden.
1. Trimester: Mitte August bis Dezember | |
Woche 1 |
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Woche 2 – 6 |
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Woche 7 – 16 |
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Woche 2 – 16 |
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Woche 17 |
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2. Trimester: Januar bis Anfang Mai | |
Woche 1 – 8 |
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Woche 9 |
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Woche 10 – 17 |
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Woche 18 |
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3. Trimester: Mitte Mai bis Mitte August | |
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2. bis 4. Studienjahr
Die größte Änderung betrifft die ehemaligen Fächer Pharmakologie, Medizinische Chemie, Pharmakotherapie und Klinische Pharmazie. Sie sind im aktuellen Curriculum zum neuen interdisziplinären Fach „Patient Care“ zusammengelegt worden. Es beginnt in dieser Vielschichtigkeit bereits im ersten Studienjahr, wo der Schwerpunkt auf pflanzlichen Drogen und Non-Rx-Arzneimitteln liegt.
Ab dem 2. Jahr dominiert das Fach Patient Care dann für neun Trimester das Studium (Tab. 2 und 3). In jedem Trimester wird der Fokus auf ein anderes Organsystem gelegt (Kardiologie, Gastroenterologie, Nephrologie usw.). In diesen Lehrveranstaltungen erlernen die Studenten zugleich die Grundlagen der Pathophysiologie, Pharmakokinetik und Pharmakodynamik (mit den Struktur-Wirkungs-Beziehungen der jeweiligen Arzneistoffe) sowie der Klinischen Pharmazie. Die fallbasierte Pharmakotherapie steht hierbei im Vordergrund. Dieses an das Medizinstudium angelehnte indikationsabhängige Lernen hat den großen Vorteil, dass wichtige Erkrankungen und Arzneimittelgruppen mit allen wichtigen Aspekten im Zusammenhang gelehrt werden. Einerseits spart diese Methode im Vergleich zum alten Lehrplan sehr viel Zeit, da das nicht-fachbezogene Lernen entfällt; andererseits ist der Lehrstoff für die Studenten so wesentlich besser strukturiert und kompakter, und sie lernen nachhaltiger.
1. Trimester: Mitte August bis Dezember | |
Woche 1 – 2 |
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Woche 3 – 6 |
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Woche 7 |
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Woche 8 – 14 |
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Woche 15 – 16 |
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Woche 1 – 16 |
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Woche 1 – 18 |
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Woche 17 – 18 |
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2. Trimester: Januar bis Anfang Mai | |
Woche 1 |
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Woche 2 – 8 |
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Woche 9 |
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Woche 10 – 15 |
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Woche 16 – 17 |
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Woche 1 – 17 |
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Woche 18 |
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3. Trimester: Mitte Mai bis Mitte August | |
Einführendes Praktikum (öffentliche Apotheke), Ferien, Förderung |
Es wurden auch neue Zwischenprüfungen in den Lehrplan integriert, welche den Lernfortschritt und die Eignung für die bevorstehende Praxis besser dokumentieren sollen. Neu hinzugekommen sind als weitere praxisnahe Elemente die Wahlpflichtkurse, welche jeweils vier Wochen im zweiten und dritten Studienjahr einnehmen. Damit haben amerikanische Studenten bereits während ihres Studiums genug Zeit und Gelegenheit, möglichst viele verschiedene Arbeitsplätze kennenzulernen.
Um das erlernte Wissen am Patienten anwenden zu können, spielt der Erwerb sozialer Kompetenzen wie Teamfähigkeit und Kommunikation eine Rolle in der Ausbildung amerikanischer Pharmazeuten. In kleinen Arbeitsgruppen werden in Rollenspielen Alltagssituationen nachgestellt, in denen die Studenten den Umgang mit Patienten üben können. Um den Lernfortschritt zu verfolgen und die eigenen Stärken und Schwächen besser beurteilen zu können, werden diese Übungen zum Teil videoaufgezeichnet und dann in den Gruppen besprochen und ausgewertet. Diese Reflexion hilft den Studenten, die Patienten nach ihren Beschwerden zu fragen und Lösungen zu finden, aber auch Sicherheit und Kompetenz für ihre späteren Tätigkeiten zu erlangen.
Auch die wissenschaftliche Arbeit wird im Studium gefördert. Statistik, Biometrie, Zitieren von Literatur und Studienanalysen werden in Journal-Clubs erlernt und trainiert, um Fachartikel methodisch beurteilen zu können. Selbstständiges wissenschaftliches Arbeiten muss in kleineren Projekten und in der Abschlussarbeit demonstriert werden. Vor den „rotations“ werden dann noch Kurse zu Gesetzeskunde, Patientensicherheit und Management in den Lehrplan integriert.
1. Trimester: Mitte August bis Dezember | |
Woche 1 – 3 |
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Woche 4 – 6
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Woche 7 – 10
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Woche 1 – 10
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Woche 11 – 14
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Woche 15 – 16
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Woche 1 – 16
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Woche 1 – 18
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Woche 17 – 18
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2. Trimester: Januar bis Anfang Mai | |
Woche 1 – 8
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Woche 9 |
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Woche 10 – 15
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Woche 16 – 17
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Woche 1 – 17
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Woche 18 |
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3. Trimester: Mitte Mai bis Mitte August | |
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Erfahrungen
Der aktuelle Lehrplan für das Pharmaziestudium ist an der UF – wie generell in den USA – konsequent auf Patientenorientierung umgestellt. Dennoch findet sich darin das spezifisch pharmazeutische und naturwissenschaftliche Wissen wieder. Didaktisch ist das integrative Lernen und Lehren sehr effektiv. Insgesamt ist das Studium durch die vielen Anpassungen immer anspruchsvoller und gehaltvoller geworden. Dem Wissenszuwachs kommt diese Methode sehr entgegen, weil zeiteffektiver gearbeitet wird. Bedenken, dass eine solche Neuorientierung zu einer „Entakademisierung“ der Pharmazie führen könnte (Schreckgespenst Fachhochschule), kamen bei den Verantwortlichen daher nie auf, ebenso auch keine Angst davor, dass die Pharmazie komplett in der Medizin aufgehen und untergehen würde. Man hat im Gegenteil das Gefühl einer akademischen Aufwertung des Pharmaziestudiums. Auch die Aufnahme von sozialen und kommunikativen Lehrveranstaltungen ins Studium hat den Apothekern nicht geschadet, sondern ihnen die Anwendung des Wissens am Patientenbett erleichtert und damit ihre Rolle gestärkt.
Insgesamt stärkt die Betonung der Klinik im Pharmaziestudium die Positionierung des Apothekers als Heilberuf; deshalb sind Attraktivität und Ansehen des Berufes wie auch das finanzielle Einkommen in den letzten Jahrzehnten gestiegen. Der klinisch ausgebildete Pharmazeut ist auch in Forschung, Industrie und Wissenschaft inzwischen internationaler Standard und hat dort – anders als in Deutschland oft kolportiert – sein Betätigungsfeld sogar deutlich ausgebaut. Zur Qualifikation für besondere Tätigkeiten ist Apothekern weiterhin ein aufbauendes Promotionsstudium (PhD) möglich.
Lehr- und Ausbildungsphilosophie am College of Pharmacy der UF
Die Studierenden sollen durch die Ausbildung am Institut dazu befähigt werden, fürsorgliche Pharmakotherapie-Experten und wirkungsvolle Mitglieder im interprofessionellen Gesundheitsteam zu werden. Dazu schaffen wir ein starkes Fundament in biomedizinischen, pharmazeutischen, sozialen und klinischen Wissenschaften. Wir bieten ein gut organisiertes, aufeinander aufbauendes Curriculum, das evidenzbasierte Problemlösungen ermöglicht und die fortlaufende Entwicklung und Integration des erforderlichen Wissens, der benötigten Fähigkeiten und der richtigen Einstellung und Werte fördert. Um dies zu erreichen, werden die Angebote online, im persönlichen Kontakt oder durch selbstständiges Arbeiten vermittelt. Wir nutzen den Einsatz geeigneter Technologien, um den Bedürfnissen zeitgemäßen Lernens optimal zu entsprechen und den unterschiedlichen Möglichkeiten der Studierenden gerecht zu werden. Dabei soll stets ein Praxisbezug hergestellt werden. Wir verwenden eine Vielzahl unterschiedlicher didaktisch geeigneter Methoden und beziehen die Studierenden intensiv in den Unterricht mit ein. Wir fördern den sozialen Zusammenhalt und stärken den persönlichen Austausch mit Kommilitoninnen und Kommilitonen, dem Lehrkörper und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Instituts. Wir betrachten das Curriculum als ein Programm, das Persönlichkeiten hervorbringt, die das Konzept des erforderlichen lebenslangen Lernens verinnerlichen und die als begeisterte Pharmazeutinnen und Pharmazeuten durch ihre tägliche Praxis unseren Berufsstand fördern.
Apotheker haben sich sowohl innerhalb als auch außerhalb der oft skurril anmutenden „Prescription Corners“ in den großen Drogeriemärkten zahlreiche neue Aufgabengebiete erschlossen. Stationsapotheker in Ärzteteams oder in kleineren Kliniken sind die Regel und nicht die Ausnahme. Pharmazeuten führen dort ihre eigenen Sprechstunden durch, impfen und leiten z. B. Antikoagulationskliniken. Viele Apotheker haben sich auf die Pharmakotherapie bestimmter Erkrankungen spezialisiert und spielen in der Versorgung, Behandlung und Betreuung der Patienten eine klar definierte Rolle im interprofessionellen Team. Leider konnten die vielen deutschen PhiPs, die in den letzten 20 Jahren an der UF tätig waren, das US-Studium nur am Rande erleben. Inzwischen gibt es aber einen internationalen berufsbegleitenden Masterkurs, der diese Inhalte vermittelt (siehe http://onlinemscp.pharmacy.ufl.edu).
Fazit
Die Herausforderungen im klinischen Alltag und der stete Wissenszuwachs erfordern ohne Frage eine permanente Weiterentwicklung der universitären Ausbildung, aber auch der anschließenden Fortbildung. Sowohl die Studenten als auch die Dozenten in den USA begegnen diesen Herausforderungen mit großer Neugier und Freude, sodass alle Beteiligten den fortwährenden Wandel des Studiums als Erfolgsmodell und große Chance bewerten. Die Umstellung auf kognitiv pharmazeutische Inhalte und den Schwerpunkt Pharmakotherapie hat das Studium eher noch anspruchsvoller und wissenschaftlicher werden lassen, und gerade die universitäre Forschung hat dadurch keinen Schaden erlitten, sondern wurde um die klinischen Aspekte erweitert. |
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