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Infektiologie
Ist AIDS bald Geschichte?
Eine (gute) Frage zum Welt-Aids-Tag
DAZ: Welche Kriterien müssen erfüllt sein, um von einer „Eliminierung“ von HIV sprechen zu können?
Dr. med. Annette Haberl: UNAIDS hat in der Tat erklärt, bis zum Jahr 2030 die AIDS-Epidemie – allerdings nicht das HI-Virus – eliminieren zu wollen. Um dieses ambitionierte Ziel erreichen zu können, müssten bis dahin 95% aller Menschen, die weltweit mit HIV leben, diagnostiziert und 95% der Diagnostizierten antiretroviral behandelt sein. Von den Therapierten sollten dann wiederum 95% virologisch unter der sogenannten Nachweisgrenze liegen, d. h. eine Virusmenge von weniger als 50 Kopien pro ml Blut aufweisen. Die Kurzformel für die genannten Zielgrößen lautet 95-95-95. Ein Erreichen dieser Meilensteine würde eine Reduktion der HIV-Neuinfektionen von derzeit rund zwei Millionen jährlich auf „nur“ noch 200.000 im Jahr 2030 bedeuten. Damit wäre tatsächlich die AIDS-Epidemie als Bedrohung für den Public Health Sektor beendet.
DAZ: Welche Schritte sind dafür nötig?
Haberl: Es muss bereits in den nächsten fünf Jahren gelingen, die Zahl neuer HIV-Infektionen vor allem in den 30 Ländern zu senken, die aktuell für rund 80% der weltweiten Neuinfektionen stehen. Es gilt dort in Gegenden mit hoher HIV-Prävalenz zügig Aktionsprogramme umzusetzen, die vor Ort niedrigschwellig Aufklärung, Testung und Behandlung anbieten. Dabei wird auf eine enge Zusammenarbeit von Regierungs- und Nicht-Regierungsorganisationen gesetzt. Voraussetzung für eine erfolgreiche Implementierung der Programme ist allerdings der Punkt „Zero Discrimination“. In Ländern, die eine repressive Politik gegenüber Risikogruppen anwenden, ist weder eine erfolgreiche HIV-Prävention noch eine adäquate medizinische Versorgung von Menschen mit HIV möglich. So gibt es beispielsweise in vielen Ländern Osteuropas kaum staatliche Hilfsangebote für Drogengebraucher- oder Sexarbeiterinnen. Männer, die Sex mit Männern haben, erfahren vielfach Ausgrenzung und führen deshalb ein Doppelleben. In diesem Klima von Angst und Diskriminierung wird es schwierig sein, die Aktionsprogramme zu HIV-Prävention und Therapie erfolgreich umzusetzen.
DAZ: Welchen Stellenwert hat für Sie die Präexpositionsprophylaxe?
Haberl: Die Präexpositionsprophylaxe mit dem dafür zugelassenen HIV-Medikament Truvada® kann Menschen mit einem hohen Infektionsrisiko, die es nicht immer schaffen, konsequent ein Kondom zu benutzen, zuverlässigen Schutz vor HIV bieten. Auf diese Weise könnte die Zahl der Neuinfektionen reduziert werden. Solange allerdings eine Monatspackung Truvada® bei uns noch 820 Euro kostet, wird sich leider kaum jemand diese Prophylaxe leisten können.
DAZ: Worauf konzentriert sich die Forschung in den kommenden Jahren?
Haberl: In den letzten Jahren ist die HIV-Therapie immer effektiver, verträglicher und einfacher geworden. Sie ermöglicht Menschen mit HIV heute ein nahezu normales Leben. Weiterentwicklungen der Therapie sind sogenannte long-acting Formulierungen, die derzeit in klinischen Studien untersucht werden. Die antiretroviralen Wirkstoffe werden intramuskulär gespritzt und erlauben ein mehrwöchiges Dosierungsintervall. Neben Verbesserungen der klassischen HIV-Therapie beschäftigt sich die Forschung weiterhin mit Ansätzen zur Heilung und Impfung. Es ist allerdings fraglich, ob hier in den nächsten Jahren ein Durchbruch mit Konsequenzen für den klinischen Alltag erreicht werden kann.
DAZ: Ist es realistisch, das Ziel der Eliminierung bis 2030 zu erreichen?
Haberl: Es ist auf jeden Fall zwingend notwendig, dieses Ziel auf die politische Agenda zu setzen. Als UNAIDS vor einigen Jahren erklärt hat, bis zum Jahr 2015 15 Mio. Menschen mit HIV unter Therapie zu haben, hat kaum einer daran geglaubt. Aber das Ziel wurde erreicht. Wenn also eine Eliminierung der AIDS-Epidemie bis 2030 theoretisch möglich ist, dann können wir das gemeinsam auch schaffen – und sollten deshalb alles daran setzen, dieses Ziel zu erreichen.
DAZ: Vielen Dank für das Gespräch! |
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