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Prävention
Mehr als Schutz vor Infektionen?
Unspezifische Effekte einer Impfung scheinen Einfluss auf die Mortalitätsrate zu haben
Impfprogramme, wie solche der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Impfungen im Kindesalter, gehören zu den wirksamsten und kosteneffektivsten Interventionen auf globaler Ebene. Dabei wurde bereits seit den 1990er-Jahren vermutet, dass Impfstoffe neben der gezielten Immunisierung gegen Pathogene auch unspezifische, sogenannte heterologe Effekte haben, die sich positiv oder negativ auf die Gesamtmortalität auswirken können. Eine zunehmende Anzahl epidemiologischer sowie klinischer Untersuchungen verwies bisher auf mögliche positive Effekte durch abgeschwächte Lebendimpfstoffe (BCG- oder Masern-Impfstoffe), wohingegen inaktivierte Vakzine wie Diphterie-Tetanus-Pertussis(DTP)-Impfstoffe trotz des Schutzes gegen die Zielinfektion, die Gesamtsterblichkeit zu erhöhen scheinen.
Viele Daten, aber wenig gute
Da sich die bisherigen Ergebnisse oftmals auf kleinere Beobachtungsstudien sowie auf Sekundäranalysen stützen und dies insgesamt keine einheitliche Interpretation erlaubt, haben nun zwei Forschergruppen mittels systematischer Analyse der verfügbaren Studien versucht, die heterologen Eigenschaften von Impfstoffen und somit deren Auswirkung auf die Gesamtmortalität umfassend zu vergleichen [1, 2]. Von mehreren tausend randomisierten klinischen Studien, Kohortenanalysen und Fall-Kontroll-Studien eigneten sich nur 77 bzw. 34 Studien für die weiterführende Bewertung. Es ergab sich, dass BCG-Impfstoffe tatsächlich mit einer verringerten Mortalitätsrate assoziiert zu sein scheinen, wobei geimpfte Kinder auch tendenziell mehr Interferon-gamma produzieren als nicht-geimpfte Personen. Interessanterweise bestätigte sich dieser Effekt auch bei Stimulation mit Antigenen von Candida albicans, Staphylococcus aureus und Hepatitis-B-Viren sowie Tetanus-Toxoid. Das kann als ein erneuter Hinweis auf heterologe Wirkungen des BCG-Vakzins gewertet werden. Ähnliches ergab sich bei Impfstoffen gegen Maser. Insgesamt war dies mit einer verringerten Gesamtmortalität assoziiert. Dagegen scheint die Gabe von DTP-Vakzinen mit einer Erhöhung der Mortalitätsrate assoziiert zu sein, obwohl auch hier verstärkte Immunreaktionen gegen heterologe Antigene beobachtet werden konnten.
Kontrollierte Studien nötig
Die Autoren beider Analysen weisen jedoch darauf hin, dass die entsprechenden Studien ein hohes Risiko für statistische Verzerrungen zeigen und somit ein nur geringes Evidenzlevel aufweisen. Daher können auf Basis der hier gezeigten Ergebnisse keine eindeutigen Rückschlüsse auf die Sinnhaftigkeit bzw. Notwendigkeit von Impfprogrammen gezogen werden.
Es steht außer Zweifel, dass die Einführung von BCG-, DPT- und Masern-Vakzinen das Leben von Millionen von Kindern gerettet hat. Ein begleitendes Editorial verweist daher auch auf die Notwendigkeit echter kontrollierter Studien bzw. groß angelegter Observationsstudien, anstatt weiterhin auf viele kleinere, jedoch methodisch fragwürdige Studien zurückzugreifen [3]. Das Primärziel, die Charakterisierung heterologer Effekte von Impfstoffen, sollte idealerweise unter Berücksichtigung definierter immunologischer Variablen erfolgen, um einen einheitlichen Vergleich der Ergebnisse zu gewährleisten.
Obwohl sich also die Vermutung über nicht-spezifische Effekte von Vakzinen bzw. deren Auswirkung auf die Gesamtmortalität bestätigte, bleibt die Evidenz noch immer zu schwach, um eine endgültige Aussage treffen zu können. |
Quellen
[1] Kandasamy R, et al. Non-specific immunological effects of selected routine childhood immunisations: systematic review. BMJ 2016;355:i5225
[2] Higgins JP, et al. Association of BCG, DTP, and measles containing vaccines with childhood mortality: systematic review. BMJ 2016;355:i5170
[3] Yung CF. Non-specific effects of childhood vaccines. BMJ 2016;355:i5434
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