DAZ aktuell

Keine OTC-Ampel, aber eine Datensammlung

BAK-Präsident Kiefer nimmt Stellung zur evidenzbasierten Selbstmedikation

SCHLADMING (du) | Beim Deutschen Apothekertag 2014 wurde ein Antrag zur Aufarbeitung der Evidenz von OTC-Arzneimitteln mit großer Mehrheit angenommen. Doch die Initiatoren befürchten, dass dieser Antrag in den Gremien der ABDA einem Begräbnis dritter Klasse zugeführt wird. Als dann noch BAK-Präsident Dr. Andreas Kiefer in seiner Eröffnungsrede zum wissenschaftlichen Kongress der BAK in Schladming eine Absage an eine Nutzenbewertung von OTC-Arzneimitteln erteilte, die in der Aussage gipfelte, eine OTC-Ampel werde es nicht geben, war das Unverständnis groß.
Foto: WuV

BAK-Präsident Dr. Andreas Kiefer erläuterte in einem Hintergrund­gespräch mit der DAZ, wie es mit der Aufarbeitung der Evidenz von OTC-Arzneimitteln weitergehen soll.

In einem Hintergrundgespräch mit der DAZ erläuterte Kiefer die Sachlage. Er betonte, dass der Antrag vom geschäftsführenden Vorstand der ABDA eindeutig angenommen und befürwortet worden ist. Allerdings sei die Bereitstellung der Daten ein langfristiges Projekt, für das innerhalb der Geschäftsstelle keine Haushaltsmittel für 2015/2016 eingeplant ge­wesen seien. Deshalb habe man den Govi-Verlag beauftragt, einen Projektplan zu erarbeiten, der zum einen ­einen Weg zur unabhängigen Aufarbeitung der Daten und zum anderen die nutzerfreundliche Bereitstellung der Daten beinhalten soll. Kiefer äußerte die Hoffnung, dass dieser Plan schon im Sommer dem geschäftsführenden Vorstand und der Mitgliederversammlung zur Abstimmung vor­gelegt werden kann.

Unabhängigkeit liegt auch ABDA am Herzen

In einem Anfang des Jahres veröffentlichten offenen Brief des Verbands der demokratischen Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP) an den ABDA-Präsidenten Friedemann Schmidt und den geschäfts­führenden Vorstand hatte unter anderem die Antragstellerin Dr. Kerstin Kemmritz die Vergabe an den Govi-Verlag kritisiert, weil sie die Unabhängigkeit des Projektes gefährdet sah. Doch Kiefer betonte, die Unabhängigkeit läge der ABDA ebenso am Herzen, weshalb die Erstellung der Datensammlung an die Hochschulen angegliedert werden solle.

„Keine Marktbewertung“

Allerdings gebe es von Marktbeteiligten, unter anderem von Vertretern der pharmazeutischen Industrie, die Sorge, dass mit der Erstellung einer solchen Datensammlung unter Evidenzgesichtspunkten eine Marktbewertung einhergehen könnte. Eine solche Bewertung soll es laut Kiefer allerdings nicht geben – und so will er auch seine Absage an die OTC-Ampel verstanden wissen.

Kiefer betonte, im Gegensatz zum Arzt, der Arzneimittel verordnet, habe der Apotheker die Aufgabe, zu informieren und zu beraten und so den Patienten in die Lage zu versetzen, eine eigenständige Entscheidung zu treffen. Deshalb ist für Kiefer ganz entscheidend, wie mit den Erkenntnissen aus der Datensammlung zur Evidenz der OTC-Arzneimittel umgegangen wird und wie diese an die Leitlinien zur Beratung gekoppelt werden. Denn es wäre kein Kunstfehler, bei einem entsprechenden Patientenwunsch ein OTC-Arzneimittel mit geringem Evidenzgrad abzugeben.

Hintergrund

Beim Deutschen Apothekertag 2014 hatte die ABDA den Auftrag erhalten, evidenzbasierte Daten zu gängigen Präparaten in der Selbstmedikation zu sammeln, zu kategorisieren und zu klassifizieren, um sie in der Apotheke für die Beratung nutzen zu können. Diese Aufgabe sollte federführend an die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) als eine dafür besonders qualifizierte Organisation der Apothekerschaft vergeben werden. Vor dem Deutschen Apothekertag 2015 war zu erfahren, dass die Beratung noch andauere. Im September 2015 wurde publik, dass der geschäftsführende ABDA-Vorstand folgendem Vorgehen zugestimmt habe (DAZ.online; 18.09 2015): „Zulasten des Berufsstandes/der Berufsvertretung soll keine eigene Datenbank mit evidenzbasierten Ergebnissen zu Nutzen und Schaden der am häufigsten abgegebenen OTC-Arzneimittel erarbeitet und kontinuierlich gepflegt werden. Auch die AMK soll in dieser Richtung kein weiteres Aufgabenfeld bearbeiten.“ Stattdessen soll die ABDA-Tochter Govi-Verlag gebeten werden, eine Aufwand-Nutzen-Analyse für die „Bereitstellung eines kontinuierlichen, zu abonnierenden Newsletters, der den Entscheidungsprozess bei der Auswahl von OTC-Arzneimitteln fördert“, zu erarbeiten. Dieser soll sowohl (systematische) Übersichtsarbeiten als auch verfügbare Originalarbeiten zum Thema praxisverwertbar aufbereiten und referieren. Darüber hinaus soll geprüft werden, ob zusätzlich eine Datenbank mit Kasuistiken und einem Datenbankindex geschaffen wird, in die Fälle aus der Beratungspraxis von den Nutzern eingegeben und von allen Abonnenten recherchiert werden können. „Dieses Instrument soll den interkollegialen Lern- und Austauschprozess fördern.“ Zeit für die Prüfung hat der Govi-Verlag bis zum Herbst 2016, dann soll er das Ergebnis dem geschäftsführenden ABDA-Vorstand präsentieren, damit dieser eine Beschlussempfehlung für die ABDA-Mitgliederversammlung erarbeiten kann.

Diese Informationen haben die Antragsteller Dr. Kerstin Kemmritz und auch den Verband der demokratischen Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP) auf den Plan gerufen. In einem offenen Brief an den ABDA-Präsidenten Friedemann Schmidt und den geschäftsführenden Vorstand hatten sie zum Jahreswechsel ihrem Unmut Luft gemacht und das geplante Vorgehen scharf kritisiert (DAZ 2016; Nr. 1, S. 20).

Im Rahmen der Eröffnungsrede des Pharmacon Schladming am 17. Januar 2016 erklärte BAK-Präsident Dr. Andreas Kiefer, dass die Apotheker gut beraten seien, von einer Nutzenbewertung der Selbstmedikationsarzneimittel nach deren Zulassung abzusehen. Deswegen sei es auch richtig, dass die Leitlinien der Bundesärztekammer zur Selbstmedikation nur die Beratung des Patienten behandelten und anders als die im ärztlichen Bereich nicht auch Wirkstoffe bewerten. Diesen Nutzen bzw. den Evidenzgrad der Bewertung eines Arzneimittels gar plakativ in Form einer „OTC-Ampel“ darzustellen, sei unmöglich, so Kiefer. (DAZ 2016; Nr. 3, S. 11).

Datensammlung ja, aber keine Datenbank

Die Protagonisten des Antrags hatten den Vorschlag unterbreitet, die Daten in die ABDA-Datenbank zu integrieren. Die ABDA verfolgt jedoch einen von der ABDA-Datenbank unabhängigen Weg, der ebenfalls einen schnellen Zugriff in der Apotheke vor Ort sicherstellen soll. Auf die Frage, welche Aufgabe der im Fortschreibungsbericht angedachte Newsletter haben soll, stellte Kiefer klar, dass es sich hier nur um ein schnelles Informationsmedium handeln soll, das keinesfalls die Datensammlung ersetzen könne. Es könne aber auf Änderungen und neue Entwicklungen in Sachen Evidenz hinweisen. Auch die Kasuistiken seien keinesfalls zur Ermittlung der Evidenz zu verstehen, sondern als Hilfestellung und Diskussionsbasis unter Kollegen. |

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