Die Seite 3

Gefährliches Zyto-Spiel

Foto: DAZ/Kahrmann
Dr. Doris Uhl, Chefredakteurin der DAZ

Die Versorgung von Krebspatienten mit Zytostatika gilt als lukratives Geschäft. Und in der Tat konnten in der Vergangenheit Apotheker damit gutes Geld verdienen. Zu viel in den Augen der Krankenkassen – und so begann zunächst die AOK, ihre Versorgungsgebiete in Gebietslose einzuteilen und die Versorgung auszuschreiben. Dass damit die freie Apothekenwahl der Patienten eingeschränkt wird, hat das Bundessozialgericht kalt gelassen. Eine entsprechende Verfassungsbeschwerde der Apotheker wurde abgelehnt. Rückenwind für gesetzliche Krankenkassen wie die AOK, die daraufhin im März dieses Jahres ihre Ausschreibungen vorangetrieben hat. Einige Gewinner dieser Ausschreibung konnten zum 1. August mit ihrer Versorgung starten. Nur dem Hamburger Apotheker Günter Zeifang machte die Sendung Panorama letzte Woche einen Strich durch die Rechnung (s. „Panorama bringt AOK in die Bredouille“ S. 11).

Glaubt man dem Duktus der Sendung, dann muss er wohl ein so günstiges Angebot abgegeben haben, dass die AOK zunächst großzügig über eine Vorstrafe wegen Betrugs im Rahmen der Zytostatika-Versorgung hinwegsah und sich auch nicht daran störte, dass Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Unregelmäßigkeiten in der Zytostatika-Herstellung laufen. Die Gründe dafür lieferte die Panorama-Sendung gleich mit: Die Zytostatika-Versorgung ist ein Milliardengeschäft und die Ausschreibungen sollen der AOK eine Ersparnis in der Größenordnung von 30% bringen – da kann man als Kassenvertreter schon mal das ein oder andere Auge zudrücken. Doch der Druck wurde wohl zu groß. Die AOK kündigte den Vertrag noch vor seinem Inkrafttreten fristlos. Zwei ganz zentrale Probleme der Zyto­statika-Ausschreibungen wurden allerdings von den Redakteuren des Panorama-Beitrags ausgeklammert: die strukturelle Anfälligkeit für dubiose Geschäfte im korruptiven Graubereich und die gefährliche Zerstörung von für viele Patienten überlebenswichtigen Versorgungsstrukturen.

Jeder, der sich mit der Herstellung von Zytostatika zur parenteralen Anwendung beschäftigt hat, weiß, dass das ein heikles Unterfangen ist. Hier müssen nicht nur durch hoch konzentriertes Arbeiten unter Beachtung unzähliger regulatorischer Vorschriften die Qualität und mikrobiologische Sicherheit der Zubereitungen garantiert werden. Auch für die Sicherheit des herstellenden Personals – im Übrigen in der Regel Frauen – ist Sorge zu tragen.

Mit viel Herzblut und Know-how wurde in den vergangenen Jahrzehnten ein flächendeckendes Netz von Zytostatika-herstellenden Apotheken aufgebaut, die seither nahezu geräuschlos die wachsende Zahl von onkologischen Patienten sicher und schnell versorgen. Die zentralen Ausschreibungen und die damit verbundenen Exklusivverträge drohen nun, dieses Netz zu zerstören.

Und niemand scheint dieses gefährliche Ausschreibungsspiel ernsthaft stoppen zu wollen. Dabei ist es ein Spiel mit nur wenigen Gewinnern und vielen Verlierern. Ein Losgewinn mag für den einzelnen Apotheker wie ein Sechser im Lotto sein, manch ein anderer Kollege wird so in den Ruin getrieben. Der damit unweigerlich verbundene Konzentrationsprozess wird dazu führen, dass die jetzt noch in der Apothekerschaft vorhandene breite Fachkompetenz verloren gehen wird. Lange Lieferwege, bei denen die Haltbarkeit und mikrobiologische Qualität manch einer Zubereitung nicht mehr garantiert werden kann, werden schon jetzt billigend in Kauf genommen. Doch die größten Verlierer sind die schwerkranken Patienten, die nicht mehr zeitnah mit sicheren qualitativ hochwer­tigen Zubereitungen versorgt werden können. Im schlimmsten Fall müssen sie für die Einsparungen ihrer Krankenkasse mit ihrem Leben bezahlen.

Dr. Doris Uhl


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