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Panorama bringt AOK in die Bredouille
AOK Rheinland/Hamburg kündigt Zyto-Apotheker Zeifang vor Vertragsstart
Nachdem im November 2015 der Rechtsstreit der AOK Hessen gegen einen Apotheker, der ohne Exklusivvertrag hessische AOK-Versicherte mit Zyto-Zubereitungen versorgt hatte, zugunsten der Kasse ausgegangen war, schreiben immer mehr Krankenkassen die ambulante Zytostatikaversorgung aus. Auch die AOKen haben sich immer weiter vorgewagt: ihr Bundesverband schrieb für die AOKen in Hessen, Rheinland-Hamburg und Nordost mehrere Vergabeaufträge aus. Erst im Juli waren einigen Apothekern die Exklusiv-Zuschläge erteilt worden.
Eines der in Hamburg vergebenen Lose bringt die AOK nun in beträchtliche Schwierigkeiten: Nach Durchführung eines Vergabeverfahrens beauftragte die Kasse Zeifang mit der Zytostatikaversorgung im Hamburger Norden. Zeifang ist in der Branche kein unbeschriebenes Blatt. Er ging schon als „Gier-Apotheker“ durch die Boulevardpresse. 2013 hatte ihn das Amtsgericht Hamburg zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten auf Bewährung verurteilt. Der Grund: Zeifang hatte in den Jahren 2006 und 2007 über einen Zwischenhändler Fertigarzneimittel aus Ägypten bezogen, die in Deutschland nicht zugelassen waren. Diese Arzneimittel setzte er bei der Herstellung von Zytostatikazubereitungen als Ausgangsstoffe ein und berechnete die Zubereitungen gegenüber den Kassen als Rezepturarzneimittel.
Rechtskräftiger Strafbefehl
Damit verwirklichte Zeifang nach Auffassung des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGH) gegenüber den Krankenkassen den Tatbestand des Betrugs, weil es sich bei den in der Apotheke hergestellten Zytostatika-Lösungen nicht um Rezepturarzneimittel, sondern um Fertigarzneimittel gehandelt habe. Die im Rahmen des Betrugsvorwurfs zulasten der Krankenkasse vorgenommene arzneimittelrechtliche Bewertung des Strafsenats war in Rechtsprechung und Lehre allerdings auf Verwunderung und nahezu einhellige Kritik gestoßen. Und tatsächlich wurde sie – ungewöhnlich genug – vom 5. Strafsenat des gleichen Gerichts im Dezember 2014 wieder revidiert. Da Zeifang gegen den 2013 ergangenen Strafbefehl kein Rechtsmittel eingelegt hatte, nützte ihm diese Kehrtwende in der Rechtsprechung jedoch nichts mehr.
AOK verteidigt sich
In dem TV-Beitrag wurde Matthias Mohrmann, Vorstandsmitglied der AOK Rheinland/Hamburg, mit der Vorgeschichte Zeifangs konfrontiert. Er räumte ein, davon gewusst zu haben. Im Zusammenhang mit der Verurteilung sollen die AOK und andere Krankenkassen von Zeifang eine „Wiedergutmachung“ in Höhe von 290.000 Euro erhalten haben. Mit anderen Worten: Auch die AOK, die Zeifang den Zuschlag erteilte, hatte zu den von ihm Geschädigten gehört.
Gegenüber „Panorama“ verteidigt sich Mohrmann: „Wenn jemand in der Vergangenheit verurteilt wurde und die Strafe erledigt ist, und er außerdem weiterhin seine Zulassung als Apotheker besitzt, kann ich ja nicht sagen: Mit dem möchte ich zusammenarbeiten oder mit dem möchte ich nicht zusammenarbeiten. Wir haben ein offizielles Ausschreibungsverfahren, was sich an offiziellen Kriterien orientiert.“
Für die Ausschreibung verantwortlich war allerdings der AOK-Bundesverband. Wusste dieser von Zeifangs Vorgeschichte? Im Rahmen von Ausschreibungsverfahren müssen Bieter eine Eigenerklärung zu ihrer Zuverlässigkeit abgeben. Die hat Zeifang wohl erteilt – und explizit nach abgeschlossenen Strafverfahren oder laufenden Ermittlungsverfahren scheint Zeifang nicht gefragt worden zu sein.
Gegenüber DAZ.online verteidigte ein Sprecher des AOK-Bundesverbandes die Ausschreibungen dennoch. Sie böten klare Vorteile: „Auf einem völlig undurchsichtigen Markt schaffen sie endlich mehr Preistransparenz, gleichzeitig sichern sie eine hochwertige Versorgung bei deutlichen Einsparungen für die Versichertengemeinschaft. Die Geschichte des vorbestraften Apothekers ist jetzt zwar im Zuge des Ausschreibungsverfahrens recherchiert worden, spricht aber nicht gegen die Ausschreibungssystematik. Im Gegenteil, in der Regelversorgung wäre dies erst gar nicht ans Licht gekommen.“
Der Panorama-Redaktion zufolge könnte Zeifang allerdings auch noch in andere illegale Praktiken verstrickt sein. So sollen laut dem Polit-Magazin zurzeit sowohl die Staatsanwaltschaft in Lübeck als auch in Hamburg wegen weiterer Vorwürfe Ermittlungsverfahren gegen den Hamburger Zyto-Apotheker eingeleitet haben.
Zeifang wehrt sich in einer Stellungnahme zur Panorama-Sendung gegenüber DAZ.online heftig gegen diese Vorwürfe und bezeichnet den „abenteuerlichen und journalistisch unhaltbaren“ ARD-Beitrag als ein „Paradebeispiel von Hinrichtungsjournalismus“. Den angesprochenen Ermittlungsverfahren lägen unbegründete Verdachtsmomente zugrunde, heißt es. Der Bericht wärme überdies von der Zeitschrift „Stern“ aufgestellte Behauptungen wieder auf, ohne den Zuschauern diesen Hintergrund zu erklären. In Zeifangs Stellungnahme erklärt man dies mit dem Wechsel des für den Beitrag mitverantwortlichen ehemaligen Stern-Redakteurs in die „Panorama“-Redaktion. Damit seien „auch die falschen Anschuldigungen von einer Redaktion in die andere gewechselt“. Ende letzten Jahres hatte auch der „Stern“ in großer Aufmachung schwere Vorwürfe gegen Zeifang erhoben. Dagegen war Zeifang – teilweise mit Erfolg – zivilrechtlich vorgegangen. Auch DAZ.online, die über den „Fall Zeifang“ berichtete, war von dem prozessfreudigen Apotheker gerichtlich angegangen worden.
Der Panorama-Beitrag endet mit den Worten: „Und so sind hunderte Krebskranke ab nächsten Montag nächster Woche dem vorbestraften Apotheker Günter Zeifang ausgeliefert, weil die AOK ihm einen Exklusivvertrag gegeben hat.“ Das sorgte bei der Kasse offensichtlich für Unruhe: Am Freitagnachmittag kündigte die AOK Rheinland/Hamburg ihren Exklusivvertrag mit Zeifangs Elb-Apotheke „aufgrund aktueller Erkenntnisse“ – und damit noch vor Inkrafttreten des ursprünglich vereinbarten Zyto-Deals. Auf Nachfrage erklärte eine Sprecherin der Kasse, der Vertrag sehe eine Kündigungsklausel vor, von der die AOK jetzt Gebrauch mache. Die Versorgung der Patienten sei aber weiterhin nach den Vorgaben des Rahmenvertrages über die Arzneimittelversorgung sichergestellt. Um einen neuen Einzelvertrag zu schließen, sei rechtlich eine erneute Ausschreibung erforderlich: „Hierüber wird die AOK Rheinland/Hamburg noch entscheiden.“
Ob Zeifang die Kündigung akzeptiert oder gegen sie vorgehen wird, ist noch offen. Gegenüber der DAZ erklärte er, sie zurzeit rechtlich überprüfen zu lassen. Für die AOK dürfte es nicht ganz einfach sein, sich vom Exklusivvertrag zu lösen. Schließlich hatte Mohrmann in dem TV-Beitrag eingeräumt, dass Zeifang der Zuschlag von der AOK „sehenden Auges“ erteilt wurde – d. h. mit Wissen und in Kenntnis seiner strafrechtlich relevanten Vergangenheit. |
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