Management

Was Kunden erwarten

Erkenntnisse aus dem Mystery Shopping

Die Personalsituation in deutschen Apotheken wird zunehmend angespannter. Qualifizierter Nachwuchs ist immer schwerer zu finden, weswegen sich Apothekenleiter die Entscheidung für oder gegen einen Bewerber häufig nicht leicht machen. Was zeichnet jedoch einen guten Apothekenmitarbeiter aus Kundensicht aus? Wertvolle Hinweise bieten hier die Einschätzungen von Testkunden, die als „Mystery Shopper“ Apotheken besuchen. Von Julia Kaufmann

Bereits die Grundeinstellung dem Kunden gegenüber unterscheidet einen sehr guten von einem guten Mitarbeiter. In den Ergebnisauswertungen unserer Mystery-Shopping-Erhebungen machen wir immer wieder unterschiedliche Erfahrungen, wie Mitarbeiter auf Kundenmeinungen und -kritik ­reagieren, und können so Rückschlüsse auf die Einstellung des Mitarbeiters ziehen. Folgendes Beispiel aus der Praxis zeigt eine ausbaufähige Grundeinstellung bei dem Wunsch des Kunden nach Produktzugaben:

„Das können wir ja nun wirklich nicht auch noch machen. Wie soll ich denn daran denken, jedem Kunden eine Probe mitzugeben? Wenn ich selber woanders einkaufen gehe, bekomme ich doch auch nicht immer etwas geschenkt. Warum erwarten die Kunden das dann bei mir?“

Sehr gute Mitarbeiter stellen weder den Kundenwunsch infrage noch heben sie ihre Wünsche und Erfahrungen über die des Kunden:

„Am besten kontrollieren wir jeden Tag, dass unsere Schubladen voll sind. Vor dem Dienstbeginn sollte jeder prüfen, welche Proben er in der Schublade hat. Männer sind hier oft eine besondere Herausforderung, aber über Taschentücher und Bonbons freut sich im Zweifel auch jeder Mann.“

Anspruchsinflation bei den Kunden

Nicht nur Apotheken haben sich im Wandel der letzten Jahre verändert, sondern auch der Kunde. Beide Veränderungen bedingen sich dabei gegenseitig. Was aber genau ist anders an dem Kunden von heute?

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Wenn Sie einen Kunden nach seinen Erwartungen fragen, werden sich sehr hohe Anforderungen in nahezu allen Bereichen herauskristallisieren. Das Phänomen, dass dem Kunden beinahe alles sehr wichtig ist, findet sich nicht nur in der Apothekenbranche. Begründet liegt dies im Wandel hin zur Dienstleistungsgesellschaft. Noch vor einigen Jahren arbeiteten die meisten Deutschen im industriellen Sektor. Mittlerweile hat sich der Dienstleistungssektor zum größten Wirtschaftssektor Deutschlands etabliert, weswegen es in eben diesem Bereich auch die meisten Beschäftigten gibt. Dies wirkt sich stark auf das Dienstleistungsverständnis eines jeden Kunden aus, da dieser im beruflichen Leben mit großer Wahrscheinlichkeit selbst ein „Dienstleister“ ist. Auch eine Apotheke ist als Dienstleister zu betrachten. Diese Entwicklung der Erhöhung der Kundenerwartungshaltung wird auch als Anspruchsinflation bezeichnet.

Die anspruchsvollen Kunden von heute sind sich insgesamt darüber einig, dass mitarbeiterbezogene Kriterien am relevantesten für ihre Kundenzufriedenheit sind. So sind die Freundlichkeit und die Beratung von größerer Bedeutung als die Wohlfühlatmosphäre der Apotheke oder sogar das Preis-Leistungs-Verhältnis. Dem Kunden sind Persönlichkeit und Individualität wichtig. Obendrein bietet das Internet heutzutage nie da gewesene Möglichkeiten der Informationsgewinnung. Dies bezieht sich nicht nur auf Produktpreise, sondern auch auf Informationen bezüglich Krankheiten und deren Symptome. Gerade bei sehr intimen Problemen ist der Kunde nicht mehr notwendigerweise dazu gezwungen, für eine erste Informationssuche eine Apotheke aufzusuchen. Die Einfachheit und Schnelligkeit, mit der Kunden heutzutage Informationen erhalten können, stellt eine nie da gewesene Herausforderung dar.

Im Verkaufsgespräch ­punkten

Für den Vertrauensaufbau und die Steigerung der Wiederkommensabsicht der Kunden ist ein gutes Verkaufsgespräch unentbehrlich. Aus Kundensicht gibt es einige Aspekte, die den Erfolg eines Beratungsgespräches sehr positiv beeinflussen.

Direkte und offene Begrüßung:

Die Begrüßung und die folgenden ersten Sekunden des Kundenkontaktes werden oft unterschätzt. Dabei ist eine positive Begrüßungssituation der ideale Wegbereiter für das erfolgreiche Verkaufsgespräch. Dass es für den ersten Eindruck keine zweite Chance gibt, ist allgemein bekannt. Psychologisch liegt dies darin begründet, dass Menschen danach streben, sich in ihrem ersten Eindruck bestätigt zu fühlen. Ist dieser gut, sind wir bereit, im Folgenden kleine Fehler zu verzeihen, auch wenn diese vom ursprünglichen positiven Eindruck abweichen.

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Nähe schaffen und zur Beratung hinterm HV vorkommen Der HV-Tisch kann wie eine physische Barriere wirken. Der Ortswechsel erzeugt hier eine offene und dem Kunden zugewandte Haltung.

Die Thematik des ersten Eindruckes betrifft auch die PKA, denn am Telefon entsteht ebenfalls ein erster Eindruck. Bei einer unverständlichen und undeutlichen Begrüßung, aus welcher der Name des Gesprächspartners nicht deutlich hervorgeht, kann das gesamte Gespräch schlechter bewertet werden, als dies bei einer klar verständlichen Begrüßung der Fall gewesen wäre.

Fragen stellen: Die Bedarfsermittlung ist der Kern des Beratungsgespräches und hat außerdem einen sehr großen Einfluss auf die Weiterempfehlung. Durch die Fragen wird dem Kunden nicht nur die Fachkompetenz des Mitarbeiters demonstriert. Es werden auch das persönliche Interesse am Anliegen des Kunden und die Motivation, die für den Kunden beste Lösung zu finden, bekundet. Auch wenn Mitarbeiter schnell verstehen, was benötigt wird, ist die Demonstration des Fachwissens von hoher Relevanz, um dem Kunden das Gefühl individueller, kompetenter Beratung zu geben. Im Zweifel stellt der Mitarbeiter daher lieber eine Frage mehr als eine zu wenig.

Alternativen anbieten: Kunden wollen sich frei entscheiden können. Insbesondere dann, wenn der Kunde mit einem recht unspezifischen Anliegen wie z. B. trockener Haut in eine Apotheke kommt, möchte er nicht nur ein Produkt vorgestellt, sondern das Gefühl vermittelt bekommen, dass der Mitarbeiter genau das Richtige für ihn finden wird. Der Kunde möchte auf eine Erklärungsreise mitgenommen werden. Immer häufiger wird dann auch eine Alternative aus dem pflanzlichen Bereich gewünscht. Sprachgewandte Mitarbeiter, die Fragen stellen und denen das Verständnis der Kunden am Herzen liegt, hinterlassen einen langanhaltenden positiven Eindruck.

Lächeln: Die positive Wirkung eines Lächelns ist vielen bekannt. Eine lächelnde Person wirkt sympathischer. Und wer sympathisch ist, kann – wie Studien belegen – leichter das Vertrauen des Gegenübers erlangen. Dabei ist neben einem Lächeln auch der Blickkontakt von Bedeutung. In einigen Assessment Centern wird diese Eigenschaft bereits zielgerichtet getestet. Der Kandidat wird dabei angewiesen, den Gast auf Englisch über einen komplexen Sachverhalt aufzuklären. Höchstwahrscheinlich wird der Kandidat konzentriert nach den richtigen Vokabeln suchen. Tatsächlich aber achten die Beobachter auf die Höflichkeitsformen sowie auf Mimik und Gestik, wie den Blickkontakt und das Lächeln, statt auf ein perfektes Englisch.

Einem sehr guten Mitarbeiter wird der Vertrauensaufbau zu einem Neukunden schnell gelingen. Neben dem freundlichen Lächeln kann er den Kunden im Gespräch außerdem mit persönlichen Tipps und Hinweisen erreichen. Denn durch die Bezugnahme auf persönliche Erfahrungen schafft es ein sehr guter Mitarbeiter, eine persönliche Ebene zum Kunden aufzubauen. Wenn Mitarbeiter außerdem die Chance nutzen, hinter dem HV-Tisch hervorzutreten und das Gespräch beispielsweise am Regal fortzuführen, wird ihnen dies vom Kunden hoch angerechnet. Der HV-Tisch stellt eine physische Barriere zwischen dem Kunden und dem Mitarbeiter dar. Dem kann durch einen Ortswechsel sowie durch eine offene und dem Kunden zugewandte Haltung entgegengewirkt werden.

Wie Mistery Shopping funktioniert, beschreibt der Beitrag: „Mystery Shopping: Die Mitarbeiter mit Kundenaugen ­sehen“ in AZ Nr. 18 vom 2. Mai 2016, den Sie auch in DAZ.online unter dem Stichwort „Mystery Shopping“ ­finden.

Grundlegende Freundlichkeit reicht heutzutage aus Kundensicht nicht mehr aus. Nur selten dokumentieren wir im Mystery Shopping wirklich unfreundliche Kundenerfahrungen. Vielmehr ist Freundlichkeit eine Grundvoraussetzung, die KundenUNzufriedenheit verhindert, statt zu Kundenzufriedenheit zu führen. Um langfristige Kundenzufriedenheit zu fördern, sollte der Apothekenleiter von heute daher einen genauen Blick auf die Kundenerlebnisse durch das Auge des Kunden richten – wie es durch den Einsatz von Mystery Shopping möglich ist. |

Julia Kaufmann


Julia Kaufmann ist Mitinhaberin der Agentur Kaufmann& Kirner – mystery shopping and more in Rostock; info@kaufmann-kirner.de

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